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Die Fernbeziehungskolumne. Heute: Alltag, alle Tage

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AlsoDas habe ich geschickt gemacht: Pünktlich zu Semesterbeginn und kurz nach einem Blitz-Besuch im Alpenvorland Kathrins zu Geburtstag hat mich nun eine gescheite Erkältung in die Horizontale geholt. Und endlich, endlich kann ich mal so krank sein, wie ich das am liebsten habe: Einfach schlecht gelaunt in meinem Bett liegen, ohne ständig bemuttert zu werden. In meinen ersten 21 Lebensjahren übernahm das Bemuttern des kranken Moritz bezeichnungs-konform meine Mutter, und zwang mich – egal ob ich nun an Grippe oder einem eingewachsenen Zehennagel litt – mit Ekel erregendem Salbei-Tee zu gurgeln. Igitt gleich zehn, Effekt gleich null. Außer vielleicht, dass ich möglichst schnell gesund werden wollte, um nur ja nicht mehr dieses Zeug in den Mund nehmen zu müssen. Vor etwas mehr als drei Jahren übernahm dann Kathrin die Folterwerkzeuge und legte einen fast sadistischen Hang zum Verpassen von eiskalten Wadenwickeln an den Tag. Aber jetzt: Habe ich mir nach der selbst erstellten Diagnose (Burn-Out-Syndrom, Quarterlive-Crisis und, ganz banal, Erkältung) etwas Bettruhe, die Monaco-Franze-DVD-Box und große Mengen Heidelbeer-Joghurt nebst Aspirin verschrieben. Geilo. Ebenfalls gar nicht so schlecht, seit die Freundin weg ist: 1. Beim Essen nicht gerügt zu werden Statt sich ein tadelndes „Jetzt schling doch nicht so!“ einzuhandeln: Ein anerkennendes „Boah, ey! Thomas, du isst ja noch schneller als ich!“ aussprechen und sich den Teller gleich noch mal voll laden, bevor der Topf leer ist. 2. Die eigene Anwesenheit verschenken Normal tolle Geburtstagsgeschenke werden deutlich aufgewertet, wenn sie der Schenker überraschend und unangekündigt selbst übergibt, nicht der freundliche Mitarbeiter vom Paketservice. Schon löst die dem Geschenk beigelegte Flasche Kölner Mineralwasser jene hochemotionalen Reaktionen aus, zu denen sonst einige Karat nötig gewesen wären. 3. Repeat-Tasten-Orgien Nachdem Herr Delay 15 Mal „Wir machen das klar“ genäselt hat, dürfen er und Udo noch elf Mal „Alles ist im Arsch“ schnoddern. Schönschön: Keiner beschwert sich.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Kathrin und der Ich Was hingegen nicht so gut ist: 1. Tolle Studien von der Redaktion geschickt bekommen Solche: Wissenschaftler haben bei einer Befragung von ausgerechnet in Österreich lebenden Frauen herausgefunden: berufliche, zu Fernbeziehungen führende Mobilität lässt das Trennungsrisiko um exakte 160 Prozent steigen. Aha. 2. Glücklich verliebte Freunde Dieselbe Studie besagt, dass gemeinsames Umziehen innerhalb einer Stadt hingegen das Trennungsrisiko um mindestens zwei Trilliarden Prozent senkt. Und weil Jan hier auch unbedingt mal erwähnt werden wollte: Echt super, dass du und Maren gerade jetzt eure „Wir ziehen zusammen und bauen uns ein wunder-, wunderschönes Nestchen“-Phase haben müsst. Dafür habe ich wenigstens eine Heizung. Und ihr nicht. So. 3. Rauchverbot im Bordbistro Wer im ICE wie gewohnt Kaffee und Zigarette frühstücken will, muss sich nun die Kippe ganz schnell in der Hand ausdrücken, wenn ihn der Kaffee-Verkäufer anbellt. Seit 1. Oktober ist hier Rauchverbot, in den Aschenbechern liegen jetzt TicTacs. Schmecken aber auch gut. Alles ist anders, alles ist neu. Aber langsam wird aus der Ausnahmesituation ein Alltag. Der neue Samstagabend-Alltag zum Beispiel sieht so aus: 17.30 Uhr: Mit Mitbewohner Thomas: Losgehen zur U-Bahn. 17.35 Uhr: Keine U-Bahn da. 17.50 Uhr: Immer noch keine U-Bahn da. 17.55 Uhr: U-Bahn steht seit drei Minuten vor der Station und fährt nicht ein. 18.10 Uhr: Endlich am Rudolfplatz. Jetzt schnell zu Sportschau-Schauen-Gastgeber Kristoff. 18.20 Uhr: Mist, Bier vergessen. Runter zur Trinkhalle. Dadurch: Tor des Monats verpasst. 18.30 Uhr: Bei Vegetarier-Kristoff kein ordentliches Schnitzel in die Pfanne hauen, sondern überbackenen Brokkoli essen. Ebenfalls Mist. 19.20 Uhr: „Mann, Makaay! Is dat ne Nulpe, ey!“ oder wahlweise: „Nee, nich der hässliche Brdaric!“ brüllen. Dabei versuchen, nicht zuviel Brokkoli Richtung Fernseher zu spucken. 20.00 Uhr: Schon wieder im Lotto verloren. 20.15 Uhr: Prinz von Zamunda auf dem Qualitätssender Kabel 1. Geiler Typ, der Eddie Murphy. Vielleicht auch mal Prinz werden, wenn Lotto immer nicht klappt? In der Werbepause: Bier holen 22.35 Uhr: „Was, Thomas? Du kennst Six Pack/StadtVenlo/Baracuda-Bar/tba noch nicht? Da müssen wir auf ein (ja, ja, sicher…) Kölsch hin.“ Ab 22.40 Uhr: hin, rein, Bier, raus, weiter, rein, Bier, Bier, raus, weiter... 1:45 Uhr: 6:0 im Kicker verlieren. Vielleicht nächstes Mal weniger Bier trinken. 2.30 Uhr: „Jetz mussi aber na Hause, Alter…“ 2.35 Uhr: Rien ne va plus, besonders bei der U-Bahn. Der Fahrplan ist außerdem total verwackelt, ey. Also: Laufen. Thomas Gang: ebenfalls verwackelt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Bälle streicheln statt Kathrin Sonntag Mittag: Eine Guten-Morgen-SMS verschicken, weil kein Kaffee mehr da ist. Und zurückbekommen: „Fresse grad Lachs und Kaviar mit Evelyn. Kuss!“ Bäh, aber bitte vorher den Mund ausspülen. Diese Kaviarkugeln beim Knutschen kann ich echt nicht leiden. Zum Schluss eine kurze Einkaufliste.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Neuzugänge Was im Bad schmerzlich vermisst wird, seit Kathrin weg ist: - Fön - Nagelfeile - Nagelknipser - Nagelschere - Hornhaut-von-den-Füßen-Abraspler - Fieberthermometer - Handspiegel - irgendeine Art von Creme (Langfristig gesehen doch nicht so überflüssig, wie angenommen.) - Zungenkitzelgerät zur lebensnotwendigen Zungenreinigung - Kathrins Haare im Duschsieb. Notiz an mich: Bis auf die Haare alles neu kaufen.

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