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Hochzeitskolumne - Heute: Brautkleid kaufen (Teil 1)

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In der Stadt, in der ich zur Schule ging, gab es ein Brautmodengeschäft, an dessen Schaufenster meine Freundin Nina und ich auch heute noch, wenn wir zu Besuch sind, sehr gerne vorbeigehen. Dann spielen wir das gleiche Spiel, das wir seit der fünften Klasse spielen. Das Spiel geht so: Wenn du nächste Woche heiraten müsstest, welches Kleid würdest du am ehesten anziehen? (Und: ´Keines´ gilt nicht!) Denn die Schaufensterpuppen hatten und haben noch immer ziemlich scheußliche Kleider an. Der Laden fasziniert uns bis heute.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Vielleicht liegt das auch an den vielen Fotos, die im Schaufenster kleben. Fotos von Paaren, die die Kleider wohl schöner fanden und eines gekauft haben. Bräute mit straffen Hochsteckfrisuren, aus denen eine einzige, geringelte Haarsträhne sorgfältig heraussortiert wurde. Die Frauen sehen meist aus wie riesige Matronen, was eventuell an den mächtigen Kleidern liegt. Die Männer wirken neben den Kleiderkugeln sehr klein und schmächtig. Auf den Fotos steht meist ein Holzstoß oder eine Trauerweide oder eine kleine Brücke in der Gegend herum. Oder das Brautpaar turnt betont ausgelassen im Wasser. Oder das Paar lugt hinter einem Mauervorsprung hervor. Oder der Bräutigam nimmt die Braut Huckepack. Alle Fotos könnte man in der Kategorie „frech-fröhlich“ zusammenfassen. Ich habe mir vorgenommen, auf meinen Hochzeitsfotos einfach herumzustehen und gar nichts machen. Egal wie viele Zäune, Mäuerchen, Bäche, Seen und Trauerweiden zur Verfügung stehen. Ich will natürlich keines der scheußlichen Kleider aus diesem Laden. Und die preiswerteste Kleider-Variante habe ich bereits ausgeschlagen: Johannes´ Mutter wollte mir ihr Hochzeitskleid vererben. Das Kleid verfügt über Trompetenärmel, die so groß sind, dass ich in ihnen problemlos den Lebensmittelbedarf einer Woche aus dem Supermarkt schmuggeln könnte, und garantiert niemand würde es bemerken. Johannes' Mutter sagte, sie wolle keinesfalls so eine Schwiegermutter sein, die die Freundin ihres Sohnes in Bedrängnis und Verlegenheiten bringt, sie wolle es ja nur mal anbieten. Dann führte sie mich ins Schlafzimmer, wo das Kleid bereits fertig ausgepackt auf mich wartete. Und brachte mich in Bedrängnis und Verlegenheiten. Ich suchte nach netten Worten, um dem Trompetenärmelkleid zu entgehen. Weil ich ja ein schulterfreies Kleid wolle, könne ich leider nicht auf das Kleid zurückgreifen, sagte ich. Könne man ja ändern, sagte Johannes´ Mutter. Die Trompetenärmel könne man kurzerhand einfach abschneiden. Mir brach der Schweiß aus. Bis mir das rettende Argument einfiel: Johannes´ Schwester werde ja sicher auch mal heiraten wollen. Und es sei doch sehr ärgerlich, wenn die Schwester zufälligerweise gerne mit Trompetenärmeln heiraten würde, diese aber bereits einer meiner Launen zum Opfer gefallen wären. Das Argument überzeugte. Die Trompetenärmel blieben dran. Ich vereinbarte also Termine mit Brautmodengeschäften. Brautmodengeschäfte tragen meist seltsame Namen wie „La Kope“ und „Happy Brautmoden“. Und Brautmodenläden sehen alle so aus, als wären sie kein Laden, sondern eine Kulisse für Filme, die Anfang der Neunziger Jahre spielen. Ungemütliches Eisdielenflair, dazu Plastikpalmen und Fliesenboden. Und hunderte von weißen Plastikungetümen - die verpackten Brautkleider - die ein bisschen an Trockenreinigung erinnern. Trotz dieser eigentlich ja beruhigenden, weil unglamourösen Atmosphäre war ich vor dem ersten Termin aufgeregt. Ihr erinnert euch sicher an die Szene in „Pretty Woman“, in der Julia Roberts Geld von Edward bekommen hat, um sich ein schickes Kleid zu kaufen. Damit geht sie in diese Boutique auf dem Rodeo Drive. Die drei weißblonden Verkäuferinnen mit Dutt sind arrogant und gemein zu ihr und schmeißen sie wieder raus, weil sie zu dem Zeitpunkt eben noch ein bisschen freizügiger angezogen ist. Julia Roberts ist sehr traurig. So ähnlich wie Julia Roberts in der Szene fühle ich mich vor dem ersten Brautkleidtermin. Es gibt einige Erledigungen, bei denen ich mich ein bisschen unsicher fühle. Vor allem dann, wenn ich diese Erledigung noch nicht so oft oder noch nie gemacht habe. Wenn ich in ein sehr feines Restaurant gehe, fühle ich mich zum Beispiel so, wohl weil ich mich in der Regel nicht allzu oft in besonders feinen Restaurants aufhalte. Noch seltener habe ich mich bisher in Brautmodenläden aufgehalten. Nina und ich sind zu früh dran bei meinem ersten Termin und lungern ein bisschen vor dem Laden herum. Die Frau, die uns empfängt, ist zwar nicht so gemein wie die Duttfrauen in „Pretty Woman“. Allerdings bietet sie uns keinen Prosecco an, womit wir, wahrscheinlich aus Klischeegründen, eigentlich gerechnet haben. Sondern befiehlt mir, erstmal Händewaschen zu gehen. Ich schleiche verschüchtert ins Badezimmer. Und frage mich, ob Brautkleidkaufen vielleicht nicht so mein Ding ist.

Text: theresa-selig - Illustration: Katharina Bitzl

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