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"Ich gewinne ja eh nie was!"

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So depri wie Faust bin ich nicht. Also von wegen Dasein eine Last, Tod erwünscht, Leben verhasst etc., nein, so schlimm ist es nicht. Aber wäre ich ein Bier, wäre ich wohl eher eine naturtrübe Sorte. Wäre Faust ein Bier, dann wäre er eine sehr dunkle, naturtrübe Sorte. Die Zivilisation hält aber auch für Aushilfs-Enthusiasten wie Faust und mich Doping bereit, und zwar in Form von bunten Losbuden, Lotterien und Tombolas. Dort könnte theoretisch jeder was gewinnen, praktisch gewinnt immer ein anderer. Ich gewinne nie etwas, das stimmt und stimmt nicht - wie es bei allen, die den Hauptsatz sagen, immer ein bisschen auch nicht stimmt. Natürlich habe ich schon mal etwas gewonnen, schließlich hat irgendein besonders aufrichtiger Menschenfreund mal das Prinzip "Jedes Los gewinnt" eingeführt. Dabei bekomme ich aber stets einen Gewinn, den als toll zu empfinden große Mengen positiver Energie verbrauchen würde. Da es damit aber, wie gesagt, bei mir knapp aussieht, sind diese gewonnenen Schlüsselanhänger und die kaltgeschäumten Sitzquadrate, die ich auf Freiluftkonzerten unter meinen Hintern schieben soll, in meiner Wahrnehmung das Gegenteil von Gewinn. Bei dem Wort kaltgeschäumt fällt mir ein, dass ich jetzt mal ganz kurz die Matratzenhersteller um etwas bitten möchte: Kaltgeschäumte Matratzen sind ja wirklich toll und überall für großes Geld zu kaufen. Aber wären im Winter nicht warmgeschäumte Matratzen schlauer? Ich brauche jedenfalls abends ewig, um die eiskalte Matratze selber warmzuschäumen. Und die sogenannte "Winterseite", die meine Matratze heute anbietet, ist nichts anderes als, ja genau, die Rückseite, ihr Schlauberger!

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zurück zum Gewinn. Jedes Mal, wenn die Bild-Schlagzeile das Wort "Super-Jackpot" beinhaltet, denke ich sehr stark darüber nach, wie es wäre, wenn ich den Super-Jackpot gewinnen würde. Das machen in diesen Tagen viele Menschen, deswegen herrscht im Bus dann stets ein rundum angenehmes Millionärs-Vorglühen. Ich stelle mir also vor, wie ich online zur Internetbank spaziere und hoppla, da sind ja 24 Millionen auf dem Girokonto. Ich drehe nicht durch, natürlich, sondern empfinde eine wieselartige Spießerfreude und sage niemanden was. Kaufe nur für alle überaus großzügige Geschenke, zum Beispiel Feuchttücher aus Gold. Diese ersten Einkäufe mit Super-Jackpot, kann ich mir eine ganze Busfahrt lang detailliert ausdenken. Aber leider sind sie allesamt sehr ordinär. Sie lassen sich ungefähr mit: Haus, zweites Haus, Auto mit Servolenkung, 12 Wochen Hotelurlaub und Kleinzeug von Harrods zusammenfassen. Mir graut vor mir, so ein durchschnittlicher Reicher wäre ich, wenn ich mal was gewinnen würde. Da bin ich als Armer viel interessanter. Deswegen spiele ich dann doch nie Lotto, ich gewinne ja auch eh nie was. Meine Mutter hatte allerdings mal einen "Vierer", da war sie mit mir schwanger und hat sich sehr gefreut. Ob ich als Reaktion darauf naturtrüb wurde? Was hatte dann Fausts Mutter im Lotto? Einen "Fünfer"?

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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