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Hauptsatz: "Ist da viel Knofel drin?"

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Die Verballhornung des "Knoblauch" hin zu "Knofel" ist vielleicht das schlimmste Erbe, das uns die 68er-Generation aufgebürdet hat. Rein lautmalerisch bewertet, hat "Knofel" die gleiche miese Qualität wie "Schlüpfer". Allerdings sind die Umstände, in denen "Knofel" gesagt wird, meist noch schrecklicher und direkt aus den Toskana-Zeiten der BRD importiert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das war eine Epoche, in der es für weltgewandt galt, mit Lehrer-Freunden ungewaschen an Holztischen zu sitzen, die man "in den Hof" getragen hatte, um dort mediterrane Spezialitäten in teutonischen Mengen zu fressen. Das griechische oder italienische wurde dabei vor allem durch ebenjenen überreichlichen "Knofel" markiert. Die Männer, die allesamt Volker hießen, konnten gar nicht genug betonen, wie gerne sie richtig viel Knofel "verdrückten" und nagten zum Beweis an einer Knoblauchzehe. Die Frauen, die allesamt Jutta hießen, beeilten sich zu versichern, wie ganz egal ihnen etwaige Gerüche wären und tunkten zum Beweis ihren Finger ins Tzaziki. Der Knofel verschaffte diesen gealterten Lebenskünstlern einen anhaltenden Distinktionsgewinn, für den sich heute niemand mehr interessiert. Denn es waren die Eltern von Jutta und Volker, die, wenn sie Knoblauch sagten, eigentlich Gastarbeiter meinten - beide kamen nicht ins Haus. Volker und Jutta aber begannen genau deswegen den Knoblauch zu lieben, mehr noch, sie gaben ihm den Spitznamen und dosieren ihn seit 30 Jahren in einem Maß über, als könnten sie mit geladenen Knoblauchpressen den Muff unter den Talaren weiterhin bekämpfen. Dieses Geknofel wäre nun als liebenswerte Eigenheit unserer Eltern kaum der Erwähnung wert, wenn es nicht auf uns abgefärbt hätte. Gut, glücklicherweise sagt kaum jemand aus der aktuell plappernden Generation das Wort "Knofel". Aber das Tischgespräch über die mengenmäßige Verteilung von Knoblauch hält sich bis heute wacker an der Spitze der Langweile-Charts. Regelmäßig sitzen mir Menschen gegenüber, die sich nach dem Biss ins Tomatenbrot beim Italiener so hollywoodmäßig mit der Hand Luft in den Mund wedeln. Sie sagen: "Hui, ganz schön Knoblauch, uups!" Dazu gucken sie, als hätten sie ihren Autoschlüssel verschluckt und erwarten vom ganzen Tisch Reaktionen. Die Reaktionen treffen zuverlässig als grässliche Phrasen ein: "Du musst ja heute nicht noch küssen, oder?" Großes Gepruste. Falls der zu Küssende am Tisch sitzt. "Uuups, Jochen, da würde ich heute Nacht lieber ins Hotel !" Größeres Gepruste. "Oder du bestellst noch Extra-Knoblauch, dann merkst du's nicht!" Riesen-Gepruste. Wenn es richtig schlecht läuft, geht es bei jedem Bissen so weiter. So ein anhaltendes Knoblauch-Gespräch hat niemand verdient, vor allem nicht der Knoblauch und ich. Höchstens Jutta und Volker würden es genießen. Aber die helfen gerade der Uli beim Speicherausbau.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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