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„Ich bin schon wieder urlaubsreif!“

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Um zum Beispiel die Reife von Mangos in Supermärkten festzustellen, muss man ihnen an den dicken Hintern fassen. Flitscht man dabei durch bis zum Kern, ist die Mango zwar reif, aber leider mit Loch. Flitscht man nicht durch, sollte sie noch mindestens zwei Wochen in der Küche nachreifen, wobei man sie regelmäßig aus den Augen verliert und erst nach vier Wochen hinter einem Topf wieder entdeckt – in ihrem gemütlichen Schimmelbett.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Menschen hingegen muss man nur einige Wochen in Büros rumliegen lassen, dann erhalten sie von selbst die richtige Urlaubsreife. Wer übrigens keine regelmäßige Arbeit hat, wird auch nicht recht urlaubsreif, sondern bleibt entweder ganz hart oder ist gleich faul. Aber wie erkennt man die menschliche Urlaubsreife? An ihnen rumzudrücken bringt nichts, höchstens in der Nackengegend, denn wenn es dort ganz verspannt ist, ruft der Nackenbesitzer: „Ohweh, ganz verspannt, oder? Ich bin echt schon wieder urlaubsreif.“ Das sichere Erkenungsmerkmal der Urlaubsreife ist aber trotziges Verhalten im öffentlichen Nahverkehr. Wer sich dort zum Beispiel minutenlang beide Augen zuhält, anderen die Faust auf den Glatze haut oder beim Ein- und Aussteigen übermäßig herumtrödelt ist schon sehr reifeverdächtig. Wenn dann noch jede Stationsansage des Schaffners mit einem Urrind-Grunzen kommentiert wird, ist die Urlaubsreife ziemlich sicher eingetreten. Künstliche Urlaubsreife wird übrigens in vielen Industrieländern durch doofe Arbeitskollegen oder geschickt platzierte Werbetafeln mit Bikini-Palmen-Ensemble schneller herbeigeführt. Aber Vorsicht, solche kunstgereifte Urlaubsmenschen fühlen sich in immer kürzeren Abständen reif und hängen irgendwann komplett durch. Wer also rechtschaffen urlaubsreif ist, der muss geerntet werden. Das übernehmen zum Beispiel Air Berlin oder Lufthansa. Die pflücken die Urlaubsreifen in den Großstädten ab, sortieren sie in enge Schachteln ein, die dann per Luftfracht in Gegenden exportiert werden, wo man die urlaubsreifen Früchtchen aus Deutschland schon sehnsüchtig erwartet. Denn nur die lassen sich so richtig gut auspressen. Wie an jede gute Reife schließt sich auch an die Urlaubsreife eine Verwesung an, allerdings nur eine temporäre. Man west 14 Tage an Stränden und kniehoch mit Halogenspots beleuchteten Hotelanlagen herum, verrottet kontrolliert in Hängematten und Whirlpools. Auch wenn es keiner zugeben will, erlangt der Mensch während dieses Vorgangs zunächst ein Abschwellen der Urlaubsreife und schließlich sogar wieder eine leichte Arbeitsreife. Vollends arbeitsreif ist schließlich einer, der am Strand den Satz: „Ich freu mich aber auch mal wieder auf richtige Knödel und ein Weißbier.“ loswird und dann den Kokosnuss-Verkäufer mit Urrind-Grunzen in die Flucht schlägt. Manchmal erkennt man die Arbeitsreife auch an knallroter Hautfarbe oder vertocknetem Stängel. Kaum daheim, geht der Reifegrad dann wieder in die andere Richtung, so ist eben das Leben – ein ewiges Reifen und Entreifen. Zwischendrin greift einem auch mal einer im Supermarkt an den dicken Hintern, aber am Schluss geht’s dann ins finale Schimmelbettchen – ausgereift und voll zermatscht. Mensch, was bist du anderes als eine Mango?

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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