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"Am Anfang haben wir uns ständig entschuldigt. Das machen wir nicht mehr."

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Sie tragen Netzstrümpfe und kurze Röcke, hören Punkrock und sind nicht zimperlich, wenn es darum geht, die Gegnerinnen aus der Bahn zu rempeln. Rollerderby ist ein Vollkontaktsport auf Rollschuhen und wird nur von Mädchen gespielt. Bei ihrem ersten Spiel müssen sich die Berlin Bombshells gegen die Nord-Süd-Connection der Hamburg Harbour Girls und der Stuttgart Valley Rollergirlz beweisen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Janina, was genau ist eigentlich Rollerderby? Janina: In den Zwanziger und Dreißiger Jahren war Rollerderby mal eine Art Ausdauerrennen auf Rollschuhen, so ähnlich wie ein Marathon-Lauf in einer runden Bahn. Später wollte man das Rennen für die Zuschauer interessanter machen und hat deshalb das Gerangel um die beste Position zugelassen. Die Mädels kamen auf den Rollschuhen beim Publikum viel besser an, als die Männer. Deshalb gab es fast nur Frauenmannschaften. In den USA gab es Rollerderby bis in die Siebziger Jahre. Seit neun Jahren etwa sind in den USA und auch in Europa wieder neue Mädchen-Mannschaften entstanden. Diesmal werden sie allerdings nicht kommerziell vermarktet, sondern die Mädchen organisieren das Training und die Wettkämpfe, die sogenannten Bouts, selbst. In den USA gibt es mittlerweile wieder richtige Rollerderby-Ligen. Und wie funktioniert Rollerderby? Janina: Die Regeln sind ziemlich kompliziert. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Vereinfacht gesagt geht das Spiel so: Jede Mannschaft besteht aus vier Blockerinnen und einer Punktemacherin, der Jammerin. Eine der vier Blockerinnen, der Pivot, fährt vorne weg. Sie ist die Tempomacherin des Spiels und kann die Geschwindigkeit des gesamten Spiels bestimmen. Pivot und Blockerinnen bilden zusammen das Pack. Wenn das Spiel beginnt, fahren die Packs der beiden Mannschaften gemeinsam los. Nach ein paar Sekunden kommen die beiden Jammerinnen hinterher. Die Jammerin, die in der ersten Runde als erste das Pack der gegnerischen Mannschaft überholt hat, ohne gefoult zu werden, ist die Leadjammerin und kann bestimmen, wann das Spiel zu Ende ist. Punkte gibt es für jede überholte Blockerin der gegnerischen Mannschaft. So sieht Roller Derby in den USA aus:

Die lassen sich aber wahrscheinlich nicht so einfach überholen, oder? Janina: Jede Mannschaft hilft ihrer Punktemacherin dabei, durchs Pack zu kommen, indem sie die Blockerinnen der gegnerischen Mannschaft wegrempelt und dadurch verhindert, dass diese die Jammerin aufhalten können. Umgekehrt versucht man natürlich, die Punktemacherin der gegnerischen Mannschaft daran zu hindern, dass sie einen überholt. Klingt ganz schön brutal. Janina: Man fällt dabei natürlich schon mal hin. Aber wir sind ja gut geschützt. Wir tragen Helme, Ellenbogen-, Knie- und Handgelenkschoner. Außerdem härtet man ab. Dann fällt man eben hin und steht wieder auf. Aber es stimmt schon: Man darf nicht zimperlich sein. Und man darf das alles nicht persönlich nehmen. Da kann es schon passieren, dass einen beim Training oder beim Spiel eine andere Spielerin einfach umhaut. Aber das gehört einfach dazu. Nach dem Spiel geht man dann zusammen ein Bier trinken. War das am Anfang ein Problem für Euch? Janina: Das war richtig süß! Am Anfang hatten wir damit alle ein Problem. Wir sind ja alle nette Mädels und verstehen uns gut. Wenn man dann einer Kollegin beim Training einfach die Beine vom Boden ziehen muss, dann ist das die ersten paar Male einfach ungewohnt. Das tut einem auch leid. Und deshalb haben wir uns am Anfang alle ständig entschuldig. Aber mittlerweile, nach einer gewissen Trainingsdauer, machen wir das einfach nicht mehr. Liegt das daran, dass Mädchen beigebracht wird, immer zu allen lieb und nett zu sein? Janina: Es wird uns nicht unbedingt in die Wiege gelegt, das böse Mädchen zu sein. Ich glaube, das macht den Sport so interessant. Zum einen ist der Sport unglaublich anspruchsvoll und zum anderen kann man als Mädel einfach mal so richtig die Sau raus lassen, ohne blöd angeglotzt zu werden. Einige meiner Teamkolleginnen, die etwas schüchterner sind, erzählen, dass das sehr gut für ihr Ego ist und dass sie dadurch gelernt haben, sich auch im normalen Leben durchzusetzen und kein schlechtes Gewissen dabei zu haben. Was ist am Rollerderby so anspruchsvoll? Janina: Zum einen ist es körperlich unheimlich anstrengend. Man braucht viel Ausdauer. Gleichzeitig muss man eine Menge Technik beherrschen, um gut zu sein. Man muss einfach wahnsinnig flink sein, um schnell an den anderen Spielerinnen vorbei zu kommen. Und man braucht eine enorme Körperspannung, damit man nicht sofort ins Straucheln kommt, wenn einen jemand ordentlich von der Seite anrempelt. Konntest Du denn Rollschuh fahren, als Du die Berlin Bombshells gegründet hast? Janina: Mit sieben Jahren war ich eine leidenschaftliche Rollschuhfahrerin (lacht). Aber danach bin ich nie wieder gefahren. Dass ich die Berliner Mannschaft gegründet habe, hat sich auch alles mehr zufällig ergeben. Wie bitte? Janina: Naja, ich kannte die Stuttgart Valley Rollergirlz. Die gibt es ja nun schon seit 2006. Und als ich nach Berlin gegangen bin, haben Marta und Monica, die beiden Trainerinnen, auf mich eingeredet, dass ich auch in Berlin eine Mannschaft gründen soll. Als ich bei einer Freundin in den USA zu Besuch war, habe ich mir in Las Vegas zum ersten Mal ein Spiel angeschaut. Wieder zurück in Deutschland habe ich dann einfach Hals über Kopf Flyer gedruckt, in Kreuzberg verteilt und eine Infoveranstaltung organisiert. Über Bekannte kamen wir an eine Halle zum Trainieren, unser erstes Geld für die T-Shirts und alles, was an Material so anfällt, haben wir uns erfeiert. Erfeiert? Janina: Ja, wir haben einfach eine große Party veranstaltet, auf der ein paar Bands für Bier und Essen gespielt haben. Es kamen gleich auf Anhieb 400 Leute und der Abend war ziemlich gut.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Berlin Bombshells Warum spielen eigentlich nur Mädchen Rollerderby? Janina: Weil Jungs immer gleich anfangen zu heulen (lacht). Nein, ganz genau kann ich das nicht sagen. Ich weiß nur: Bei Frauen sieht der Sport einfach ästhetischer aus. Ich habe mir im Internet auch schon Männer-Bouts angesehen und die waren einfach nur halb so spannend. Männer sind einfach nicht so fantasievoll, wie wir Mädchen. Die Mädels geben sich bei ihren Outfits sehr viel Mühe. Das ist zwar nicht Hauptbestandteil des Spiels, aber das gehört mit dazu. Die einen tragen Ringelsocken, die anderen haben Netzstrumpfhosen an, manche sogar Strapse. Dann wird wild geschminkt, manche schmieren sich Kunstblut ins Gesicht und manche maskieren sich sogar als Totenkopf. Worum geht es denn bei Eurem ersten Bout am Samstag? Janina: In erster Linie wollen wir Spaß haben und unsere Mannschaft zum ersten Mal in einem echten Spiel erproben. Als Preis für die Gewinnerinnen gibt es goldene Bierflaschen. Wir haben schließlich nicht viel Geld. Und auf der Party nach dem Spiel wird die Foul-Königin prämiert. Berlin Bombshells gegen Nord-Süd-Connection, All-female Flat Track Roller Derby Action, Samstag, 28. März 2009, 19:30, Sporthalle Mariannenplatz, Wrangelstr. 136, Berlin

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