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"Dir kann man nichts schenken, du hast schon alles!"

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Ich bin ein Einbahn-Schenker. Das heißt, ich bin gut im nette Sachen mitbringen, am liebsten ohne Anlass und die netten Sachen leicht überzogen. Es gefällt mir, wenn die beschenkten Menschen dann sagen: „Dasistdochvielzuviel“ oder „Wahnsinnwohastdudenndasher“?, aber ich schinde es auch nicht. Ich denke lange über das richtige Geschenk nach, unterhalte ein Logistik- und Einkaufsnetz auf der ganzen Welt und stelle alles pünktlich und ohne großen Schmus auf den Gabentisch, bitte, danke, und sonst so? Aber ich kriege nicht gerne Geschenke. Erstmal, weil mich das immer etwas beschämt. Und zweitens bin ich in der Rolle des Beschenkten eine Fehlbesetzung, obwohl ich den Text kann. „Dasistdochvielzuviel“ oder „Wahnsinnwohastdudenndasher“, kriege ich nie über die Lippen, ohne dass es so falsch aussieht, wie ein als Frau verkleideter Junge im Schultheater. Ich grinse wie Johann Lafer, hüpfe, schreie, reiße mir die Haare aus, halte das Geschenk wie ein verliebter Gewichtheben über meinen Kopf, kurz, ich veranstalte ein amtliches Spektakel, aber die Schenker sehen mir nur einmal in die Augen und sagen dann: „Dir gefällt’s nicht. Du hast schon „Generation Golf“, oder?“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und damit sind wir beim zweiten, nicht sonderlich populären Geständnis: Ich kriege überwiegend Mist geschenkt. Vor dem Schenktermin rufen mich stöhnende Menschen an oder stellen mich im Treppenhaus: „Was wünschst du dir?“ Ich sage: „Och nichts, ich habe alles.“ Sie glauben es nicht und rufen zwei Tage später noch mal an: „Dir kann man nichts schenken, du hast schon alles!“ Ich sage: „Ja.“ Es stimmt, ich habe alles und zwar meistens schon in meiner Lieblingsversion. Aber der Gott hat auch für solche Fälle Geschenke erfunden: Blumen und Weinfläschchen. Beides welkt schnell in meinen Gefilden. Aber bringt mir jemals jemand nur Blumen mit und einen fröhlichen Gruß? Nie! Lieber schleppen die Menschen Gerätschaften an, Eiscrusher, Eislöffel, Eisdielen-Gutscheine - als hätte man mich je mit einem Eis in der Hand gesehen. Ich habe das gesamte unnütze Sortiment der Ladenkette Butlers im Schrank stehen und dazu noch mal eine Galeere voll mit ironisch gemeinten Geschenken: Kinderbrettspielen, Skibrillen aus der DDR, Schallplatten auf denen was mit Max steht, etc. Diese vermeintlichen Originalitäten sind eigentlich noch schlimmer als der Butlers-Kram. Offenbar haben die Menschen Angst, ich würde sie enterben, wenn sie aus Versehen etwas ganz bürgerliches schenkten. Wie gerne bekäme ich mal Krawatten, Manschettenknöpfe, einen guten Kugelschreiber, ein silbernes Feuerzeug. Das aber ist Spießerkram, das gibt’s nicht. Auf gut Glück Bücher zu verschenken ist eine mir komplett unverständliche Krankheit. Bücher, die ich lesen möchte, kaufe ich mir sofort selber und das schon seit Jahren. Bücher, die ich mit der Bemerkung geschenkt kriege, „Das gefällt dir sicher!“, gefallen mir in aller Regel nie. Falls sie mir gefallen, kenne ich sie schon. Wie gerne bekäme ich sinnlose Coffeetable-Books geschenkt - Newton, Turkish Interiordesign, Old English Hideouts - kaufe ich mir nie, nehme ich aber gerne in die Hand, genau wie ein silbernes Feuerzeug. Ich sage also allen: „Schenkt mir große Coffeetable-Books.“ Was kommt? Der gefühlte Backkatalog von Kiepenheuer&Witsch. „Haben wir uns nicht getraut, dir nur so ein langweiliges Fotobuch zu schenken!“ Sie sind einfach so rührend nett, meine Freunde, dass mein Herz ein Bumperl macht. Und deswegen lasse ich mir nichts anmerken, grinse wie Johann Lafer, hüpfe, schreie, reiße mir die Haare aus und halte „Herr Lehmann“ wie ein verliebter Gewichtheber über meinen Kopf.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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