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„Mir fehlen einfach die Berge!“

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Ich nehme an, dass Norddeutschen statt der Berge das Meer fehlt. Was den Menschen in Mitteldeutschland fehlt, weiß ich nicht so genau, vielleicht das Zentrale. Bei uns jedenfalls hat man gefälligst die Berge zu vermissen, sobald man mal woanders ist. Wer als Bayer am Strand sitzt, bemerkt spätestens am dritten Tag, dass ihm irgendwas abgeht und am fünften Tag weiß er, dass es die Berge sind. Etwas anderes kommt nicht in Frage, denn der Rest ist ja doch weitgehend hier wie da, also Bäume, Kurven und Kinder mit Johannes-B.-Kerner-Frisuren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So sehr vermisst der Bayer in der Ferne die Berge, dass er es als Folge geradezu ausschließt, je woanders zu wohnen. Schön wäre es ja schon, woanders, bekundet er, aber er würde es dort wohl auf Dauer ohne Berge nicht aushalten. All jene, die bereits erfolgreich bergfern wohnen, hören diese Klage mit der freundlichen Nachsicht, die man auch sehr alten Menschen entgegenbringt, wenn sie vom Krieg erzählen. Anwesende Bayern aber nicken vielsagend und wäre noch ein Akkordeonist zugegen, müsste er das Lied „Bergmann, komm bald wieder“ anstimmen. Falls einer in dieses älplerische Vertriebenen-Szenario platzt und anmerkt, dass dort drüben doch auch ein Berg stünde – der slowenische Triglav vielleicht oder ein Stück apulischer Apennin – so hat er sich vor dem Bayern unmöglich gemacht. Denn nur das sind die echten Berge, die man vom Olympiaberg in München meistens nicht sieht. Einmal daheim sind dem Bayer die Berge wieder recht egal. Er sieht sie oft genug, wenn er in der Straßenbahn sitzt oder auf dem Weg ins Katasteramt ist, denn überall hängen Plakate, die für Weißbier werben. Ein Weißbierplakat enthält immer bayerische Stimmungs-Accessoires wie Brezn, Dirndlbusen in Dirndlblusen, Kühe und Holztische mit karierten Decken. Dieses Inventar wird ohne weiteren Zusammenhang um ein Glas Weißbier gruppiert und in den Hintergrund wird ein Bergpanorama geshoppt, wie man unter Grafikern sagt. In München stehen alle zweihundert Meter solche Weißbier-Plakate. Das ist dann Berg genug für den bayerischen Alltag. Denn das Beste an den Bergen ist, dass sie einen in Ruhe lassen. Die wollen nix, nicht mal spielen. Sie stehen und stehen und wenn man zweimal im Jahr über den Irschenberg Richtung Adria fährt, sind sie plötzlich rechtsbündig im Bild. Dann muss man sagen: „Guck mal die Berge, schön oder?“ Nur wegen diesem Moment kann der Bayer nicht weg aus Bayern.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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