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Die Hochzeitskolumne: Heute: Jeder, wie er mag

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Neulich habe ich mich beim Grillen mit jemandem unterhalten, der beinahe geschieden ist. Nicht allzu ungewöhnlich, aber er war sehr jung und beinahe geschieden, 31. Christian. Christians Scheidung ist in den nächsten Tagen nach sieben Jahren Ehe angesetzt. Voll super, sagte er, der Bruder seiner Frau, der zufällig Anwalt sei, würde die Scheidung übernehmen, 200 Euro für jeden, ein echtes Schnäppchen. Er sagte das ein bisschen zynisch, ein bisschen traurig. Aber nicht unglücklich oder resigniert. Eher nüchtern. Er habe mit Händen und Füßen gegen diese Scheidung gekämpft, sagte er, aber sie wollte es so.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian war hoch erfreut, als ich ihm von meinen Hochzeitsplänen erzählte. Und begann zu schwärmen von seiner eigenen damals. Damals, auf der schönen Kirchentreppe, mit Blick auf die ganze Stadt, und die Sonne schien, diese Euphorie, das sei alles ganz famos gewesen. Gestört wurde unsere Unterhaltung ab und an von einem Mädchen, einer Freundin von Christian, die ein wenig matronenhaft neben uns thronte und unsere Unterhaltung überwachte. Vereinzelt tat sie ungefragt ihre Sicht der Dinge kund. Beispielsweise sagte sie, als Christian von seiner herannahenden Scheidung erzählte: „Das war auch eine totale Schnapsidee damals. Nach einem dreiviertel Jahr heiraten, das konnte doch nicht gut gehen!“ „Blöde Tussi“, dachte ich. Christian ruht sehr in sich, er dachte, glaube ich, nicht „blöde Tussi“. Sondern antwortete in aller Ruhe, er würde das nicht so sehen, man kannte sich damals halt noch nicht lange, aber der gemeinsame Umzug in eine andere Stadt stand an, und er wollte mit dem Antrag ein Zeichen setzen, und er war sich so sicher, dass es das ist, fürs Leben. Sei halt leider nicht so gewesen. „Und du heiratest also dieses Jahr, hab ich gerade mitbekommen?“, wandte sich das strenge Mädchen an mich. „Und warum?“ Ich war kurz irritiert, dann dachte ich „blöde Tussi“. Mein Problem ist ja generell, dass ich den „blöde Tussi“-Gedanken aus Höflichkeitsgründen nicht immer umsetze, obwohl das manchmal sicher befreiend wäre. „Och“, sagte ich erstmal, und überlegte kurz, ob ich zu einem Statement ausholen sollte. Und merkte, dass mir das gerade wirklich zu blöd war. „Warum nicht?“, sagte ich zu dem Mädchen. Sie holte aus. Sie könne ja Paare, die heiraten, überhaupt nicht verstehen. Was für einen Nutzen das Ganze habe? Sie selbst sei auch seit vielen Jahren in einer sehr glücklichen Beziehung, und dafür brauche sie keinen Trauschein. Auf meiner persönlichen Liste der Sätze, die überhaupt nicht gehen, steht dieser ganz oben: „Für eine glückliche Beziehung brauche ich keinen Trauschein“. Ein schlimmer, doofer, anmaßender Satz. Nicht, weil der Inhalt falsch ist. Sondern weil er so unnütz ist. Natürlich braucht niemand für eine glückliche Beziehung einen Trauschein. Aber habe ich das jemals behauptet? Mich nerven Leute wie das strenge Mädchen unheimlich: Leute, die einem erklären, wie doof Heiraten eigentlich ist. Ich erkläre schließlich auch niemandem, dass Nicht-Heiraten doof ist. Finde ich ja auch nicht doof. Ist mir eher total egal, ob jemand heiratet oder nicht. Ich schon. Das böse Mädchen nicht. So einfach ist die Welt manchmal. Christian ist seit einigen Monaten wieder mit jemandem zusammen und sehr glücklich. Deswegen sei es so super, dass die Scheidung in wenigen Tagen durch sei. Denn er habe, erklärte er dem Matronen-Mädchen und mir, Heiraten so toll gefunden, er würde es am liebsten sofort wieder tun. Das Mädchen holte aus. Ich sagte, ich müsse mal dringend meinem Schweinenackensteak auf dem Grill beim Braten zusehen und sei natürlich gleich wieder da.

Text: theresa-selig - Illustration: katharina-bitzl

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