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„Erzähl mal einen Schwank aus deinem Leben“

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Ehrlich gesagt: Was die zwischenmenschliche Komödie angeht, so bin ich mit meiner Rolle darin nicht zufrieden. Das lockere Miteinander, das zwanglose HuschHusch, das bienenartige Umsummen und Bestäuben all der niedlichen Blümchen mit kleinen Ohren, das habe ich nie richtig gelernt. Es hat nicht an Blümchen gemangelt, es zog mich schon von selbst an die besten Wiesen, aber ich war dort, um im Bild zu bleiben, eher der Gastzaun: am Rand und hölzern.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich schiebe das vor allem auf mein Standardgesicht. Denn das, was ich auf dem Hals trage, wenn ich nichts Besonderes denke, sieht so einladend aus wie die geschlossene Filiale eines Bestattungsunternehmens. Selbst Menschen, die heute gute Freunde sind, hatten die ersten zwei Jahre Angst vor mir. Obwohl ich sie doch unentwegt angestrahlt habe! Irgendwann hatte ich verstanden, dass ich, wenn ich normal bin, ungastlich wirke. Mit Mädchen ist das natürlich noch mal schwieriger. Mädchen sind überhaupt so etwas wie personifizierte 6000 Meter Berghöhe – jedes Bewegen in ihrer Umgebung ist doppelt so anstrengend und kompliziert. Die überwiegende Antwort der Damenwelt auf mein Bestattungsgesicht, ist seit jeher eine Frage: Ob etwas passiert sei? Andere nähern sich mit dem Bedauern darüber, dass es mir in diesem Club, auf dieser Party, in ihrer Nähe, ja gar nicht gefällt. Manche entschuldigen sich vorab erstmal für irgendetwas: Ich weiß schon, du findest das Kleid scheiße. Ich muss jedes derartige Gespräch also ex negativo starten. Nein, mir geht es gut, nein, ich habe nicht geweint und finde alles ganz bezaubernd hier. Punkt, Schweigen, Verstocktsein. Die Mädchen sehen mich auf diese Beteuerung hin zweifelnd an, dann sagen sie: Warum guckst du dann so? Hierauf erkläre ich das Problem mit dem Standardgesicht und da scheidet sich die Weiberspreu vom Mädchenweizen. Die netten Mädchen amüsieren sich über den Gesichts-Kummer. Sie sagen etwas Tröstendes, zum Beispiel, dass sie sich wünschen würden, mal ernster schauen zu können. Die Weiberspreu hingegen schluckt meine Geschichte, wie man einen Kaugummi aus Versehen schluckt. Sie glotzen und es eiert deutlich hinter ihren hübschen Stirnkastln. Ich glaube, sie wägen etwa Folgendes ab: Der Typ sieht zwar echt depri aus, aber er hat gerade was gesagt, das ich noch nie gehört habe. Entweder, der zieht mich jetzt den ganzen Abend mit seiner Ödfresse runter oder das ist einer von diesen, äh, originellen Typen. Um das zu überprüfen, sag ich jetzt mal diesen einen originellen Satz, den ich kenne. Schon blubbert aus ihrem Mund: „Erzähl mal einen Schwank aus deinem Leben“. Darauf ich: Standardgesicht und ab.

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