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Die Hochzeitskolumne. Heute: Das Horror- äh, Hochzeitsvideo

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Das ist seltsam: Es gibt Sachen, die sind schlimm, und eigentlich findet man sie auch schlimm. Und trotzdem will man sie haben. Diese Sachen sind bei mir zum Beispiel: Gerhard Schröder als Bundeskanzler; ein Jahresabonnement der Zeitschrift „Kreative Küche“; pfälzische Wurstspezialitäten, die „Bärlauch-Bratwurstgehäck aus dem Glas“ heißen und ein Hochzeitsvideo. Alles, wirklich alles, spricht an und für sich gegen das Hochzeitsvideo.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Unser Freund Kai hat uns neulich das Hochzeitsvideo von seiner Hochzeit geschickt. Es sieht ziemlich düster und grau aus, so als hätten wir in einem mit Beton ausgekleideten Bunker gefeiert. Johannes bekam beim Schwenk über die Tanzfläche einen Lachanfall und behauptete, ich würde beim Tanzen aussehen wie jemand, der Rheuma im Endstadium hat. Er war wahnsinnig verliebt in seinen eigenen Auftritt und guckte sich immer wieder die Szene an, bei der er auf der DJ-Empore wild mit den Händen einen Rhythmus andeutend die überschaubare Gemeinschaft der Tanzenden zu den Klängen von „Rhythm is a Dancer“ von Snap! anheizt. Weitere Fakten, die gegen das Hochzeitsvideo sprechen: - im Fernsehen, und damit auch auf Video, sieht man bekanntlich mindestens fünf Kilo schwerer aus. Eher zehn. Oder man wusste halt bisher nicht genau, wie man aussieht, und jetzt weiß man es, und das ist nicht schön. - die Farben sehen stets aus, als würden Hochzeitsvideo-Produzenten aus Prinzip einen körnigen, braun-grauen Schmutzschleier über die Linse legen; filmtheoretisch betrachtet halten sich die meisten Hochzeitsvideo-Regisseure streng an die Dogma-Regeln; das macht die Filme nicht schöner. - man tut im Leben ja ständig Dinge, die irgendwie peinlich aussehen oder sind (tanzen; singen; Scherze machen, die niemand lustig findet; affektiert lachen) – das Gute ist, dass man sich selbst nicht dabei beobachten kann, sonst würde man schnellstens depressiv werden; das private Video reißt einem diesen Selbstschutz gnadenlos weg. -Und hier noch ein paar sehr anschauliche Gründe, die für sich selbst sprechen: Grund 1

Grund 2

Grund 3

Irgendwie ziemlich traurig. Ich denke nun doch zumindest vage über den „Hochzeits-Crashkurs für verliebte Verlobte“ nach, den die nur zwei Straßen weiter gelegene Tanzschule „Traumtänzer“ im Angebot hat.

Wie war nochmal gleich die „Traumtänzer“-Telefonnummer? Und diejenigen, die gerne auf RTL „Upps - Die Superpannenshow“ mit dem dicken Moderatorenpärchen gucken, freuen sich ganz sicher darüber:
Die Geilsten Hochzeit Pannen - MyVideo

Viele beeindruckende Plädoyers dafür, es bei Fotos zu belassen. Eigentlich. Ich will aber trotzdem ein Video. Ich will nämlich auch Gerhard Schröder als Kanzler und Bratwurstgehäck.

Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl

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