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Der Apfel vom nächsten Bauern - das ist Öko-Romantik pur!

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Bild:dpa Ihre Studie klingt erstmal abwegig: Import-Äpfel vom anderen Ende der Welt sind nicht schlechter fürs Klima als deutsche Bodensee-Äpfel. Speziell beim Apfel ist entscheidend, dass die Selbstversorgung in Deutschland nicht ausreicht, klimatisch bedingt. Wir haben nur 30 Prozent Selbstversorgung, den Rest müssen wir importieren. Wir empfehlen jeden Tag einen Apfel zu essen, das ist super. Wenn ich das jetzt im Juli realisieren will, bin ich auf globalen Import angewiesen. Logistik und Distributionstechnik sind durch die internationalen Schiffstransporte so gut, dass man sich keine Sorgen machen muss, dass Äpfel, die aus Südamerika oder Südafrika kommen, das Klima schädigen. Das ist die beruhigende Nachricht für den Konsumenten. Im Oktober würde ich allerdings einen Apfel aus Deutschland empfehlen. Das müssen Sie erklären. Jetzt kriege ich keine Äpfel aus deutscher Ernte, weil es bei uns derzeit klimatisch bedingt keine Ernte gibt. Äpfel aus deutschem Anbau empfehlen wir von Oktober bis Dezember, aber was macht man jetzt im Juli? Soll man da auf den Apfel verzichten? Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, wenn ich den Apfel aus Südamerika nehme? Nein, dass muss eben nicht sein. Bis der Apfel zu uns kommt wird doch aber eine Menge CO2 ausgestoßen, oder? Das glauben die Leute, aber die Äpfel werden mit großen Containertransporten verschifft. Pro Container ist der Energieaufwand extrem niedrig, und in einen Container gehen 20 Tonnen Äpfel. Der weite Transport ist kein Klimakiller, entgegen der landläufigen Meinung. Haben sie die Wege innerhalb des Landes, also bis der Apfel zum Schiff kommt, mit eingerechnet? Ja klar. Wenn ich hier in Deutschland einen Apfel ein halbes Jahr lang im Kühlhaus lagere, um ihn im Mai zu verkaufen, kostet das eben auch Energie. Das wird häufig vergessen. Man braucht eine super Lagertechnik mit hohem Energieverbrauch, damit er nicht weiter reift. Im Vergleich zum Schiff das aus Südafrika kommt, hält sich der Energieaufwand in etwa die Waage. Das Problem ist also die Kühlung? In Südafrika oder Neuseeland kommt die Ernte direkt aufs Schiff. In Neuseeland wird im März geerntet, danach sind die Äpfel 30 Tage mit dem Schiff unterwegs und fahren dann mit dem LKW in den Supermarkt. Alles über eine ausgeklügelte Logistik. Das ist energetisch ok. Es ist auch ein Irrtum, zu glauben, dass Äpfel mit dem Flugzeug kommen, so viele Flugzeuge gibt’s gar nicht, wie wir Äpfel importieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Was für eine Rolle spielt die Größe der Betriebe? Die Betriebsgröße ist viel entscheidender als die Marktnähe, obwohl die öffentliche Wahrnehmung anders ist. Viele Klein-Betriebe verbrauchen mehr Energie als ein größerer Betrieb. Wir empfehlen als Betriebs-Mindestgröße eine Jahresproduktion von 1000 Tonnen Äpfel, das entspricht 40 Hektar Anbaufläche. Solche Betriebe gibt es viele in Deutschland, die sind energietechnisch in Ordnung. Also sind fürs Klima große Betriebe besser als kleine? Ja. Kleine sollten sich für Kühlung und vor allem Transport zusammenschließen. Wenn jeder Bauer mit seinem Traktor zehn km weit fährt, um damit Äpfel zu transportieren, ist das sehr unwirtschaftlich. Besser ist es, über Genossenschaften mit großen LKW zu arbeiten um die Ernte vom Feld ins Kühlhaus zu bringen und so weiter. Und in Neuseeland und Südafrika ist das so? Ja. Die Betriebe die wir in Südafrika untersucht haben, sind sehr groß, die Ernten der kleinen Betriebe kommen gar nicht erst bis zu uns. Welche Folgen erwarten Sie durch ihre Studien? Dass sich kleine Betriebe vielleicht zusammenschließen. Außerdem liegt mir der Einfluss des Endverbrauchers auf die Energiebilanz sehr am Herzen. Also wenn ich mit meinem Auto 20 km weit fahre, um Äpfel vom Direktvertrieb zu kaufen, ist die Energiebilanz vollends im Keller. Das ist jenseits von gut und böse, da brauche ich mir über Äpfel aus Neuseeland keine Gedanken zu machen. Da spielt dann ein anderer Gedanke eine Rolle, nämlich dass man lokale und kleine Betriebe unterstützen möchte, indem man bei ihnen kauft. Das sehe ich auch so, es gibt auch andere Argumente. Das Thema Energie und Klimaschädlichkeit ist nur eins von vielen. Aber es geht nicht, dass man sagt, ich kaufe beim kleinen Ökobauern oder beim Direktvertrieb meine Äpfel, und schütze gleichzeitig noch das Klima. Das mache ich dann eben nicht, außer ich fahre mit dem Fahrrad. Dann sollen die Bauern die Äpfel in die Stadt zum Kunden bringen, dann muss nur einmal gefahren werden. Nicht jeder Regionalbetrieb schützt automatisch das Klima, bloß weil er ein Regionalbetrieb ist. Das ist Öko-Romantik pur. Elmar Schlich ist Professor für Prozesstechnik in Lebensmittel- und Dienstleistungsbetrieben an der Uni Gießen

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