Knack!
Vielleicht sieht der Mann etwas ungekämmt aus; noch schlimmer aber ist es, wenn er mit gebügeltem Hemd oder Anzug auftritt. Vielleicht ist er mächtig, ein abgeklärter Chef, ein Abteilungsleiter, vielleicht auch nur ein betriebsamer, fleißiger Mann. In dem Moment, in dem er alleine isst, ist er einfach nur ein Mensch, der etwas essen muss, weil jeder essen muss. Er ist zurückgeworfen auf die Aufnahme von Nährstoffen. Der Energiebedarf treibt ihn dazu, ob er will oder nicht. Es geht in diesem Moment nicht um Stolz und Würde, um Worte oder Gesten, mit denen er einen Schutzwall um sich errichten könnte. Es geht um: Hunger.
Der Mann hat kein Gegenüber, kein Publikum, keine Nebenbeschäftigung, die die Nahrungsaufnahme als soziales Event ummanteln würde. Der Esser ist in diesem Moment so bei sich selbst, als säße er auf dem Klo. Man fragt sich, ob er keine Freunde hat, keine Frau, keine Kollegen, die mit ihm Mittagessen wollen. Warum isst er nicht zu Hause? Kann er möglicherweise gar nicht kochen? Warum wirkt er nicht so, als würde er sich gerade genießerhaft etwas gönnen, wie es allein essende Frauen in Restaurants fast immer hervorragend hinbekommen? Und ist ihm das egal, oder schämt er sich dafür, was die Sache nur noch schlimmer machen würde?
Der einsame Esser bündelt einen Moment lang die ganze Sinnlosigkeit menschlicher Existenz. Den ewigen Kreislauf aus Fressen und Verdauen, der uns antreibt und doch irgendwann umbringen wird, wenn die Organe abgewetzt und morsch sind und sowieso niemand mehr lebt, der mit uns essen will. Der Mann, der in der Öffentlichkeit alleine isst, sticht einem kurz die Vergänglichkeit der ganzen Welt ins Herz.
Text: jan-stremmel - Illustration: katharina-bitzl