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"Wo is'n die Fernbedienung?"
Das Leben ist ja nicht immer Walhalla. Ganz oft ist es auch nur Walmart. Deshalb denke ich mir, es müsste mal eine wissenschaftliche Versuchsanordnung geben, bei der Testpersonen ein Jahr lang ganz ohne Alltag sind. Die müssten also jeden Tag etwas Aufregendes machen, dürften keine einzige Wiederholung und Unerheblichkeit erleben außer vielleicht Blinzeln, müssten sich keinesfalls mit Geruch in der Waschmaschine, Altflaschen neben der Spüle, Abholscheinen, nassen Sätteln, Geburtstags-Emails oder falschen Telekom-Rechnungen beschäftigen, nicht mit Urlaubsplänen, Busfahrzeiten und Habdichauchlieb-Sagen. Jeden Tag wäre alles neu, sie hätten sogar immer eine neue Toilette. Ein sehr aufwändiger Versuch. Aber ich wette, es würden nach einem Jahr faltenfreie Supermenschen rauskommen, die sich danach sehnen, so etwas ganz Alltägliches wie eine Suche nach der Fernbedienung zu erleben. Eine richtig lange, eine, bei der man sogar die Matratze anhebt.
Die Fernbedienungssuche ist noch viel gewöhnlicher, als sich beispielsweise an einer Salamipizza die Zunge zu verbrennen, weil sich unter der Salami kochende Käselava versteckt. Nein, die verschwundene Fernbedienung ist das Graubrot der Dienstagabende. Und obwohl sie nahezu täglich verschwindet, gewöhne ich mich nicht dran oder schaffe es, Vorkehrungen dagegen zu treffen. Der Verlust trifft mich immer gleich hart, nachdem ich mich mit Juchhe aufs Kanapee fallen ließ, in Erwartung schönen Knallfernsehens. Erst wenn ich mich also für diesen Abend von der Senkrechten verabschiedet habe, beginnt das unheilvolle Tasten. Seitlich und oben und unten, überall ist es weich und kisselig, nirgends ist es hart und tastös. Nie ist das Ding an der gleichen Stelle, wie auch alle anderen Dinge nie an einer gleichen Stelle sind, aber bei keinem ist das so schlimm, wie bei dem Fernsehschalter.
In der Zeit, in der ich überlege, wo er sein könnte, in der ich schließlich unter Lampenschirmen und Kleiderbergen, zwischen Zeitungsstapeln und im Blumenkasten nachsehe, wäre der Fernseher längst auch nahbedient. Ich bin dann sehr geneigt, eine Schelle zu entwerfen, mit einer Schnur dran, mittels der sich Herr und Schalter fortan zusammenketten können.
Das überdies Langweilige ist, dass sich die Fernbedienung ja nie an exotischen Orten versteckt, wie es zum Beispiel Autoschlüssel schaffen, die ich in der Rasierseife oder in interessanten Jackentaschen aufspüre. Die Fernbedienung liegt in den meisten Fällen nur sehr ordinär in der Kissenfalte, in der ich nicht nachgesehen habe. Vielleicht sollten die Wissenschaftler das mit dem Versuch sein lassen und lieber Einwegfernbedienungen entwickeln.
Text: max-scharnigg - Illustration: Katharina Bitzl