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„Das Schwerste ist, sich festzulegen“

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jetzt.de: Tim, seit 277 Tagen gehst du täglich laufen und trinkst täglich ein Bier. Wie bist du denn auf diese Idee gekommen?
Tim Cigelske: Ein paar Tage vor meinem 29. Geburtstag habe ich beschlossen, dass ich irgendetwas Besonderes machen möchte, in meinem letzten Lebensjahr, bevor ich 30 werde. Ich hatte nur leider überhaupt keine Vorstellung davon, was das sein sollte. Also habe ich über Twitter und Facebook nach Vorschlägen gefragt. Irgendjemand schlug vor, täglich mindestens ein Bier zu trinken und eine Meile (ca. 1,6 Km, Anmerkung d. Redaktion) zu laufen. Irgendwie klang das für mich vernünftig. Heute, 277 Tage später, mache ich genau das. Und ich blogge darüber.

Wie hat deine Familie auf den Entschluss reagiert?
Ich glaube, meine Frau hat die Augen verdreht, als ich ihr das erste Mal davon erzählt habe, aber eigentlich ist sie solche Dinge von mir gewohnt. Meinen Freunden habe ich davon am Anfang gar nichts erzählt, wie gesagt, ich wollte nichts beschwören. Ich habe hauptsächlich auf meinem Blog darüber geschrieben.

Was hat sich für dich verändert, seit du angefangen hast?
Ich bin definitiv in der besten Form seit langem – vielleicht sogar jemals. Ich habe viel mehr Energie, Schnelligkeit und Ausdauer gewonnen.

Ist es dir das Anfangen schwergefallen?
Es war nicht so schlimm, wie ich befürchtete habe. Als ich mich erst mal auf die Idee eingelassen hatte, war ich sehr konzentriert darauf, die Sache auch ernsthaft anzugehen. Ich habe auch festgestellt, dass es einfacher ist, jeden Tag zu laufen, weil man dann nicht ständig mit sich selbst diskutieren muss, ob man jetzt gehen soll oder nicht. Man verschwendet also nicht unnötig geistige Energie darauf: Die Entscheidung ist schon getroffen, jetzt muss man raus und sich an die Abmachung halten.  

Wie sieht denn dein Tagesablauf aus?
Unter der Woche versuche ich mein Laufpensum während meiner Mittagspause bei der Arbeit zu absolvieren. Das sind dann zwischen drei und acht Meilen. Dadurch kann ich so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie, meiner Frau und meiner vierzehn Monate alten Tochter, verbringen. An den Wochenenden versuche ich meine Tochter bei längeren Laufstrecken in ihrem Kinderwagen mitzunehmen. Und montags geht das ganze von vorne los.

Und wann kommt das Bier ins Spiel?
Manchmal trinke ich es vor dem Laufen. Manchmal direkt danach oder eben viel später und in ganz seltenen Fällen trinke ich es während des Laufens. Aber diese Fälle sind nur zum Spaß oder eben im Rahmen von Wettbewerben, sogenanten beerruns.

Läufst du täglich dieselbe Distanz?
Nein, es schwankt immer zwischen mindestens einer bis zu über zwanzig Meilen. Nächstes Wochenende werde ich wohl mehr als zwanzig Meilen laufen, weil ich da mit Kollegen unterwegs bin, die ebenfalls laufen. An „Erholungstagen“ laufe ich einfach ein paar kleinere Runden.

Du hast mit der Sache angefangen, bevor du dreißig wurdest. Warum hattest du das Gefühl, irgendetwas verändern zu müssen?
Um ehrlich zu sein, habe ich gar nicht so viel verändert. Ich bin schon früher oft gelaufen, nur nie regelmäßig. Aber ich wollte für mich selbst eine neue und interessante Herausforderung, irgendwie um für mich selbst einen Meilenstein zu setzen. Einen Einfluss hatte aber auch mein 28. Lebensjahr, das für mich sehr intensiv war. Meine Tochter wurde geboren, unser Haus wurde überflutet und irgendwie wollte ich etwas Großes in meinem 29. Lebensjahr tun.

Hast du vorher schon viel Sport gemacht?
Ich fahre täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und spiele gelegentlich Basketball, aber das Laufen ist inzwischen meine wahre Liebe, wenn es um Sport geht.

Inzwischen hast du mit deiner Aktion viele Menschen dazu inspiriert, ebenfalls mit dem Laufen anzufangen. Gibt es in deinem Leben auch jemanden, der dich inspiriert hat?
Ja. Sehr viele Menschen. Das ist das Coole an Gemeinschaften, die sich auf Sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter oder Dailymile zusammenfinden. Man erfährt von anderen, die mit Schwierigkeiten konfrontiert sind – beim Laufen und auch sonst im Leben – und sich durch diese Schwierigkeiten kämpfen, um ihre Ziele zu erreichen. Die Geschichten und Personen sind zu viele, um sie hier aufzuzählen. Ich habe die Hoffnung, dass wir uns alle gegenseitig inspirieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Hast du das Gefühl, durch diese Aktion etwas über dich selbst gelernt zu haben?
Auf jeden Fall. Diese Aktion hat mich in anderen Bereichen meines Lebens zu einem besseren Planer werden lassen. Ich bin jetzt viel besser, was Zeitmanagement angeht. Beim Laufen habe ich gelernt zu etwas zu stehen und täglich dabei zu bleiben. Ich habe so etwas vorher noch nie ausprobiert, also habe ich mir bewiesen, dass man selbst mehr erreichen kann, als man zuerst vielleicht glaubt.

Wirst du weitermachen, wenn das Jahr vorbei ist?
Im Moment habe ich das vor, ja. Aber ich möchte nichts beschwören.

Die Idee etwas Gesundes, also Sport, zu machen und das mit Biertrinken zu verbinden, erscheint auf den ersten Blick etwas verrückt. Hast du den Vorschlag nie hinterfragt?
Ich finde, dass Bier und Laufen sich gegenseitig schön die Waage halten. Man arbeitet hart, dann darf man sich belohnen, ohne ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.

Hast du eigentlich Sponsoren oder andere Leute, die dich unterstützen?
Nein, keine Sponsoren. Aber natürlich gibt es viele Menschen, die mich sehr unterstützt haben, ihnen kann ich nicht genug danken.

Welchen Rat kannst du denjenigen geben, die etwas Ähnliches tun wollen, sich aber einfach nicht überwinden können?
Sich festzulegen ist der schwerste Teil. Konzentriert euch darauf, schreibt über eure Erlebnisse dabei und fangt einfach an!

Hast du schon einen Plan für das, was du tun wirst, bevor du dann Vierzig wirst?
Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Hast du einen Vorschlag?


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