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"Von dem her würd' ich sagen"

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    Im Winter ist das Fernsehen bekanntlich noch ein bisschen schrecklicher als im Sommer, weil im Winter Wintersport übertragen wird. Dabei wurde Wintersport doch nur erfunden, damit die Bauern in Tirol in der kalten Jahreszeit eine Beschäftigung als Liftwart oder Almstüberlproporz haben und nicht daheim auf dumme Gedanken kommen, Stichwort Freischärler oder Buren(wurst)krieg. Auf die Fernsehattraktivität hat damals jedenfalls niemand geachtet und das merkt man den Wintersportarten massiv an: Vermummte Menschen schieben sich mittels Stöcken um die Wette durch nebligen Wald, zwei Stunden lang und am Ende gewinnt immer ein zwölfjähriger Norweger. Die öffentlichen Fernsehsender sind trotzdem dankbar, wenn sie das samstags nonstop übertragen können, zeigen immer abwechselnd die dampfenden Stockmenschen im Wald und bärtige Gummitorpedos, die sich durch einen Eiskanal rutschen lassen. Kann man sich wirklich mit Rodlern und Bobfahrern identifizieren, holt diese Sportart die Zuschauer in ihrer Lebenswelt ab? Man sieht ja nicht mal, wenn die Neoprengeschosse bei ihrer Abfahrt einen Fehler machen, nur am Ende bleibt die Stoppuhr stehen, einer streckt die Hände in die Höhe und gewinnt etwas, das er in den sieben Wintern zuvor auch schon gewonnen hat. 

  Das alles wäre nicht wesentlich sinnloser als der restliche Sport im Fernsehen, wenn nur nicht immer noch zusätzlich so viele Anorak-Reporter in Ruhpolding herumstehen würden, um in den Pausen die ausgerutschten Athleten zu interviewen. Angeblich geschieht das, damit das Volk an den Fernsehschirmen die Menschen hinter den Gummitorpedos kennenlernt. Leider aber lässt sich bei diesen Gesprächen nur feststellen, dass die Helden der Berge und Winterwälder ein rhetorisches Benehmen an den Tag legen, als wären sie von Spalt-Äxten gesäugt worden. Ein durchschnittliches Fernsehinterview mit einem Wintersportler klingt so:



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Moderator (leutselig): Andrea, wie haben Sie heute die Schneeverhältnisse am Berg erlebt?
Wintersportlerin Andrea (starker Wurzeldialekt): Also von dem her, dass ich gestern schon hier trainieren konnte und von dem, dass die Anita nach mir kam, von dem her würd’ ich sagen, habe ich es glaub’ noch ganz gut erwischt.
Moderator: Also sind Sie zufrieden mit dem 18. Platz in der Staffelverfolgung. Morgen gibt’s ja noch die Superkombination im Einzel auf der legendären Hasenbums-Abfahrt, wie stehen da Ihre Chancen?
Wintersportlerin Andrea: Von dem her, dass ich heute Nacht eine leichte Grippe und morgens ein sauberes Zäpfchen im Tee hatte, von dem her würd’ ich sagen bin ich guter Hoffnung, dass wir auch in der Mannschaft vorne mitlaufen können, also definitiv kann man’s nie sagen, aber von dem her schon.
Moderator (in die Kamera): Ich höre gerade, in Oberstdorf starten die Herren zum zweiten Lauf im nordischen Riesen-Torslalom, von dem her würde ich sagen, wir geben ab zu Florian Semmelschieber und unseren ZDF-Klumpski-Experten. 

  Nun, es ist gemein, Menschen eine Sprachauffälligkeit vorzuwerfen, die doch nichts anderes kennen als Stockbetten im Internat und Fleecepullover mit Firmenlogos am Kragen; die darauf gefasst sein müssen, dass ihrer Karriere demnächst das Totenglöcklein läutet und sie fortan als singende Partyalmbesitzer nachts von Käsespätzle träumen. Aber diese unsinnige Kausalverkettung via „von dem her“ verbreitet sich aus ihren schockgefrosteten Sprachzentren doch längst im ganzen Land! Überall wird „vondemhert“, als hätte es ein „deshalb“ nie gegeben. Wintersport hört im März wenigstens auf. „Von dem her“ aber hat zwölf Monate lang blutige Saison.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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