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„Die sind doch auch schon ewig zusammen!“

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Im Sprechunterricht lernt man die Wortendung -ig wie -ich auszusprechen. Innich, prollich, drollich. Klingt länger und die Stimme kann wie in Hausschuhen über die letzte Silbe huscheln. Bei diesem Hauptsatz ist es wichtig, das „ewig“ spandex-mäßig zu dehnen, in ein „ehhhh-wiiich“. Je länger sich das „ewig“ zieht, desto länger ist das Paar zusammen. Ist das betreffende Duo nicht anwesend, enthält der Satz einen Teelöffel Abfälligkeit und einen Spritzer Häme. Meist, weil es für die Pärchenlogistiker, die da Bestandsaufnahme machen, so langweilig ist, dass sich bei Heike und Jan seit Jahren nix tut. Der Paar-Modus ist die Sackgasse für Tratschweiber, einmal erlangt, gibt er kaum was her.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Schlendert man selber als ewiges Paar durch den Alltag, dann bekommt man die direkte Version vors Kontor geknallt: „Ihr seid doch auch schon ewig zusammen!“ Statt Abfälligkeit gibt es dazu ein schlecht gespieltes Staunen, das immer wirkt, als würde gleich die Jahreszahl 1897 fallen. Das ewige Paar reagiert, indem es die ewigen Hände des Premium-Partners drückt und eine Schmiege-Choreographie aufführt. Dazu gurrt es: „Jaja, schrecklich lange, neulich haben wir noch gedacht, sind das echt schon acht Jahre, er hat’s gar nicht glauben können, gell?!“ Dazu wird auf „ihn“ gezeigt und alle Beteiligten kichern wie die Enten. Das Paar fühlt sich in diesem Moment very special und die konstatierenden Singles winken mental müde ab. Verzwickter wird es, wenn ein stadtbekanntes, ewiges Paar bei einer Party auf ein anderes trifft. Dann wird der gleiche Hauptsatz gesprochen, aber nicht mit Betonung auf „ewig“, sondern auf „auch“. Ewige Paare versuchen sich vordergründig zu solidarisieren, in der gleichen Art wie sich Mütter bei Kinderkrankheiten solidarisieren: „Pocken, Mumps und Masern, alles gehabt, jaja, total verschleimt, frag’ nicht!“ Bei den ewigen Paaren heißt das: „Fernbeziehung, Krise, gemeinsame Wohnung, jaja, alles gehabt, total verschleimt, frag’ nicht, er bringt’s immer durcheinander.“ Dabei wird wieder auf „ihn“ gezeigt und alle lachen wie die Enten. Während diese Show abläuft, taxieren sich die beiden ewigen Paare: Sehen die anderen schon wie ein Sofa-Pro7-ausgeleierter-Gummizug-Paar aus? Hat deren doofe Liebe nicht schon deutliche Gebrauchsspuren? Letztere zu verschleiern, werfen sich beide Paare ins Zeug, knutschen wie die jungen Birken oder tanzen pornographisch auf dem Kühlschrank. Es tut einer Party gut, wenn ewige Paare aufeinandertreffen. Sobald ein Paar geheiratet hat, hört es den Hauptsatz nie wieder. Die Ehe ist auf Ewigkeit angelegt, einem verheirateten Paar zu bestätigen, dass es ewige acht Jahre zusammen ist, gilt deswegen als unschick. Es wäre genauso, wie zu einem faltigen Menschen zu sagen: „Du lebst doch auch schon ewig, oder?“

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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