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Die Hochzeitskolumne (4). Heute: „Gott hat Bock auf jeden“

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User „Hans im Glück“ fand letzte Woche, der eigentliche Aufhänger der ganzen Hochzeit sei die Frage, wie man sich trauen lassen wolle. Da hat er ja sehr Recht. Also erstmal: Eine alternative Trauung finde ich ziemlich schrecklich. Natürlich - ist ein guter Ausweg für die, die ein richtiges Brautkleid anziehen wollen und das im Standesamt doof finden. Ich war mal bei so einer alternativen Trauung dabei: Da las ein dünnes Männchen mit fränkischem Akzent aus einem noch dünneren Ordner vor, in den mehrere abgegriffene Prospekthüllen geheftet waren. Ich weiß nicht, ob es nur am hölzernen kleinen Mann lag, aber diese Zeremonie kam mir ganz und gar nicht wie ein guter Kompromiss vor. Bei uns ist es so: Johannes ist katholisch, ich bin evangelisch. Johannes möchte gerne katholisch heiraten. Dass ich überhaupt getauft bin, ist eher eine Art Notlösung. Meine Eltern, beide aus der Kirche ausgetreten, hatten Angst, ihre Kinder könnten, falls konfessionslos, im dörflichen Bayern gesteinigt oder anderweitig an den Pranger gestellt werden und veranstalteten kurz vor der Grundschule eine Massentaufe: Alle Geschwister in einem Aufwasch. Im Nachhinein glaube ich ja, dass die Aktion eine Entscheidung zwischen Pest (konfessionslos) und Cholera (evangelisch) war, denn in der Schule war es immer so: Alle nicht-katholischen Kinder aller Klassen, das waren ungefähr drei, mussten einmal pro Woche in den Keller, zum evangelischen Religionsunterricht. Und jedes, wirklich jedes Mal gab Frau Schimmelpfennig, Deutsch-Lehrerin und katholische Religionslehrerin in Personalunion, die Hausaufgaben im Anschluss an die katholische Religionsstunde auf. Was dazu führte, dass ich, ein ziemlicher Streber, jedes Mal heulend einem Kindkollegen hinterherhetzte, um mir die Hausaufgaben zu notieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich hasste es damals, evangelisch zu sein. Als dann auch noch in der dritten Klasse ausnahmslos alle Mädchen, außer mir, mit ihren Müttern tortenförmige Tüllbomben-Kommunionskleider (mit Reifrock!) erstanden, war es um mich geschehen. Ich heulte, wälzte mich auf dem Boden und flehte meine Mutter an, mich umtaufen zu lassen. Mama fand das albern. Das letzte Mal in der Kirche war ich, Hochzeiten und Beerdigungen ausgenommen, bei meiner Konfirmation, deren Vorbereitungszeit ich als ein großes Mobbing-Spektakel in Erinnerung habe. Ich habe nun also, wie ich finde, berechtigte Zweifel daran, ob das so eine gute Idee ist, in der katholischen Kirche zu heiraten, wo ich nicht mal meine Pflichten als Protestantin ernst genommen habe. Das alles gebe ich zu bedenken, und Johannes sagt: „Gott hat Bock auf jeden!“ Ich weiß, woher er das hat. Mit acht oder neun war ich auf evangelischer Jugendfreizeit. Man aß verkochte Spaghetti Bolognese von Plastiktellern, einige weinten viel und machten ins Zelt. Tagsüber batikte man T-Shirts und komponierte Lieder mit religiöser Botschaft. An eine Nummer erinnere ich mich noch: Zur Melodie von „Lady in Black“ von Uriah Heep hatten wir folgende Lyrics geschrieben: „Josef hatte einen Traum, er wollte einmal König sein (reimt sich fast!), seine Brüder lachten ihn aus und sagten ´Josef, geh nach Haus´ (reimt sich total!) – Aaaaahaaaaaaaaaaahaaaaah….naja, und so weiter. Nun, und abends saß man da ums Lagerfeuer und sang Lieder aus einem Liederbuch namens „Eumel“. „Eumel“ war damals Standard, der „Faust“ des Zeltlagers sozusagen. Jemand spielte Gitarre und ich sang mit, obwohl ich die Texte nicht verstand. Lieder wie „Der Nippel“ von Mike Krüger und „Lauda tu si“, von dem ich heute weiß, dass es „Laudato si“ heißt. Und „Der Himmel geht über allen auf“. Aber ich schweife ab: Warum mir „Eumel“ wieder eingefallen ist: Ich bin mir sicher, in der katholischen Jugend von Johannes gab es auch Zeltlagerfreizeiten, und „Gott hat Bock auf jeden“ ist ganz sicher eine Nummer aus dem „Eumel“. Eine etwas rockige und dennoch softe Nummer, glaube ich. Das würde gut passen. Das Problem ist: Ich weiß beim besten Willen nicht, ob Johannes recht hat. Klar, sagt Johannes, Gott freut sich, wenn junge Menschen sich in der Kirche zueinander bekennen, dafür muss man nicht religiös sein, ich müsse mir keine Sorgen machen. Weil Johannes gerne möchte, habe ich also ja zur katholischen Trauung gesagt. Ganz ehrlich spielte vielleicht schon der Gedanke mit rein, dass ich in einer entzückenden kleinen Barockkirche einen schwarz-weiß gemusterten Marmorgang entlang schreiten werde, im, das hatten wir ja schon, Sissi-Kleid. Ich finde, die Frage ist deshalb durchaus berechtigt: Hat Gott auch wirklich Bock auf mich? Hat er Bock auf Marmorgang-Sissikleid-Opportunisten?

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