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Das Mainzer Medinetz: Studenten kümmern sich um Kranke ohne Papiere

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Wer kommt zu Medinetz? Wir kümmern uns nur um Migranten, die aus irgendwelchen Gründen nach Deutschland gekommen sind. Um Hartz-IV-Problematiken kümmern wir uns nicht. Dafür gibt es andere Vereine und karitative Einrichtungen, wie zum Beispiel in Mainz „Armut und Gesundheit“. Ein Großteil unserer Patientinnen sind schwangere Frauen, die als Au-Pair-Mädchen aus Afrika nach Deutschland gekommen sind, wegen ihrer Schwangerschaft nicht mehr arbeiten können und die deswegen illegalisiert werden. Es kommen auch Leute aus dem Kosovo, aus Algerien und aus dem Irak.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Jörg Reuter und seine Kollegin Dr. med. Eva-Maria Schwienhorst während eines Beratungsgesprächs. Wie steht es um die rechtliche Situation? Darf man „Migranten ohne gültigen Aufenthaltsstatus“ einfach so behandeln? Wir befinden uns in einer gewissen Graustufe. Allerdings machen wir uns nicht strafbar. Man macht sich strafbar, wenn man Menschen ohne Papiere zum Beispiel einen Unterschlupf bietet, aber die medizinische Versorgung ist davon ganz klar ausgenommen. Wie vielen Menschen habt ihr bisher geholfen? In den anderthalb Jahren, in denen es die Sprechstunde gibt, hatten wir 42 Patienten. Es werden aber mehr, mittlerweile sind es etwa fünf pro Monat. Und wie finden die Patienten überhaupt zu euch? Es gibt Organisationen, die sich um die rechtliche Situation von Migranten und Flüchtlingen kümmern - zum Beispiel die Caritas oder die Diakonie. Die kommen in Kontakt mit Menschen, die beschlossen haben, in Deutschland zu bleiben, obwohl sie eigentlich wieder das Land verlassen müssten. Man kennt uns dort, und informiert die Menschen über unser Angebot. Andersherum ist es aber auch so, dass wir versuchen, den Menschen zu einem legalen Status zu verhelfen. Wir schicken die Leute dann auch zur rechtlichen Beratung zu den anderen Organisationen, die sich mit der rechtlichen Lage gut auskennen. Wie läuft eure wöchentliche Sprechstunde denn ab? Wenn jemand zu uns kommt, dann schätzen wir zuerst die Fachrichtung ein: Geht es zum Neurologen oder zum Gynäkologen? Dann sehen wir unsere Ärzte-Kartei durch - wir dürfen als Studenten ja nicht selber medizinisch betreuen. Unser Ärztenetz ist ziemlich groß, wir haben auch Ärzte aus Rüsselsheim und Wiesbaden in der Kartei. Wir sehen zu, dass jeder Arzt ein bis zwei Patienten pro Jahr bekommt. Bei größeren Eingriffen wie zum Beispiel Entbindungen ist es schwieriger. Dann müssen wir mit den Krankenhäusern verhandeln. Welche sind die häufigsten Behandlungen? Schwangerschaften nehmen zu. Sehschwächen sind auch sehr häufig, die Leute trauen sich teilweise nicht, zum Augenarzt zu gehen. Außerdem haben wir es oft mit hausärztlichen Behandlungen wie grippalen Infekten und Zahnproblemen zu tun.

Und die Ärzte kommen auf euch zu? Das kommt manchmal vor, aber meist schreiben wir sie gezielt an. Wir haben etwa 40 Ärzte in der Kartei. Zur Zeit fehlen uns Zahnärzte, bei den Gynäkologen haben wir gerade aufgestockt. Leider haben wir gar keinen Psychologen. Das ist sehr schade, denn viele der Flüchtlinge sind traumatisiert. Wie finanziert ihr euch? Durch Spenden. Wir sind ein gemeinnütziger Verein. Die Behandlung bei den Ärzten ist gratis, aber wir möchten natürlich nicht, dass sie etwa bei kostspieligeren Tests oder höheren Materialkosten draufzahlen müssen. In solchen Fällen bekommen wir eine Rechnung geschickt. Wir organisieren auch öfters Events, bei denen wir ein bisschen Geld sammeln. Würdest du dir wünschen, dass der Staat sich mehr um diese Fälle kümmert? Ja, natürlich. Unser Ziel ist es, uns überflüssig zu machen. In Ländern wie Italien kümmert sich der Staat um Migranten. Das Problem bei uns ist die Übermittlungspflicht. Die Menschen ohne Papiere haben ja auch Rechte - im Grundgesetz ist das Recht auf Gesundheit verankert. Sie können beim Sozialamt einen Behandlungsschein beantragen, allerdings ist das Sozialamt verpflichtet, die Leute an die Ausländerbehörde zu melden. Diese weist sie dann aber aus. In Italien darf das Sozialamt diese Informationen nicht weitermelden.

Text: dana-brueller - Foto: oh

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