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"Wenn die Sonne weg ist, wird's gleich kalt!"

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Diesen Satz hat eine nette Leserin eingereicht. Darüber bin ich froh, denn ich war mir bis zu dem Zeitpunkt nicht sicher, ob ihn vielleicht meine Mutter erfunden hat. Diese Mutter, die übrigens auch zufällig die beste ihrer Art ist, hat ein überaus reichhaltiges Sortiment an Sätzen zur Sonne und zur Wetterlage allgemein. Komplementär zu wenn die Sonne weg ist, gibt es zum Beispiel „In der Sonne kann man es schon gut aushalten.“ Im Frühling kann es sein, dass „die Sonne schon richtig Kraft hat“ und wenn das der Fall ist, dann darf man die „Sonne nicht unterschätzen“ und muss sich folgerichtig eincremen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie gut, dass wir so ein abwechslungsreiches Wetter haben und klar akzentuierte Jahreszeiten (Das ist übrigens auch ein Hauptsatz, von Menschen, die zwei Jahre lang in Kalifornien gewohnt haben). Jedenfalls ermöglichen die Wetter-Kapriolen es meiner Mutter, oft einen wohlgesetzten Kommentar anzubringen. Im Sommer kann es passieren, dass man „bisschen zuviel Sonne abkriegt“ außerdem „haben sie für heute Abend Gewitter angesagt.“ So ein Gewitter wird angekündigt mit dem essentiellen Satz „Da hinten kommt’s schon ganz schwarz!“ Wenn es dann nicht bald kracht, ist es „wieder vorbeigezogen“, wenn es aber richtig runterpladdert dann „freuen sich die Pflanzen.“ Im Herbst wird es „in den Nächten schon richtig kalt“, wenn der erste Schnee fällt, sagt meine Mutter „Lass’ das Auto lieber stehen“ und wenn er lange andauert, dann „freut sich die Haut über jeden Sonnenstrahl.“ Dazu kommen universal gültige Wetterhinweise wie: „Zieh’ dir was an!“, „Hast was gegen Regen dabei?“, „Setz deine Mütze auf!“ und das triumphierende „Wenn ich so rumlaufen würde wie du, wäre mir auch kalt.“ Wie vieles andere Gute, habe ich auch die Wetterweisheiten von meiner Mutter übernommen und erfreue nun selber meine Bekannten beim Grillabend mit dem Hinweis, sie würden sich „die Nierchen verkühlen“, wenn sie noch länger auf den Steinen hockten. Oder weise ernsthaft auf ein „frisches Windchen“ hin, das eine leichte Jacke anraten lässt. Lustigerweise befolgen alle diese Ratschläge, lassen höchstens ein zahmes Murren vernehmen oder maulen „Mir is’ gar nicht kalt.“ Theoretisch müssten sie mich doch für frühvergreist und affig halten. Stattdessen aber greifen bei ihnen die alten Reflexe von Zuhause – offenbar ähneln sich unsere Mütter doch ein wenig. Man sollte diesen Ur-Reflex unbedingt mal auf einer Party testen und zu einem Ecksteher sagen: „So Freundchen, die Bettflasch’ pfeift, ich kenne einen, der ist schon ganz müde!“ Wetten, er wird sich ertappt aufrappeln, reflexartig gähnen und wimmern: „Aber alle andern dürfen doch auch noch auf sein.“

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