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Die Hochzeitskolumne (3). Heute: Eine Angst-Liste

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Ich freue mich sehr auf meine Hochzeit. Wirklich sehr. Und weil nicht nur einige Leser, sondern auch Johannes sich empört geäußert haben: Selbstverständlich möchte ich heiraten, um bis ans Ende meines Lebens mit diesem tollen, tollen Jungen zusammen zu sein. Da bin ich mir generell sicher, nicht nur im Moment. Aber halt auch im Moment. Also gut. Ich bin ein bisschen überfordert. Es gibt jetzt unheimlich viel zu organisieren. Ohne wesentliche Übertreibung kann man sagen, dass ich der größte Listenfan der Welt bin. Bereits als Neunjährige dokumentierte ich penibel, welche Lebensmittel im Haushalt fehlten. Diese Zettel, auf denen Dinge wie „Speisestärke, Rinder-Brühwürfel, Soßenbinder (dunkel)“ standen, verstaute ich unter meiner Weltkugel-Schreibtischunterlage, nur manchmal holte ich sie hervor und las sie mit sorgenfaltenzerfurchter Kinderstirn durch. Was für tiefenpsychologische Gründe dieser Tick hatte (Erklärung meiner psychologisch bewanderten Freundin Sarah: Sandwichkind-Kompensation - Entwicklung auf Selbstversorgung abzielender Zwangsneurosen), ist fraglich. Fest steht: Ich bin gerade schon wieder ziemlich zwangsneurotisch unterwegs, denn meine Liebe zur Liste ist ungebrochen und seit dem Heiratsantrag stark entbrannt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine ganz wichtige Liste ist für mich die „Davor-habe-ich-Angst“-Liste. Angesichts der Tatsache, dass alles, was bei so einer Hochzeit und drum herum passiert, später auf mich zurückfällt, merke ich: Auf den Hochzeiten, auf denen ich mir bisher als Gast ein schönes Leben gemacht und mich durchgefressen habe, sind immer ein paar Sachen passiert, die ich zumindest ein bisschen schlimm fand. Und auf meiner eigenen Hochzeit will ich selbstverständlich gar nichts auch nur ein bisschen schlimm finden. 1) Der Junggesellinnenabschied Ich finde es befremdlich, nächtens auf Horden stark angetrunkener Mädchen zu stoßen, eine davon in einem T-Shirt mit dem Aufdruck „Jetzt ist Schluss mit lustig“, die anderen mit Federboas und anderen verrückten Spaßartikeln, die mich keines Blickes würdigen und meine männlichen Begleiter in Spiele integrieren, die wahlweise Schnapstrinken oder Kondome-aufblasen-und-über-den-Kopf-Stülpen beinhalten. Befremdlich finde ich auch, dass die Jungs das immer ziemlich lustig finden. 2) „Witzige“ Hochzeitsspiele Auf der Website einer Frauenzeitschrift, wo ich ab und zu nach Kochrezepten suche, habe ich mich aus gegebenem Anlass in das sehr ausführliche Hochzeits-Ressort verirrt. Unter der Rubrik „Mit diesen Hochzeitsspielen bringen Sie das Fest in Schwung!“ werden Anleitungen zu allerlei Aktivitäten gegeben, die mir den Abbruch eines Festes wert wären. Beim einem Spiel namens „Autorennen“ „zeigt das Ehepaar, wie gut es aufeinander eingespielt ist“. Der Ehemann „ muss sich auf einem lustig aussehenden Gefährt, zum Beispiel einem Dreirad oder Kindertrecker, mit verbundenen Augen durch einen Parcours bewegen. Dabei wird er von der Ehefrau mit Anweisungen unterstützt.“ Besonders besorgniserregend: „Denken Sie daran: In der Kürze liegt die Würze. Planen Sie je nach Spiel maximal eine halbe Stunde ein.“ Notiz auf der To-do-Liste: Nachdenken über zarte Formulierung auf der Einladungskarte, die auf absolutes Spielverbot hinweist. 3) Originelle Hochzeitsgeschenke Folgendes seltsames Spektakel ereignete sich auf der Hochzeit eines befreundeten Paares: „24-28 weiße Hochzeitstauben und eine zahme weiße Tauben auf der Hand der Braut, die sitzen bleibt ohne festhalten“, wie es auf der Homepagevom „Hochzeitstaubenservice“ heißt, warteten vor der Kirche, in zwei Käfigen zusammengepfercht. Daneben ein vor Stolz platzender Onkel, der mit sehr zitternder Stimme ein Gedicht vorlas, bevor die Tauben unschlüssig aus den Käfigen flatterten und sich ziemlich unspektakulär vom Acker machten. 4) Lustige Partyspäße Auf der Hochzeit meiner Cousine Angela schoss ein Gast mit Konfetti auf das Brautpaar, als es aus der Kirche kam, statt Reis zu werfen (was ja auch nicht unbedingt sein muss). Ich habe mal recherchiert. Bei Amazon gibt es eine „Hochzeits-Konfetti-Pistole“ zu kaufen. Kunden, die diesen Artikel angesehen haben, haben auch folgende Artikel gekauft: Piratenhut, Trend-Perücke Caribic, Krummsäbel, „Stiefelgamaschen deluxe“ und die Pokemon-Diamantedition. Hm. Die Pokemon-Diamantedition. Ich finde, das alles berechtigt durchaus zu einer zumindest diffusen Angst. Meinen Freunden traue ich das alles eigentlich nicht zu. Aber bei Verwandten darf man sich nie sicher sein. Die Angst-Liste könnte auf jeden Fall noch länger so weiter gehen. Aber vielleicht denke ich jetzt lieber über den neuen Punkt auf der To-do-Liste nach: Zarte Formulierung, die schon vor dem Fest höflich, aber bestimmt andeutet, dass ich das oben Geschilderte wirklich ziemlich schlimm finde. Nicht nur ein bisschen.

Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl

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