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"Das hat es vorher nicht gegeben": Über das Dauermarketing für Kinofilme

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Seit Quentin Tarantino in Berlin begann, für Inglourious Basterds zu drehen, ist der Film nicht aus den Medien verschwunden - die Dreharbeiten im vergangenen Jahr in Berlin, die Goldene Palme für Darsteller Christoph Waltz im Mai dieses Jahres, die Deutschlandpremiere am 4. August in Berlin, immer wurde über den Film berichtet. Nach all der Präsenz übersieht man leicht, dass Normalmenschen den Film erst jetzt sehen dürfen. Ähnlich wie bei Brüno ist auch Inglourious Basterds dazu angetan, Ermüdungserscheinungen bei potentiellen Kinogängern hervorzurufen (siehe auch die Brüno-Diskussion auf jetzt.de). Petra Schwuchow gründete vor drei Jahren in Berlin limelight PR und machte unter anderem die Medienarbeit für die Dreharbeiten von Tom Cruises Valkyrie. Seit 14 Jahren ist sie auf die Vermarktung von Film- und Fernsehprojekten spezialisiert. jetzt.de sprach mit ihr über kluge Werbung für Kinofilme und den Punkt, an dem alles zuviel wird. jetzt.de: Frau Schwuchow, in den vergangenen Wochen bin ich Quentin Tarantion und seinem Film nicht mehr entkommen. Ähnlich intensiv und langfristig angelegt kam einem die Brüno-Kampagne vor, fast ein Overkill. Hat sich an der Art, wie Filme vermarktet werden in den vergangenen Jahren etwas geändert? Schwuchow: Ja, natürlich. Sehr viel. Was? Ich habe den Eindruck, dass das Ganze gerade eine große, immer perfekter werdende Maschinerie wird. Hollywood steuert zum Beispiel bei großen Filmen weltweit genau den Zeitpunkt, zu dem bestimmte Meldungen veröffentlicht werden. Die Inglourious Basterds-Premiere war am 4. August. Diesen Donnerstag, also 14 Tage später startet erst der Film. Ist das eine kluge Planung? Bei der Planung solcher Premieren geht es weniger darum, den Film im Gespräch zu halten, das hat er gar nicht nötig. Die Besetzung ist in dem Fall sagenhaft, es ist ein Tarantino-Film – der Film wird so oder so im Gespräch bleiben. Das Problem bei der Premierenplanung dürfte hier eher der Terminkalender von Brad Pitt sein; der von Tarantino ist der nächste gute Grund und so geht es weiter. Bei der Premiere war der gesamte Hauptcast da, das war sensationell. Sie müssen erstmal einen Termin finden, zu dem alle anreisen können! Das ist ein heftiger Job, wenn Sie acht Schauspieler, den Regisseur und den Produzenten unter einen Hut bringen wollen. Wie ein Bienenkorb. Aber zurück zu dem Overkill: Bei manchen Filmen müssen Sie wenig machen, um das Thema hoch zu halten. Bei Baader Meinhof gab es zum Beispiel ein regelrechtes Rat Race.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gerade dauernd da: Brad Pitt und Quentin Tarantino. Wie meinen Sie das? Es gibt Filme, da sind alle Chefredaktionen scharf drauf, als erstes zu berichten. Die Dreharbeiten von Valkyrie in Berlin waren auch so ein Fall - der Wahnsinn! Hier geht es dann mehr um die Koordination von Timings denn um das Platzieren von Themen. Inwiefern? Ich hatte den Eindruck, über das Thema würden in ganz Deutschland nur die Chefredakteure entscheiden, so wichtig war es vielen. Die Boulevardtageszeitungen hatten Sonderredaktionen und berichteten, wann Katie Holmes im Park spazieren ging und wann Cruise seine Nase zeigte. War das so gewünscht? Nein, bei Leuten wie Cruise oder eben Brad Pitt ist es einfach so. Aber: Ein bisschen Planung steckt schon dahinter, wenn Tom Cruise in Berlin zu drehen beginnt. Die Welle der Berichterstattung soll einen ja nicht wie eine Flutwelle überrollen. Scheint so, als mussten Sie nicht mehr um Berichterstattung werben. Ich glaube, alle deutschen Medien haben bei uns angerufen, weil sie berichten wollten. Es gab wirklich so gut wie keine Redaktion, die nicht Interesse hatte. Wir hatten Hobbyhistoriker, die den Kontakt zu Cruise suchten, Fans gaben Geschenke für ihn und seine Tochter ab undsoweiter. Bei Inglourious Basterds muss es ähnlich gewesen sein. Beginnt so die Übersättigung mit dem Thema? Ja und nein. Ich finde, es ist auf der anderen Seite auch eine sehr schöne Entwicklung, dass große Produktionen kommen. Man bekommt den Eindruck, dass Berlin ein Drehort wie London, Paris oder Rom wird. Sie sagen, die PR-Maschinerie wird fast perfekt, Meldungen werden sehr ausgesucht herausgegeben. Wissen Sie ein Beispiel? Man überlegt sich sehr gut, wann man den Drehstart bekannt gibt, ob man sogar eine Pressekonferenz dazu macht. Im Idealfall erzeugt man so bereits zu einem frühen Zeitpunkt eine kleine Welle. Die Pressekonferenz am 4. August zum Start des Horst Schlämmer-Films wurde sogar von einem Nachrichtensender übertragen. Das fand ich ein Negativbeispiel. Zu früh vor dem Start? Ich habe einen heiligen Respekt vor unserer Demokratie und dem politischen System. Das wird durch den Film und solch eine Ankündigung lächerlich gemacht. Bei aller Wahlmüdigkeit: Die gilt es zu bekämpfen. Man muss nicht alles verarschen, was Politik ist.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Petra Schwuchow gründete limelight-PR und betreute unter anderem Valkyrie. Ermüdet Sie Schlämmers Präsenz? Schwierig zu sagen. In dem Fall stört mich eher der Inhalt. Grundsätzlich brauchen viele Filme diese große Aufmerksamkeit. Echte Actionkracher würde ich ohne gewaltige Präsenz fast nicht ernst nehmen. Bei Filmen mit höherem Anspruch kann es dafür sehr viel schneller einen Overkill geben. Wann hatten Sie zuletzt von einem Film vor dem Start die Schnauze voll? Ich höre ja viel früher von Filmen. Schon im März habe ich in Branchenmedien Elogen über Selbst ist die Braut gelesen. Jetzt kann aber keine Strategie was dafür, dass ich nun keinen Bock mehr habe, den Film anzusehen. Es sind einfach so viele andere interessante Sachen dazwischen gekommen. Manchmal ärgert mich das. Ich persönlich habe das Gefühl, Inglourious Basterds schon auswendig zu kennen - ohne ihn gesehen zu haben. Hm, ich selbst hätte auch die Premiere näher an den Kinostart gelegt. Aber es wäre natürlich eine schwerwiegende Entscheidung – um auf die frühe Filmpremiere zurückzukommen – zum Beispiel einfach den Filmstart vorzuverlegen, um einem Terminkalender gerecht zu werden oder das Timing zu verbessern. Wie fanden Sie die Brüno-PR? Begnadet gut. Warum? Die Premierentour war sehr gut getimt, die Auftritte waren auf das jeweilige Land zugeschnitten. Haben Sie Brüno betreut? Nee. Aber was man sehen konnte, war durchdacht. Trotzdem hat Brüno viele Erwartungen nicht erfüllt. Ach, bitte. Man kann letztlich doch in dieser Branche nichts vorhersagen. Auf Aussagen über nicht erfüllte Erwartungen gebe ich daher nicht viel. Wenn wir die Formel für die perfekte Filmpromotion hätten, würde der Job auch nur mehr halb soviel Spaß machen Ist Film-PR eine Kunst? Sie ist ein Handwerk. Kunst ist das, womit sie sich beschäftigt. Sie sind seit 14 Jahren in der Filmvermarktung tätig. Was hat sich noch verändert? Anfangs hatten wir einen direkteren Draht zu den Filmschaffenden in Amerika. Jetzt haben wir nur noch mit den Managements zu tun. Das mediale Umfeld hat sich beschleunigt. Das Internet macht es möglich, dass eine Nachricht in den USA rauskommt und morgen in aller Welt in den Tageszeitungen steht. Das kann man Einsetzen, das kann aber auch ein Schaden sein. Es hat zur Folge, dass jeder, der weltberühmt ist, unglaublich darauf aufpasst, was mit seinem Image passiert. Ich kann da jede Vorsicht gut verstehen. Jeder, der so berühmt wie Pitt oder Cruise werden möchte, sollte sich das sehr genau überlegen. Ich erinnere mich an eine Pitt-Premiere, nach der ich dachte: Mensch, jetzt habe ich erlebt, was eine Beatlemania ist! Ist der Overkill also allein durch die Nachfrage der Medien erzeugt, die sich mehr als früher für Filme interessieren – gerade weil sie auch häufiger bei uns gedreht werden? Klar, das hat es vorher nicht gegeben. Die Bedingungen sind super. Wir haben hervorragende Filmschaffende, große Hollywoodproduktionen finden hier Fachleute in allen Gewerken, bis hin zu Schauspielern. Was Tarantino zum Beispiel aus den deutschen Schauspielern rausgeholt hat ... Was unterscheidet die Filmkampagnen von heute von denen von vor zehn Jahren? Sie sind größer und die zugehörigen Nachrichten verbreiten sich schneller und breiter. Vor zehn Jahren habe ich jeden Journalisten mit Fax und Telefon informiert. Jetzt drücke ich einen Knopf in meinem Mailprogramm. Das ist ein großer Unterschied.

Text: peter-wagner - Fotos: dpa, privat

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