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Warum finden Deutsche Witze mit Mett so lustig?

Foto: CL./photocase.de

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Foto: CL./photocase.de

Die Mutter aller Mett-Witze ist gar kein Witz: Mitte der Neunziger Jahre führte der mittlerweile in Rente gegangene 1Live-Talkshow-Lebensberater Jürgen Domian ein Telefongespräch mit Edwin, 26, der ein Mal im Monat Sex mit 60 Kilogramm Hackfleisch hatte. Nachdem Edwin seine Geschichte erzählt hatte, sagte Domian in seiner wunderbar ehrlichen, aber niemals herablassenden Art: „Dir ist ja klar, dass wir alle jetzt erst mal ein bisschen lachen müssen, ne?“ War ihm klar. Und auch rund zwanzig Jahre später (!) lachen die Menschen noch darüber: Edwin ist bis heute bekannt als der „Mett-Mann“.

Irgendwas ist dran, am Mett. Beziehungsweise: Am Mett an sich ist laut Deutschem Lebensmittelbuch (und Wikipedia) nix dran, weil es einfach rohes Schweinehackfleisch ist (maximal mit Salz und Zwiebeln) – aber Mett-Witze haben seit Jahren Konjunktur, vor allem im Internet. Niemand kann ihnen entgehen. Wer „Mett“ googelt, findet allein in den Vorschau-Bildern schon mindestens zwei Gags. Beweis (zur Nachahmung empfohlen): 

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Foto: Screenshot

Schaut man die Ergebnisse eingehender durch, findet man einen Kalauer nach dem anderen. Die Yogumette und das Mettella. Hacknuta. Odol-Mett 3. Ritter Sport „Mett“. Mett Chérie. Einen Mett-Kuchen. Metto-Mix. Cormetto. Kermett den Frosch. Crystal Mett. Den Carolin-Kebekus-Sketch „House of Mett“ (inkl. dem Slogan „Eternal Mettness“, der Cocktails „Mett on the Beach“ und „Long Island Mett Tea“ und den „Nike Air Mett“-Turnschuhen). Film- oder Serientitel, in denen ein Wort durch „Mett“ ersetzt wurde („No Country for Old Mett“, „How I Mett your Mother“). Ganze Seiten sind dem Mett gewidmet, zum Beispiel „Jung von Mett“ auf Facebook, das „Museum of Modern Mett“ (MomMe), das sogar T-Shirts verkauft („Rettet die Lachse, esst mehr Mett!“), oder mettigel24.com.

Und selbst, wenn niemand es so eindeutig drauf anlegt – immer, wenn irgendwo Mett vorkommt, muss man automatisch lachen. Das war bei Edwin, dem Mett-Mann so, das geht vielen bei der nordrhein-westfälischen Stadt Mettmann so, und alle freuen sich, wenn es Nachrichten gibt wie diese: Ein Einbrecher in einen Supermarkt wurde gefasst, weil er während der Tat in eine Mett-Wurst gebissen und so seine DNA hinterlassen hatte. Spiegel Online hat es sich damals nicht nehmen lassen, daraus einen Aufruf zur Interaktion zu machen:

Warum funktioniert Mett-Humor so gut? Die einfachste Erklärung ist wohl: Mett ist extrem Wortspiel-tauglich. Sieht man ja an den Beispielen oben. Das Wort reimt sich auf sehr, sehr viele andere Wörter, außerdem ist es einsilbig, und kann darum beliebig überall eingetauscht werden, ohne den Rhythmus des Original-Wortes durcheinander zu bringen. Es ist also leicht, alles mögliche mit diesem Wort zu kombinieren und so eine Grundvoraussetzung für einen guten Witz zu schaffen. Tabea Scheel, Psychologin und Humorforscherin an der Fernuni Hagen, sagt: „Die Grundform von Witzen ist, dass Dinge zusammenkommen, die nicht zusammengehören.“ Also zum Beispiel einen Schoko-Joghurt-Riegel und Mett. Zahnpasta und Mett. Drogen und Mett. 

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Bonus-Bild aus der Redaktion und dem echten Leben:  Junge Menschen von der Mosel pflegen bei ihrem Polterabend die Tradition, eine Schubkarre mit Mett bereit zu stellen. Jeder darf sich was nehmen und aufs Brötchen schmieren. (Foto: Charlotte Haunhorst)

Aber was ist mit dem Mett als Produkt, nicht nur als Wort? Was ist daran so witzig? Das erklärt sich vielleicht, wenn man noch mal bedenkt, wo das Mett vor allem als Witz auftaucht: im Internet. Wenn man es genau nimmt, ist rohes Hackfleisch nämlich so etwas wie die Anti-These des Internets. Ja, es gibt online auch sonst sehr viele Ekelhaftigkeiten – aber die meisten von uns werden in ihren Filterblasen überschwemmt von Instagram-Bildern mit Traumurlaubszielen und ins rechte Licht gerückten Frühstücken drauf, von Food-Blogs mit veganen und gesunden Gourmet-Gerichten, von Bildern lichtdurchfluteter Altbau-Wohnungen oder Industrie-Lofts voller graziler Designer-Stühle mit Schaffellen drauf. Mett ist das Gegenteil von all diesem Feinsinn: Es ist roh, es ist grob, es ist fettig, es ist hässlich. Es ist Fleisch. Und die Internet-Ästheten knallen es dann – meist natürlich völlig ironisch – als Witz zwischen all das Ästhetische und alle kichern mit.

Wobei: „alle“ stimmt nicht ganz. Denn nicht das ganze Internet ist voll mit Mett-Witzen, sondern nur ein Teil. Und zwar der deutschsprachige. Womöglich sogar: der deutsche. Denn nur die Deutschen scheinen wirklich über rohes Schweinehackfleisch lachen zu können. Ist Mett-Humor also typisch deutsch und Franzosen runzeln darüber bloß die Stirn? Oder kennen sie diese Art von Witzen gar nicht?

Eine Frage, die uns einer beantworten kann, der sich mit dem Produkt, das da humorig verwurstet (höhö) wird, gut auskennt: Gero Jentzsch, Pressesprecher des Deutschen Fleischer-Verbandes. „Sicher bekommen wir das mit – und manchmal ist es auch sehr witzig“, schreibt er. „Manchmal nicht wirklich, denn zum Beispiel die Rettung des vom Aussterben bedrohten Mettigels ist eigentlich ein sehr ernstes Thema! ;-)“ Und dann wagt er einen Erklärungsversuch:

„Mett vom Schwein, oder Hackepeter, ist ein in Deutschland sehr beliebtes Lebensmittel, und auch ziemlich ‚typisch deutsch‘. Soweit ich weiß sind die Deutschen die Einzigen, die rohes (gewürztes) Schweinefleisch verzehren, eine Tradition, die aus unserer Kultur der Hausschlachtungen stammt und die im Ausland weitestgehend Kopfschütteln hervorruft. (Versuchen Sie mal, einem Amerikaner ein Mettbrötchen anzubieten.)

Wir kennen ähnliche Effekte auch von der Wurst, auch sie ist untrennbar mit der deutschen Esskultur verbunden und zudem Ursprung unzähliger Redewendungen, Karikaturen und Witze. Derart wertgeschätzte und wertvolle Lebensmittel lösen möglicherweise jede Menge positiver Gefühle aus und regen offensichtlich die Phantasie an, die sich dann in mehr oder weniger humorvoller Form Bahn bricht.“

Das ist eine sehr liebevolle Erklärung. Leider könnte man es auch andersherum sehen: Mett ist ein bisschen so wie das Klischee des Deutschen und seines eher polternden Humors. Denn es ist ähnlich subtil und elegant wie ein dicker, halbnackter, weißer Mann mit Sonnenbrand und Socken in den Sandalen. In den Tiefen des Mett-Internets wird es dann auch leider schnell zu deutsch und der Mett-Humor kippt ins Rassistische – vor allem in der Kombination „Schweinefleisch“ und „Muslime“. Da gibt es zwar auch eher niedliche Wortspielen mit dem „Propheten Mohamett“ – aber zum Beispiel auch ein Bild, auf der das mit Sperma vollgespritze Gesicht einer jungen Frau zu sehen ist, und drunter steht, dass sie Flüchtlingen Mettbrötchen angeboten habe. Haha.

Wir halten fest: Mett-Humor ist die Anti-These zum Über-Ästhetischen und er ist deutsch. Da kann man sich fragen: Haben andere Länder auch so ein irgendwie hässliches Witz-Nahrungsmittel? Scherzen die Franzosen über Froschschenkel und die Mexikaner über die Avocado? Tabea Scheel, die auch interkulturelle Humor-Forschung betreibt, kann das leider nicht bestätigen. „Wahrscheinlich gibt es in sämtlichen Kulturen der Welt Witze über Lebensmittel, über ihre Form oder ihren Geschmack. Aber das ist total erratisch, es gibt nicht überall das eine Lebensmittel, das dafür verwendet wird.“

Schade. Darum wohl umso schöner, dass wir unseren Mett-Humor haben. Der wird dieser Tage, wo es wieder so viel darum geht, was eigentlich „deutsch“ ist, vielleicht sogar besonders wichtig. Denn manche nehmen das ja, wie wir wissen, nur allzu ernst, und es kann gut tun, über Auswüchse wie diese hier dann einfach ein bisschen zu lachen:

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