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„Welcher bin ich?“

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Das ist ein Satz, den ich siebenhundertmal sage, wenn ich ein Computerspiel spielen muss. Mir fehlt bei solchen Anlässen nämlich gerne die Übersicht darüber, welches Spielfigürchen meines ist. Dabei ist es einfach: Ich bin immer die Figur, die in die falsche Richtung wuselt, die von der Bahn gerutscht ist, ohne Golfschläger schlägt oder aus der schon eimerweise Blut spritzt, weil ein Alien sie in der Mangel hat. Spielen am Computer ist eine der wenigen Grillen der Popkultur, der ich nie so recht verfallen bin. Gelegentlich kam es in den letzten 18 Jahren trotzdem dazu, dass ich vor einem Bildschirm zum Mitmachen eingeladen worden bin, und einen Joystick oder Controller in die Hand nehmen sollte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

An dem was dann folgte, hat sich in all den Jahren wenig geändert, nur die grafische Auflösung ist besser geworden: Ich als Kanonenfutter für meine trainierten Mitspieler. Oder ich als Quell der Erheiterung für alle Zuschauer, wenn ich mich alleine durch ein Szenario schlagen sollte. So wie sich meine Großeltern beim Bedienen eines Quick-Check-In-Terminals am Flughafen anstellen, stelle ich mich bei den Computerspielen an, mir fehlt da einfach die Grundgeschmeidigkeit. Jeder Achtjährige, der das Spiel genauso wenig kennt wie ich, würde es intuitiv besser machen. Am allermeisten verabscheue ich Autorennspiele beziehungsweise alles, wo man auf einer Bahn durch Kurven fahren und Hindernissen ausweichen sollte. Ich bringe stets Stunden damit zu, mein Rennauto aus abseitigen Gräben zu rangieren oder quer durch eine mit keifenden Kakteen besetzte Off-Welt zu knattern, während mich alle anderen überrunden. Zurück auf der Straße fahre ich hundertpro in der nächsten Kurve wieder raus, Funken sprühen, Pfeile leuchten und mein armer, pixeliger Vertreter auf dem Bildschirm kratzt sich ratlos am Kopf oder verliert stumm leidend an Energie. Und das obwohl ich mit beiden Händen am Steuergerät rumkurbele, als wäre es das Steuerrad eines Segelschiffs! Immer ist mein Auto viel zu schnell und die Bahn viel zu schmal. Ich bemühe mich ja redlich, will doch wirklich mit den anderen in den nächsten Level, aber ich bin zu doof. Bei SuperMario bin ich seinerzeit in jedes Loch gefallen, habe jeden Sprung zu kurz angesetzt und bin selbst Gegnern erlegen, die meine Mitspieler als ungefährlich deklarierten. Falls ich einmal einen Höllenschlund erfolgreich überwunden hatte, war ich von dieser Leistung so ehrlich verblüfft und beglückt, dass ich besinnungslos in den nächsten Todesdorn rannte oder einen Killerpilz umarmte. Das Dauerschlechte auf das man während eines solchen „Adventures“ gefasst sein musste, habe ich nie verinnerlicht. In Träumen muss ich bis heute von einem schwebenden Holzfloß zum anderen springen und dabei nach Goldtalern schnappen, wobei ich mir aber selber zusehe, so traum-mäßig wirr. Da, und nur da, weiß ich immer, welcher ich bin. Der mit meinem eigenen, schmerzverzerrten Gesicht.

Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl

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