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Das Kölner Kunstfestival „Artrmx“ will den öffentlichen Raum erobern - Macher und Jury im Interview

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Es gibt haufenweise Museen, Messen, Galerien und Hinterhof-Happenings: Warum braucht es denn unbedingt noch ein weiteres Kunstfestival? Iren Tonoian: Weil wir es anders machen. Wir wollen keine Kunst verkaufen und keine Stars abfeiern. Uns geht es um junge, noch unbekannte Künstler – und darum, sie in einem außergewöhnlichen Rahmen zu präsentieren zum Beispiel auf der Straße.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was heißt auf der Straße? Ist Kunst im Museum nicht besser aufgehoben? Tonoian: Nicht immer. Oft geht der urbane und soziale Charakter der Kunst in einem Museum vollkommen unter. Wir bemühen wir uns auch, die Leute, die eben nicht ständig ins Museum gehen, für Kunst zu begeistern – indem wir die Kunst quasi zu ihnen bringen: in die Läden in die Clubs. Dabei ziehen wir das Ganze aber so professionell auf, dass auch die passionierten Museums- oder Galeriengänger nicht verschreckt werden. Dieser Spagat zwischen Professionalität und Innovationen macht die Spannung bei uns aus. Geht die Kunst in einem solchen Umfeld nicht unter, wird sie da nicht schnell zur Deko? Georg Elben: Nein, sie funktioniert nur anders. Ein Museum ist ein „white cube“, da gibt es die Kunst und sonst nichts. Das ist extra so konstruiert, dass sich die Aufmerksamkeit nur auf die Kunst fokussiert. Im öffentlichen Raum ist es natürlich erst mal schwieriger, Aufmerksamkeit zu gewinnen. Im zweiten Schritt bietet eine ungewöhnliche Umgebung aber auch neue Möglichkeiten. Es können neue Beziehungen zwischen Betrachter, dem Raum und dem Kunstwerk entstehen. Das verändert die Bedeutung, kann die Intention verstärken Klingt toll - aber was soll das denn konkret heißen? Elben: Das Kunstwerk wird inhaltlich zusätzlich aufgeladen. Natürlich kann ich mit artifiziellen Fotografien von Blumen nicht in die Disco gehen, die gehen da unter. Aber ich kann mit ihnen zum Beispiel in einen Blumenladen gehen, da können sie dann etwas sehr Skurriles bekommen. Auf der einen Seite die echten Pflanzen, auf der anderen Seite die künstlerische „Übersetzung“. Gibt es denn auch Kunst, bei der das gar nicht funktioniert? Wolfgang Zurborn: Klar, für manche Sachen braucht man einfach die volle Konzentration, mit denen kann ich nicht in die U-Bahn gehen... Ihr nehmt keinen Eintritt, und habt keinen großen Namen oben drüber stehen – wie finanziert ihr das ganze eigentlich? Tonoian: Erst mal dadurch, das wir 14 artrmx-Macher seit zwei Jahren ehrenamtlich dafür arbeiten. Wir haben zwar erfreulicherweise auch Sponsoren und Förderer, darunter auch die Stadt Köln, aber das wichtigste ist wirklich das Engagement aller Beteiligten. Uns geht es auch gar nicht darum etwas zu schaffen, was es noch nie gab und was nach uns auch keiner mehr hinkriegen wird - Wir wollen mit dem Festival viel mehr die ganze Szene stärken, damit daraus auch neue Sachen entstehen können. Als Motto habt Ihr euch das Pixies-Zitat „Where is my Mind?“ ausgesucht. Jetzt, wo ihr die ganzen Arbeiten gesehen habt: Wo sind die Künstler denn so mit ihrem Kopf? Tonoian: Das kann ich nicht beantworten. Kunst lebt immer vom einzigartigen Standpunkt des Künstlers. Deswegen ist das Motto eher abstrakt zu verstehen. Als Appell, neue Perspektiven aufzuzeigen, sozusagen. Zurborn: Es geht ja bei dem Festival nicht darum, ein Thema zu illustrieren, das wäre viel zu einseitig. Hm. Und nach welchen Kriterien habt ihr dann die Künstler ausgewählt, wenn nicht nach dem Motto? Elben: Nach Qualität. Das klingt ja jetzt ein bisschen simpel... Elben: Kann sein, aber alles andere wäre an den Haaren herbeigezogen. Zum Beispiel ob da irgendwas neu ist, ein neues Thema, eine neue Technik, das interessiert mich nicht, das sind keine maßgeblichen Kategorien. So entstehen auch die Hypes auf dem Kunstmarkt: vermeintlich innovative Sachen, die in kurzen Abständen hochgejubelt werden. Daran wollen wir uns nicht beteiligen. Zurborn: Es gibt Hochschulen, da erkennt man auf den ersten Blick den einheitlichen Stil. Sachen, die sehr steril, sehr straight, sehr klar wirken - aber in dieser Klarheit auch langweilig sein können. Solche Werke haben wir dann auch nicht ausgewählt. Ihr scheint ja ziemlich auf die eigene Urteilsfähigkeit zu vertrauen... Elben: Ich habe einfach schon sehr, sehr viel Kunst gesehen - genug, um sagen zu können: Das ist gut und das ist schlecht. Kunst funktioniert nur über Qualität. Und es kann nun mal nicht jeder Kunststudent ein bedeutender Künstler werden. Es gibt im Kunstkosmos von allen sehr viele: Zu viele Kunststudenten, zu viele Kunsthistoriker, zu viele Kunstmessen und so weiter. Bei einem solchem Überangebot können es nun mal nicht alle schaffen, bekannt und berühmt zu werden. Wo wir gerade beim Thema Überangebot sind: Habt ihr auch mal darüber nachgedacht, das Ganze in Berlin zu machen? Tonoian: Nein. Wir wohnen hier in Köln und wollen das hier machen. Außerdem hat Köln immer noch eine sehr gute Kunstszene. Elben: Außerdem ist die Konkurrenz dort so groß, dass die Gefahr besteht, dass so ein Festival dort untergeht. Hier in Köln wird das als Belebung wahrgenommen. Ist das nicht eine Gefahr für die Szenen in Köln, München und anderswo, dass plötzlich alle nach Berlin abhauen? Elben: Na klar. Der Sog ist auf allen Ebenen sehr stark, bei den Künstlern selbst, bei den Galeristen und den Sammlern, da kommt man kaum gegen an. Das ist nun mal so. Aber das wird auch wieder abebben. Denn die Szene in Berlin ist riesig, und bekommt Impulse aus der ganzen Welt, aber die Größe der Szene ist nicht das Wichtigste. Noch ist hier im Rheinland viel los. Aber wir brauchen in Köln Graswurzelprojekte wie Artrmx, denn die schaffen den Humus dafür, dass in 10 Jahren eben nicht alle nach Berlin abgewandert sind. „Artrmx“ läuft vom 22. bis 31. August in Köln. Mehr unter artrmx.de

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