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"Pfeifenrauch rieche ich ja total gerne"

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Mein Vater war ein begnadeter Pfeifenraucher. Er trug stets eine Pfeifentasche mit zwölf verschiedenen Pfeifen mit sich und zelebrierte das wundersame Ritual der Rauch-Vorbereitung allabendlich, beleuchtet von meinen großen Kinderaugen. Filter, Reiniger, Stopfer, Klopfer, Tabakmischungen aus Dänemark und dazu das Wissen um die richtige Abkühlstrategie und den jeweils angemessenen Pfeifentyp machen das Pfeiferauchen zu einer Wissenschaft, gegen die Zigarettenrauchen wie Gummihüpf ist. Wenn wir irgendwo eingeladen waren, gab es immer eine kurze Diskussion, ob mein Vater seine Pfeifentasche auspacken dürfe, woraufhin sämtliche anwesende Damen den Hauptsatz flöteten und schon verwandelte mein toller Papa sich in eine qualmende, gemütliche Dampflok, die auch in die heiligsten Nichtraucher-Hallen dampfen durfte. Für mich war dieses Theater damals, das in dem Hauptsatz endete, wieder so typisches Erwachsenen-Getue, ähnlich überflüssig wie alle Impfungen, die man nicht auf einem Zuckerwürfel schlucken konnte. Schließlich war für mich ein Vater erst mit einer Pfeife vorne raus komplett, alle anderen Heinis waren nur Männer.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Irgendwann, ich kann mich nicht mehr genau erinnern warum eigentlich, hörte mein Vater auf zu pfeifen. Ich glaube, er hatte einen Artikel über Zungenkrebs gelesen. Von einem Tag auf den anderen verschwand die Tasche mit den Pfeifen, die mittlerweile selber schon so gut roch, dass man sie problemlos in einem britischen Herrenclub als Duftbaum aufhängen hätte können. Seitdem liegt sie im alten Schrank in der Garage, links neben dem Karton auf dem seit zwanzig Jahren "Maxi's Playmobil" steht. Der Schrank selber wurde schon lange nicht mehr geöffnet, viel zu viel hat sich davor gelagert, insbesondere die Zeit und alte Winterreifen. Alle zwei, drei Monate denke ich trotzdem an diese Pfeifentasche und wie sie da weit weg im Dunkeln liegt. Ich habe dann das Gefühl, ich müsste hingehen und sie an mich nehmen, und, ja, anfangen die Pfeifen meines Vaters zu rauchen. Ich bin mir sicher, der Hauptsatz funktioniert heute noch und ich wäre mit einer Pfeife überall der Geruchs-Darling. Tabak stopfen und Schmauchen sind auch zwei Tätigkeiten, die ich bestimmt bald erstklassig beherrschen würde. Trotzdem ahne ich, dass die Pfeifentasche in den nächsten Jahren ihren Abstellplatz nicht verlassen wird. Die Gegenwart ist mit der Tabakspfeife einfach nicht mehr kompatibel, da geht es ihr wie dem Rumtopf. Wenn ich meinen Kollegen übermorgen mit lustigem Pfeifchen (oder einem Rumtopf) gegenübersäße, käme überhaupt niemand mehr zum Arbeiten, weil alle mit der ständigen Verleihung des Exzentriker-Ordens an mich beschäftigt wären. In den zwei Quadratmeter großen Raucher-Arealen auf dem S-Bahnsteig verbietet sich der Gebrauch einer Pfeife von selbst und bei mir daheim am Küchentisch wäre ich zwar ungestört, müsste aber vermutlich ununterbrochen das Wort Zungenkrebs denken und all die neumodischen anderen Krebse. Vielleicht brauche ich da aber einfach nur einen gutaussehenden kleinen Sohn, der mir dabei zusieht. So ist es doch: Söhne brauchen nette Väter, Väter brauchen nettes Pfeifenstopfpublikum.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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