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Die Hochzeitskolumne. Zweite Folge: 1968 ist vorbei

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„Echt? Ist ja toll, nimmt Johannes dann den scharfen Christoph?“, brüllt meine Freundin Nina begeistert ins Telefon. Ich habe Nina gerade erzählt, dass ich heiraten werde, und gefragt, ob sie meine Trauzeugin sein will. Und Nina hat sofort die fixe Idee, dem scharfen Christoph im Zuge der Hochzeitsparty-Organisation von Trauzeugin zu Trauzeuge näher zu kommen. Ich fürchte nur, der scharfe Christoph wird gar nicht Trauzeuge von Johannes. Er ist zwar scharf, aber zumindest für Johannes ist das, glaube ich, kein Kriterium.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ich bin nun also verlobt, und erzähle natürlich allen davon. Alle Freunde sind total begeistert, freuen sich sehr, und malen sich vor allem das exzessive Fest aus, auf dem sie bis zum Mittag des nächsten Tages feiern werden. Was meine Eltern betrifft: Zumindest meine Mutter reagiert so, wie man es von Müttern erwartet - sie ist ein bisschen gerührt am Telefon und sagt „Ach. Toll. Jaja, der Johannes. Das hab ich mir auch schon gedacht, dass das mit dem was Festes ist.“ Mein Vater ist da weniger euphorisch. Er verbringt seine Zeit, er ist seit kurzem in Rente, vornehmlich damit, mit seinem alten Studienkumpel Rainer zu Attac-Kongressen nach Berlin zu reisen, auf Attac-Demonstrationen für Menschenrechte und gegen Ausbeutung durch Globalisierung zu marschieren und bis tief in die Nacht über Bücher wie „Zufall und Notwendigkeit. Philosophische Fragen der modernen Biologie“ zu diskutieren, dabei schweren Rotwein zu trinken und filterlose Gitanes zu rauchen. Seine Studienzeit im Sechziger-Jahre-München stelle ich mir ungefähr so vor wie in „Zur Sache, Schätzchen“. Auf jeden Fall reicht meine Mutter den Hörer weiter. Papa kichert ins Telefon und sagt „Soso, verlobt. Macht man heute wieder so, ja?“. Ich bin ein bisschen beleidigt. Es gibt ein paar Themen, bei denen gilt die einfache Regel: Man selbst darf lästern, wenn aber der andere damit anfängt oder darauf einsteigt, ist das nicht OK. Die eigenen Geschwister sind bei vielen so ein Thema. Und bei mir, das merke ich gerade, ist es meine Hochzeit. Papa erzählt, wie das bei Mama und ihm war damals, natürlich keine Kirche, weil beide aus der Kirche ausgetreten, also Standesamt, und abends eine riesige Party auf dem Dachboden des alten Bauernhofs, auf dem meine Eltern zusammen mit allerlei Tieren wohnten. Kann ich im 68er-Kontext von damals ja auch nachvollziehen. Hat man gerade in letzter Zeit oft gelesen und gehört: Rebellion gegen das spießige, verstaubte und reaktionäre Nachkriegsdeutschland, und so weiter, da hatte im privaten Bereich die Ehe nicht das beste Standing. Es gibt aber einige Dinge im privaten Bereich, an denen ich merke, dass heute eben nicht mehr 1968 ist. Mein Vater zum Beispiel verachtet Udo Jürgens auf das Schärfste, und ist immer fassungslos, wenn ich sage, dass das doch eigentlich einer der Liedermacher deutscher Sprache ist und „Griechischer Wein“ gar nicht sooooo übel und noch dazu total gesellschaftskritisch ist. So ähnlich wie mit Udo Jürgens ist es wahrscheinlich mit dem Heiraten. Unsere Generation sieht das alles nicht so eng. Sie muss es zumindest nicht. Nörgler reden dann natürlich gleich von der „Egal-Generation“, die sich für nichts mehr engagiert und aus Verdrängungsgründen auf wertkonservativ macht, aber ich sehe das so: Ich brauche diese Hochzeit nicht als Versorgungsgarantie, und sie dient auch nicht der Erfüllung bestimmter Rollenklischees. Ich finde, man kann das Heiraten einfach als Symbol dafür sehen, dass man sich sehr liebt. Und wenn man sich im Moment sicher ist, dass man für immer mit dem anderen zusammen bleiben will, dann ist das doch schon ein gutes Argument. Papa am Telefon jedenfalls besänftigt mich ein bisschen, ich solle das so machen, wie ich es schön finde. Als Johannes und ich ein paar Tage später zu Besuch kommen, hat Papa selbst gemachte Quiches und eine Flasche Moet & Chandon arrangiert. Abends gehen wir in einen ganz wundervollen Biergarten, trinken Weißbier und essen Steckerlfisch. Meine Schwester ist mal kurz verschwunden, und als sie mit zufriedener Miene wieder am Tisch sitzt, sagt Lenz, der Alleinunterhalter klassischer Schule mit dem Midi-Keyboard: „Und die nächste Nummer spiele ich für den Johannes und die Theresa“. Dann spielt Lenz „Ti amo“ von Howard Carpendale. Es ist schon dunkel, an hunderten Tischen leuchten Lampions, Lenz spielt sein Lied, und ich finde das alles sehr romantisch. Später gehe ich mit Johannes zu Fuß nach Hause. Dabei merke ich, dass ich ziemlich glücklich bin. Und das mit dem Heiraten fühlt sich sehr richtig an. Die Party und die Liebe: Das sind zwei richtig gute Gründe, finde ich.

Text: theresa-selig - Illustration: christoph-ohanian

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