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Die Fernbeziehungskolumne. Heute: Kommunikation ist alles

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Es gibt viele Möglichkeiten, miteinander in Kontakt zu treten. Die richtige zu finden, kostet Zeit, Geld und Nerven. Kathrin und ich haben bis jetzt folgende probiert: Der Brief Ist die romantischste aller Kommunikationsformen. Etwas Bleibendes, der Klassiker, das eigentliche Muss für Verliebte. Und gleichzeitig die langsamste Form des Austausches, vor allem, wenn die österreichische Post mit ins Spiel kommt. Was bei Kathrin und mir immer der Fall ist. Diese Langsamkeit hat aber auch einen Vorteil. Man nimmt sich Zeit, bringt all das, was man der Geliebten sagen will, in literarische Schönform.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Immer leer: Der Briefkasten Theoretisch zumindest. Denn wenn nach einem Tag, der mit dem Überlegen solch geschliffener Liebesbekundungen verbracht wurde, abends endlich zum Stift gegriffen wird, sind die meisten schon wieder vergessen. Woran nicht zuletzt der Rotwein einige Schuld trägt, der vor dem Verfassen konsumiert wurde, um eine adäquate romantische Grundstimmung zu schaffen. Leider schafft er auch Flecken auf dem Briefpapier, die geschickt verwischt aber als Tränen der Ergriffenheit durchgehen können. Diese Romantik leidet aber: Der Oberlehrer in mir kommt nicht umhin, gelegentlich (Rotwein-bedingte?) Kommafehler in Kathrins Schreiben zu verbessern. Außerdem sind, wenn der Brief endlich einmal beim Empfänger ankommt, alle in ihm enthaltenen Informationen schon längst alte Hüte. Denn es gibt ja auch: Das spontane Telefonat sieht in etwa so aus: Kathrin: „Hallo, ich bin´s!“ Ich: „Hi! Schön dass du anrufst. Was gibt’s?“ Kathrin: „Hm, eigentlich nichts. Ich habe gerade nur einen Hund mit drei Beinen / eine Bratwurst / ein Auto gesehen, der/die/das mich an dich erinnert.“ Ich: „Schön. Und wie geht’s?“ Kathrin: „Ach, ich vermisse dich.“ Ich: „Ich dich auch. Aber das schaffen wir schon. Müssen wir.“ Kathrin: „Ich weiß, aber…“ - Stille, anschließend Erzählungen, was gerade so in Köln / in Kufstein passiert ist - Ich: „Ähm, Kathrin, soll ich später noch mal anrufen? Ich hab nämlich den Simon in der anderen Leitung, mit dem hat grade die Freundin Schluss gemacht. Kommt blöd, wenn ich den so lang in der Schleife lasse. Um sieben?“ Kathrin: „Jaja, schon gut. Ich wollt dich nur kurz hören. Also bis sieben, ja? Kuss!“ Ich: „Bis sieben. Kuss!“ Ein paar Stunden später findet es dann also statt: Das verabredete Telefonat Und es dauert lange. Sehr lange. Deshalb darf nicht täglich zu diesem Mittel gegriffen werden, jeder Gesprächspartner sollte ein paar Kracher auf Vorrat haben. Ein langes Telefonat ist nämlich ohne Inhalt schwer zu bestreiten. Manchmal klappt aber selbst das. Doch wenn alle Tanten, Freunde und Verwandten durchgesprochen worden sind, aller Frühstückssemmel-Belag bis in die Struktur der Käselöcher beschrieben wurde und über alle, über die man lästern kann, gelästert wurde, dann folgt ein fast subversiver Akt: Das Telefon, qua Definition ein „Miteinander-Sprech-Mittel“, wird um 180 Grad umgenutzt: Zum „Miteinander-Schweige-Mittel“. Auch das muss man können. Genau wie sich dann aber auch irgendwann zu verabschieden und nach dem vierten „Nein, du legst auf!“ tatsächlich den Hörer auf die Gabel zu legen. Die E-Mail Ist meistens doof. Zwischen Penis-Verlängerungs-Spam und „Peter hat das auch gekauft: Garantiert echte Rolex: 9,99 €“-Belästigungen eine Mail von Kathrin zu entdecken, freut mich zwar. Doch ist die E-Mail vor allem eines: schnell. Schnell geschrieben, Schnell verschickt, schnell gelesen, schnell vergessen. Deshalb: Nur im Notfall.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Telefon mit Bild: Kathrin per Skype aus Kufstein in Köln Skypen Sehr komische Sache, diese neumodischen Webcam-Schaltungen. Was bisher Bösewichten in James Bond-Filmen vorbehalten war („Ich fordere 900 Milliarden Dollar in kleinen Scheinen und zwei frische Erdbeershakes, meine Damen und Herren. Sonst werde ich den Erdball mit meinem Super-Fieso-Protonen-Strahler verglühen lassen…“), kann nun jeder: Mit anderen sprechen und gleichzeitig auf dem Bildschirm erscheinen. Wir haben das gestern ausprobiert, und nach einigen Minuten technischer Verwirrung und teuren nach-Österreich-Handy-Gesprächen haben wir die Kisten auch zum Laufen gebracht. Dann sehr schön: Kathrin erscheint auf dem Bildschirm und sieht aus wie in echt. Das nette Gespräch kann aber nicht über mein eitles Bemühen hinwegtäuschen, möglichst undoof in die Kamera zu gucken und das gleichzeitig möglichst unauffällig mit einem Blick auf mein Bild zu kontrollieren. Klappt natürlich gar nicht. Deshalb lacht Kathrin. Ich schneide ab jetzt nur noch Grimassen und popele Kathrin mit dem Mauszeiger in der Nase rum. Bald darauf sind die Lacher dann auf meiner Seite: Durch Übertragungsfehler bleibt das Bild hängen, und Kathrin sieht nacheinander aus wie a, Chucky, die Mörderpuppe b, ein verprügeltes Eichhörnchen c, eine Dame aus dem Stehausschank, die mir rülpsend zu zulallen versucht: „Na, Kleiner, hassu noch was Geld für Allohol?“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Mein Lachen wiederum sorgt für verstärktes Interesse der anderen User in dem Internetcafé, in das ich gehen muss, weil sich noch kein Wireless-Netz in meiner Wohnung hat knacken lassen. Erst jetzt fällt mir auf, dass alle unseren Dialog mitverfolgen und etwas die Brauen zusammenziehen, als ich mein Körbchen hervorhole. Hier sind Sachen drin, die ich Kathrin zeigen wollte und deshalb nacheinander in die Kamera halte. Die Außenwirkung ist jetzt eh schon Wurst, alle Eitelkeiten vergessen, und die Schaltung steht auch wieder. Nur der Internetcafé-Besitzer schaut komisch, als ich bei einer Kuss-Performance für Kathrin aus Versehen in das Mikrofon beiße. Egal, ich fordere 900 Milliarden Küsse in kleinen Raten! Die SMS Kommt eigentlich nur in zwei Varianten vor. Variante 1, reine Informationsvermittlung: „Hallo Moritzi! Die Kaution von der alten Wohnung ist immer noch nicht da. Kannst du den sch**ß Ex-Vermieter anrufen + Feuer unterm Arsch machen? Küsse!“ Variante 2, reine Liebesgrußübermittlung: „1000 gute-nacht-küsse, mein spatzerl. ich denke fleißig an dich because je t`aime. schlaf gut + bis morgen!“ Denn morgen hören wir uns ja. Oder lesen uns. Oder schreiben uns. Oder sehen uns. Wir können skypen, Briefe verfassen, uns spontan telefonierend für ein längeres Telefonat verabreden. Also bis dann, Spatzerl. Küsse! P.S.: Wie es aussieht, macht Fernbeziehung Pickel. Das ist nicht gut.

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