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„Muss man auch mögen“

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Aktuell gab es diesen Windbeutel von einem Satz vor allem im Zusammenhang mit Karneval zu hören. Den musste man nämlich auch mögen, damit . . ., ja, was eigentlich? Damit man ihn mag? Genau. Dieser Hauptsatz ist also eine Feststellung mit etwa der Notwendigkeit einer neuen Allergie. Trotzdem hört man ihn treppauf treppab und auch in Souterrains und auf Parforce-Ritten ständig. Wer ihn sagt, will eigentlich ausdrücken, dass er das betreffende Sujet eher nicht mag. Weil aber das Nichtmögen in gewissen Kreisen schnell mit dem unschicken Nichtaufgeschlossensein gleichgesetzt wird, verpackt man es als vorsichtige Anerkennung. Tanztheater muss man dann also eben mögen, genau wie Stockfisch oder Baden in kleinen eiskalten Emaille-Eimern. Unsere Eltern sagten bei gleichem Anlass noch: „Jeder nach seiner Façon!“ Wobei das Wort „Façon“ als „Fassongg“ eingedeutscht wurde. Das war damals schon der gleiche Reflex, weil man mit dem irgendwie mondän klingenden Wort „Façon“ auch die unverständlichsten Neigungen leicht adeln konnte, also sogar Motorradmessenbesuche oder Extreme-Brennesselsud-Drinking.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Oft nutzen Menschen den obigen Hauptsatz auch als letzte Zuflucht, als verbalen Gnadenhof quasi, wenn das Denkzentrum sonst nix mehr hergibt. Das passiert leicht, zum Beispiel wenn sie etwas hören, das sie trotz Fernsehabitur nicht gleich begreifen. Zum Beispiel die akut grassierende Geschichte von der Kaffeebohne, die von einer Wildkatze verdaut und anschließend als Delikatesse gesammelt wird. Mit dieser biederen Mär kann man in einem deutschen Durchschnitts-Wartezimmer immer noch gute Mengen offener Münder und „Mussmanauchmögen“ aus den Kronen schütteln. In die gleiche Familie wahlloser Bemerkungen gehört übrigens auch der Zusatz „Wenn’s gut gemacht ist“. Damit möchte man den bedeutsamen Umstand kundtun, dass man etwas nur dann mag, wenn es gut gemacht ist. Sushi zum Beispiel oder auch wieder Tanztheater. Das Gegenteil, also die Bedingung, dass etwas schlecht gemacht sein muss, hört man leider nur selten. Allenfalls in dem Zusammenhang, dass Horrorfilme oder Prominentenfrisuren dann besonders unterhaltsam sind, wenn sie schlecht gemacht sind. Obwohl man in seinem Leben also stets immer nach dem gut gemachten schielt, hat der Satz nur ein begrenztes Einsatzgebiet. „Ich mag Bundestagswahlen nur, wenn sie gut gemacht sind“ klingt klar und deutlich nach Doofsinn. Wohingegen die Version „Ich mag Menschen nur, wenn sie gut gemacht sind“ eine völlig korrekte Aussage darstellt, die sich 2010 hoffentlich durchsetzt.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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