Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Abenteuer Selbstständigkeit: Wie Anja und David ihre eigenen Chefs wurden

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Die Liebe zur Veranstaltungstechnik – heißt das, dass ihr schon mit vier Jahren lieber mit Glühbirnen und Konfetti gespielt habt als mit Puppen und Matchbox-Autos? David:Ja, genau so war es bei mir. Ich habe schon früh mit allerlei zusammengesammelten Dingen kleine Lampen für meine Zimmerbeleuchtung gebaut. Kernstück waren dann immer die Batterien aus der Fernbedienung meines großen Bruders. Mit 12 Jahren habe ich eine ausgediente Laserbank auf dem Schrott gefunden und bei dem Versuch sie zu reparieren, schmerzhaft lernen müssen, wie sich Stromschläge anfühlen; und mir die Augen verbrannt. Anja: Ganz so spektakulär war die Annäherung an Technik bei mir nicht. Ich habe aber schon immer eine Menge daran gesetzt, anderen Leuten meine Ideen zu verkaufen, so abgedreht sie auch waren.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Anja und David. Foto: privat Wenn ich das richtig verstanden habe, habt ihr euch mit 18 einfach hingesetzt und eure eigene Firma gegründet. Schule, Studium, Ausbildung ging nebenher? David: Als wir merkten, dass wir mit unserem Hobby auch Geld verdienen können, gründeten wir die Firma – mit 26 € zum Gewerbeamt und schon waren wir Lautwerfer. Was die Schule betrifft: wir haben in dieser Zeit schon die eine oder andere „krankheitsbedingte“ Fehlstunde verzeichnen müssen. Später, während Anjas Studium, fand Lautwerfer dann oft mehr an den Abenden und Wochenenden statt. Eure Familien haben bestimmt die Hände überm Kopf zusammen geschlagen. Anja: Ist schon möglich, dass sie bis heute nicht so genau verstehen, was wir eigentlich tun, aber sie haben uns immer unterstützt, auch wenn das dann hieß, unzählige Scheinwerfer mit dem Familienkombi von A nach B zu transportieren. Woher kam euer Startkapital? David: Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten - wir hatten kein Startkapital. Eine ganze Weile konnten wir den nächsten Auftrag erst annehmen, wenn wir vom vorherigen Geld gesehen hatten. Fast zum Glück, muss man sagen, haben wir einen beantragten Kredit nicht bewilligt bekommen, denn den würden wir sicherlich noch bis heute abbezahlen. Wie lange hat es gedauert, bis die Firma schwarze Zahlen schrieb? Anja: Das mit den schwarzen Zahlen ist so eine Sache. Wenn man wie wir kein Startkapital hat, muss man schwarze Zahlen schreiben, damit es mit der Firma weitergehen kann. So richtig von den Erlösen leben konnten wir nach etwa zwei Jahren. Niemals in Versuchung gekommen, vorher aufzuhören und einen gemütlichen Angestelltenjob anzunehmen? David: Für mich stellt eine Festanstellung keine Verlockung dar. Wenn ich jeden Tag hunderte Menschen wie Zombies zur Arbeit gehen sehe, wird mir klar, dass ich in meinem Leben lieber mehr arbeite und dafür genau das machen kann was mir Spaß macht. Anja: Die viele Arbeit und das Risiko können mir das Abenteuer, sein eigener Chef zu sein, nicht verderben. Ein Angestelltenjob rückt jeden Tag, den ich das jetzt mache, weiter in die Ferne. Wie ist eure Rollenverteilung? Anja: Ich bin bei Lautwerfer mehr für die Ideen und Konzepte zuständig, während David sicherlich der technische Kopf des Ganzen ist. Trotzdem lassen wir es uns beide nicht nehmen, bei Veranstaltungen von Zeit zu Zeit hinterm Mischer zu stehen. Unterstützt werden wir von weiteren Technikern, Materiallieferanten, LKW-Fahrern, Planern und vielen mehr. Lautwerfer ist mittlerweile mehr ein Netzwerk als eine Firma.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So sieht's bei Lautwerfer-Projekten aus. Hier: Ein Filmdreh. Foto: privat Um zwei knapp 19jährigen so viel Vertrauen zu schenken, müsst ihr ja ganz schön überzeugend gewesen sein. Wie habt ihr das angestellt? David: Die meisten Kunden wissen wahrscheinlich bis heute nicht, wie alt wir sind. Wir haben sie einfach mit unserer Begeisterung angesteckt und von unserer Arbeitsweise überzeugen können. Letztlich waren wir wohl die einzige Technikfirma, bei der man im Notfall auch morgens um Vier jemanden ans Telefon bekam und dieser sich auch noch im Morgengrauen sofort auf den Weg machte. Wie war das mit eurem großen Coup, dem französischen Kaufhaus? Habt ihr euch da einfach beworben oder wie kamen die auf euch? Anja: Wir betreuten eine Berliner Band bei einem Showcase auf einem Spreedampfer während der Popkomm und da passierte es: ein Mitarbeiter der Marketingabteilung wurde auf uns aufmerksam und fragte uns ob, wir Lust hätten, ihm bei einer Modenschau zu helfen. Schon arbeiteten wir auf dem ersten High-Society-Event. Hinter den Kulissen großer Bühnenveranstaltungen gibt’s bestimmt Einiges zu erleben. Beispiele? David: Klar gibt es da einige Geschichten: Eine ereignete sich gleich bei unserem ersten Event – der Modenschau. Kurz vor der Veranstaltung musste ich nochmal hinter die Bühne laufen, um ein Kabel umzustecken. Als ich voller Hektik durch den Bühnenvorhang rannte, verpasste ich die Treppe und stürzte backstage von der Bühne. Als ich meine Augen wieder öffnete, war ich von mindestens 20 halbnackten, bildschönen Frauen umringt, die sich ernsthaft Sorgen machten. Ich war in die Umkleide der Models gestürzt und brachte kein Wort raus außer dass ich OK sei. Anja: Von dem Konzert auf dem Spreedampfer war ja eben schon die Rede. Ich war dort für das Stagemanagement zuständig, das heißt, ich musste dafür sorgen dass die Bands rechtzeitig mit allem, was sie brauchen auf der Bühne stehen. Mitten im Auftritt der Band „myballoon“ kam der Schiffskapitän zu mir gerannt und meinte, dass er jetzt sofort an den Schaltschrank müsse, um von dort aus elektronisch die Schleusentore zu öffnen. Und wo war dieser Schrank? Natürlich direkt unter der Bühne. Unter lauten Buh-Rufen der zahlreichen Besucher musste ich nun nicht nur die Band von einer Pause überzeugen, sondern auch noch versuchen das Publikum bei Laune zu halten. Nie wieder ein Konzert auf der Spree! Ist es von Vorteil, bei einer Firmengründung ein eingespieltes Team von Freunden zu sein? David: Jein, es ist natürlich eine tolle Sache, wenn man eine solche Firma im Team aufbauen und erleben kann. Auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch keine Erfolgsgarantie. So hat unser zweiter Mann von damals mittlerweile einen anderen Weg eingeschlagen. Wenn euch jemand anbieten würde, die Firma für eine Menge Geld abzukaufen – wie würde eure Reaktion ausfallen? Anja: Erst: „boah so viel Geld“ und dann: „Aber ein Leben ohne Lautwerfer?“. Es ist natürlich schon ein Ziel, irgendwann nicht mehr selbst Cases schieben zu müssen, sondern nur noch Konzepte zu machen, aber Lautwerfer tatsächlich zu verkaufen, das würde ich nicht übers Herz bringen. David: Ich würde die Firma verkaufen, doch im gleichen Atemzug wieder eine neue Firma gründen, denn das Netzwerk, das Lautwerfer auszeichnet, ist unverkäuflich. Wo seht ihr euch in zehn Jahren? Anja: Genau in 10 Jahren? Mit unseren Familien auf einem Musikfestival, bei dem unsere Leute die Technik machen. Wir laufen hoch auf den FOH-Tower und genießen den Blick über die feiernden Massen.

  • teilen
  • schließen