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Hauptsatz: "Ich hasse es, meine eigene Stimme zu hören!"

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Wenn irgendwo im Fernsehen kleine Elefanten zu sehen sind, lasse ich alles stehen und liegen und gucke hin. Kleine Elefanten sind niedlich, wer was anderes sagt, der spinnt total. Einmal habe ich im Fernsehen beobachten dürfen, wie kleine Elefanten versuchten, ihren eigenen Rüssel im Sand zu vergraben. Sie kennen ihn nämlich noch nicht und fürchten sich vor ihm, obwohl er ihnen doch schon seit der Geburt vorne heraushängt. Das verstehen die grauen Frettel aber nicht, sie wollen das Ding loshaben, trampeln darauf herum und verscharen es. Arme kleine Rüssel! Irgendwann aber, kapieren die Elefanten, dass die Rüssel nützliche natürliche Duschköpfe sind und akzeptieren sie. Meine Stimme hängt mir auch schon seit der Geburt vorne heraus, allerdings unsichtbar. Wenn ich damit etwas sage, ist es wie Post abschicken oder Schiffchen auf’s Wasser setzen, nur eben akustisch: Satz raus und weg ist er. Ich denke nicht drüber nach und es hört sich ganz normal nach Stimme an. Schlimm aber wird es, wenn ich aus Versehen meinen Anrufbeantworter anrufe, wenn jemand ein Video aufnimmt, auf dem ich etwas sage oder ich ein Interview abhören muss, in dem ich die Fragen stelle.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Erstaunlich ist dabei gar nicht so sehr, dass ich es als grässlich empfinde, meine Stimme auf so einem Wiedergabegerät zu hören – dieses persönliche Gekränktsein teile ich mit einem großen Teil der Menschheit, eigentlich mit allen, die nicht Radiosprecher und Operndiven sind. Erstaunlich finde ich nur, dass sich selbst in dieser massenhaft verbreiteten Grässlichkeit nie eine Gewöhnung einstellt. Gerade wenn ich denke, ich ertrage es diesmal wohl mit Gleichmut, mein nasal-dumpfes Hervorstoßen von Lauten, diesen breiigen, wenig markanten Singsang mit dem ich in Interviews meine fantastischen Fragen vertone, klingt meine Stimme wieder ganz anders schrecklich. Sie ist ein Chamäleon der Garstigkeit. Sie ist mir immer neu fremd, ich kenne sie nicht, ich fürchte mich vor ihr und möchte sie im Sand vergraben bzw. unter der Auslegeware, die bei uns hier in der Redaktion verlegt ist. Während ich das aber versuche, kommen die lieben Kollegen und sagen wenig hilfreiche Sätze, zum Beispiel: „Wieso? Du hörst dich doch ganz normal an. Wenn ich hingegen meine Stimme höre, ist das wirklich viel schlimmer.“ Das ist nun doppelt dumm, denn erstens bestätigen sie damit, dass das schlimme Geräusch tatsächlich zu mir gehört und zweites lachen sie über meine galoppierenden Selbstzweifel - statt sie mit ihren wohlklingenden Stimmen sanft zu lindern.

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