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„Was ich noch nie gemacht habe“: fünf Protokolle

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[b]Noch nie: Wetten, dass … ??? geschaut[/b]

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Früher, also in der Grundschule, war das so: Irgendwie haben immer alle über „Wettndasss“ geredet. Es gab da einen Tooomasgotttschall, und verrückte Menschen haben auf dessen Veranlassung abgefahrene Sachen gemacht, zum Beispiel alle Beatleslieder rückwärts auswendig gesungen. Oder so? Jedenfalls haben alle außer mir diese Sendung gesehen, denn ich durfte mir so einen Quatsch nicht anschauen. Andere Familien saßen scheinbar jeden Samstagabend gemeinsam vor dem Fernseher und amüsierten sich zusammen köstlich über die Wetten, die da liefen. Ich glaube, ich habe in meiner Kindheit viel mehr Zeit damit verbracht, mich zu fragen, ob diese Familien durch ihren gemeinsamen Gottschalk-Konsum wohl ganzheitlicher waren als meine eigene? Später erzählte eigentlich niemand mehr von den Wetten, sondern es ging eher darum, wie doof der Gottschalk aussah. Ich konnte das nicht so genau einschätzen, aber ich kannte den ja dann schon aus der Haribowerbung und da kam er mir auch albern vor. Jetzt kenne ich eigentlich keinen mehr, der „Wetten, dass“ schaut. Ich glaube, das ist mittlerweile so eine Sendung, die nur noch ältere Menschen gucken. So wie „Wer wird Millionär“. Aber, dass Madonna mal dort war, das weiß ich. Hab ich nämlich in der Zeitung gelesen. meredith-haaf


[b]Noch nie: Steak gegessen[/b]

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eigentlich bin ich schon ewig Vegetarier, seit jenem Moment, als mir die Nachbarstochter erklärte, dass in der Salami Teile von Eseln verwertet seien. Da war ich fünf oder sechs. Mit neunzehn wurde ich dann nachts im alkoholisierten Zustand zum Genuss von Chicken McNuggets verführt – ein idealer Einstieg in das Fleischesser-Business, denn Chicken McNuggets schmecken nur lecker-knusprig und nicht fleischig-sehnig-organisch. Die nächsten Wochen sollten ein richtiges, nun ja, Schlachtfest werden: Spaghetti Bolognese, Wiener Schnitzel und Putenstreifen spielten die Hauptrolle in meinem Leben. Wichtig war lediglich, dass das Fleisch nicht in Reinform erschien, so dass ich mich erfolgreich von Tiertransporten, Käfighaltung und untertellergroßen, schwarzen Kuhaugen ablenken konnte. Doch meine Umwelt hatte noch einiges mit mir vor: Ich saß mit meinem Putensalatstreifen meinem Freund gegenüber, der mit einem fies scharfen Steakmesser ein Stückchen von seinem Hüftsteak absägte, es mir in den Mund steckte und sagte: “Baby, iss mal richtiges Fleisch”. Vor Verwunderung konnte ich nicht korrekt reagieren, also kaute ich vorsichtig kurz auf dem Steak herum, stellte mir vor, es sei ein Stück aus meiner Wade (ähnliche Konsistenz, tatsächlich), bekam furchtbares Mitleid mit dem argentinischen Weiderind, und spuckte es mit Tränen in den Augen auf meinen Salat. Seitdem lebe ich wieder vegetarisch. Meine Freunde denken ja, deshalb, weil ich einfach nicht wüsste, wie gut so ein Steak schmecke. dana-brueller


[b]Noch nie: im Gottesdienst gewesen[/b]

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Manchmal macht es Spaß, eine Heidin zu sein. Zum Beispiel an Weihnachten. Meine Eltern kommen aus der ehemaligen UDSSR und wurden nie christlich sozialisiert. In ihrer Jugend waren sie Pioniere und junge Kommunisten. Das prägt: Kirchen finden sie bis heute gruselig. Wenn der angenehme Teil von Weihnachten rum ist, bleibt meine Familie also vollgegessen auf dem Sofa liegen. Vielleicht war ich deswegen noch nie in einem Gottesdienst. Manchmal ist das Ungläubigendasein aber auch sehr ätzend. Zum Beispiel an Weihnachten. Wenn alle Christen in der Messe sitzen und ihre Familie mindestens eine Stunde lang die Klappe hält, spielen wir Limbo und hören die WHAM!-Platte bis sie springt. Genau in solchen Momenten wünsche ich mich in dieses geheimnisvolle Gotteshaus. Ruhig stelle ich es mir dort vor. Und kalt. Und zugegebenermaßen auch ein wenig unheimlich, wegen dem blutigen Jesus am Kreuz. In der Kirche sind alle bestimmt sehr ernst. Der Pfarrer sieht aus wie eine Mischung aus Ned Flanders und Santa Clause, er fuchtelt mit den Armen und spricht abwechselnd von Liebe und Hölle. Überall riecht es nach brennenden Mottenkugeln, zwischen den Sitzen wuseln Messdiener und wollen Geld. Außerdem klingt im Hintergrund unbedingt ein schwarzer Chor. Sie singen die Weihnachtslieder aus dem Kaufhaus, nur schöner, erbaulicher. Und nie „Last Christmas.“ wlada-kolosowa


[b]Noch nie: ein Baby auf dem Arm gehabt[/b]

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich habe die Situation vermieden, wo es nur ging. Meistens war das sehr leicht, da sich sofort sämtliche Anwesenden darum reißen. Nur ein paar Mal ist es mir tatsächlich passiert. Ich wurde direkt darauf angesprochen: „Möchtest Du es nicht auch einmal halten?“ Ich bin dann vorsichtshalber erstmal fünf Meter zurück gesprungen und habe die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Damit es mir niemand einfach in die Hand drücken kann. Beim Babyhalten kann man nur verlieren: Entweder sie sondern sozial tabuisierte Flüssigkeiten ab oder sie schreien oder aber sie machen gar nichts. Und dann? Dann hält man so ein kleines, furchtbar zerbrechliches Ding in den Armen, man wippt ein wenig und tja… was macht man dann? Man vergisst vielleicht den Kopf zu stützen, drückt zu fest oder wippt zu streng. Und dann gibt es noch den GAU schlechthin: Es fällt runter. Dem Ding, Entschuldigung, dem kleinen Mensch würde vielleicht nicht allzu viel passieren, aber die sozialen Konsequenzen wären unvorstellbar. Nichts echauffiert Menschen mehr als Babys. Ich lasse das lieber bleiben. Und hoffe derweilen auf diffuse Instinkte, die mich vielleicht überkommen, wenn ich mal eigene Kinder habe. philipp-mattheis


[b]Noch nie: im Krankenhaus gewesen[/b]

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Keine Platzwunde, kein Allergie-Schock, kein gebrochener Arm – irgendwie verging meine Kindheit ohne Einlieferung ins Krankenhaus. Und dabei ist es dann auch geblieben, bis heute. Meine Mutter deutet das zu jeder Gelegenheit als Beweis für die hervorragende Gesundheit unserer Familie, ich selber hätte gar nicht so ungern einmal die Erfahrung gemacht, in einem Krankenhausbett zu liegen. Denn so ist mir das alles bis heute nicht geheuer: Diese Schläuche in den Armen, das Herumstreichen im Bademantel, dieses ganze Krankenschwester-Ding – irgendwie gruslig. Deswegen kann ich auch nur ganz schlecht andere Menschen in Krankenhäusern besuchen, ich muss alles um mich herum beglotzen und kann mich nicht auf die Besuchten konzentrieren. Nach zehn Minuten wird mir dann regelmäßig blümerant, wegen der sterilen Düfte und ich muss auf den Balkon. Dort stelle ich noch mal für mich fest, wie schrecklich ein Haus voller kranker Bademantel-Menschen ist und dass ich nie, nie dort übernachten möchte. Ich pflege also eine enorme Krankenhaus-Phobie, die mit jedem Jahr schlimmer wird – und dagegen hätte eine sinknormale Blinddarm-OP zur rechten Zeit doch wahre Wunder geholfen. max-scharnigg

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