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Passt du mal kurz auf meine Sachen auf?

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Ein richtiger Urlaub, das stelle ich mir vor, beginnt mit einem Blumenkranz um den Hals, mit dem Händedruck eines sauberen Kapitäns oder wenigstens mit einem gichtigen Papagei, der „Welcome, Sugar!” krächzt. Tatsächlich beginnt mein Urlaub aber stets mit diesem Satz. Er ist es, der schon heimische Flughäfen mit einer Mischung aus Fremdheit und Gefahr paniert. Egal, wo ausgesprochen - der Satz löst ein „Ich muss mir unbemerkt an den Brustbeutel fassen”-Gefühl aus, das mich auf der ganzen Reise begleiten wird, auch ohne Brustbeutel. Denn wenn eines ja wohl klar ist, dann, dass in der Fremde alles passieren kann - insbesondere der Raub eines alten Koffers mit Leibwäsche.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gut also, dass ich nicht alleine reise, denn so kann dieser Satz vieles richten. Er schützt einerseits mein jämmerliches Gepäck und unterrichtet andererseits meine, vielleicht allzu sorglose Begleitung, über die Brenzligkeit der Situation. Und zwar auf genehm indirekte Art, denn wenn ich ständig: „Hier könnten theoretisch Diebe sein!”, flüstern würde, wäre auch die größte Urlaubswonne bald dahin. Noch schöner ist es, wenn man sich mit diesem Satz in der Fremde nicht nur als Deutscher zu erkennen geben kann (Gleiche Sprache! Gleiches Misstrauen!), sondern damit eine solidarische Gemeinschaft begründet. Wer mal kurz auf meine Sachen aufpasst, dem pass' ich mal kurz auf seine Sachen auf, diese Faustregel wird auf der ganzen Welt verstanden. Das ist sehr praktisch, wo es doch keine harntreibendere Umgebung gibt, als eine mit raschelnden Anzeigentafeln und plätschernden Lautsprecherdurchsagen. Arme Wurscht, die da allein reist und keinen zum Aufpassen findet! Die sieht sich gezwungen, das Gepäck am kirgisischen Urinal zwischen sich und die internationalen Mitpinkler zu stapeln – ein zuverlässig hässliches Unterfangen. Auf fremdes Gepäck aufzupassen erhebt mich allerdings auch nur so lange, bis sich folgende Gedanken ein Stelldichein geben: Was, wenn wirklich einer käme und den blauen Hartschalenkoffer des Westenträgers aus Wesel mopsen wollte? Was, wenn den Dieb mein warnendes „He, ich mein, Äh!” nicht zur Räson bringen könnte, sondern er mitsamt der mir anvertrauten Koffer und Wimmerl im Gewühl verschwände, blitzschnell vielleicht gar? Kann mich der Westenträger dann richtig stark dafür anschreien oder wird er einsehen, dass er von einem einfachen Aufpasser nicht mehr verlangen kann? Denn hinter dem Dieb her konnte ich natürlich nicht. Wer hätte dann auf mein Gepäck aufgepasst?

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