Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Der Mann mit der ersteigerten Hauptrolle

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

jetzt.de: Wie hast du seinerzeit von „Wer ist eigentlich…Paul?“ erfahren? Thomas Paul Littke: Ich hatte im Fernsehen zufällig die letzten 20 Sekunden eines Berichts über das Projekt mitbekommen und mich daraufhin direkt an den Rechner gesetzt. Zuerst habe ich für eine Nebenrolle mitgesteigert, für die ich allerdings überboten worden bin. Danach war nur noch die Hauptrolle übrig, für die ich dann ein sehr hohes Maximalgebot abgegeben und für 38.050 Euro den Zuschlag bekommen habe. 38.050 Euro sind eine stolze Summe. Wie haben denn deine Freundin und dein Umfeld darauf reagiert? Die waren alle begeistert und standen voll und ganz hinter mir. Die kennen solche Spinnereien auch schon von mir. Ich interessiere mich nun mal sehr stark für den Filmbereich, habe auch schon Schauspielkurse in New York und London besucht, aber hier habe ich nun erstmals ein fertiges Produkt in der Hand. Jeder investiert doch Geld in sein Hobby – und Film ist eben meins. Weißt du, wie viel Geld über ebay insgesamt zusammengekommen ist? Nicht genau, aber es müssen etwa 70.000 Euro gewesen sein. Was stand denn unter „Artikelbeschreibung“ bei der Rolle? Da stand schon relativ viel drin, allerdings habe ich dem Anforderungsprofil gar nicht so sehr entsprochen. Man sollte möglichst groß, vollhaarig und attraktiv sein, und ich bin ja eher klein, glatzköpfig und hässlich (lacht). Ich habe den Regisseur daher im Vorfeld per Mail kontaktiert, der mich zum Mitbieten ermutigt hat. Außerdem standen noch die Geschäftsbedingungen drin und ein Hinweis darauf, dass es keine Garantie auf eine Verwirklichung des Projektes gibt. Der „Wer ist eigentlich…Paul?“-Trailer:

Das heißt, es hätte auch sein können, dass es am Ende gar keinen Film gegeben hätte, aber dein Geld trotzdem weg gewesen wäre? Ja, das hätte passieren können. Aber ich wollte unbedingt bei diesem Projekt dabei sein. Und letztlich hat ja auch alles geklappt, der Film wurde sogar kurzzeitig in einigen lokalen Kinos gezeigt. Daher fühle ich mich in keiner Weise über den Tisch gezogen. Viele Menschen haben ja eine romantische Vorstellung vom Stardasein: Hast du gehofft, mit diesem Schritt berühmt zu werden? Nein, gar nicht. Ich bin nicht kamerageil und muss nicht auf Teufel komm raus ins Fernsehen. Mir ging es einzig und allein um die Erfahrung. Außerdem fand ich es toll, dass es in Deutschland Leute gibt, die versuchen, so ein Projekt auf die Beine zu stellen. Das habe ich sehr gerne unterstützt – auch finanziell. Mir hat es auch wahnsinnig viel Spaß gemacht, deshalb würde ich das jederzeit wieder machen – auch mit einer ähnlich hohen Summe. Aber es gab sicherlich auch Leute, die da etwas naiver rangegangen sind und sich gewundert haben, warum Steven Spielberg noch nicht angerufen hat. Gab es denn auch Kritikpunkte von Seiten des Casts bei der Durchführung des Projekts? Natürlich gab es die. Einige Leute hätten beispielsweise gerne eine Aufschlüsselung aller Ausgaben gehabt. Außerdem hat der Regisseur Ralf List nie das ganze Drehbuch herausgegeben, weil er befürchtet hat, dass ihm bei der Umsetzung seiner Idee ansonsten jemand zuvor kommt. Das hat es für uns Darsteller oft schwierig gemacht, einzelne Szenen im Gesamtkontext zu sehen. Es gab auch eine Situation, in der ich für ein Drehwochenende die falschen Klamotten mitgehabt habe, sodass es einen Anschlussfehler gegeben hätte. Daraufhin musste die betreffende Szene spontan in die Sauna umgelegt werden – ohne Klamotten.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Es gibt zwischen dir und der weiblichen Hauptdarstellerin Jasmina Bozic eine Kussszene. Wusstet ihr davon? Nein. Und wenn Jasmina mich nicht hätte leiden können, hätte das sicherlich ein Problem werden können. Aber wir haben uns einfach darauf verständigt, die Zunge wegzulassen und sind ganz unschuldig an die Situation rangegangen. Diese Naivität sieht man der Szene auch an. Was wäre denn gewesen, wenn Nacktszenen für dich im Drehbuch gestanden hätten? Wärst du dann verpflichtet gewesen, das durchzuziehen? Wenn es kein wesentlicher Bestandteil der Geschichte gewesen wäre, hätte ich sicherlich etwas gesagt. Es gab zwar die Auflagen, dass von uns an den Rollen nichts verändert werden durfte, aber wenn ich mich geweigert hätte, hätte sich der Regisseur einen neuen Paul suchen müssen. Das hätte er sich nicht leisten können. In einer leichten Bettszene mit anderen Darstellern wurde das aber vom Ralf mit sehr viel Fingerspitzengefühl gelöst. Es gibt auch eine Szene mit einer barbusigen Krankenschwester. Die wusste also im Vorfeld auch nichts davon, obenrum blank ziehen zu müssen? Doch, die wurde im Vorfeld explizit gefragt, weil der Regisseur die gesamte Szene spontan umstellen musste. Ursprünglich sollte Klaus-Jürgen Wussow eine kleine Nebenrolle als Professor spielen, der aber fünf Minuten vor Drehbeginn aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hat. Schauspieler ist ein Beruf, für den man in der Regel entlohnt wird, wie für jeden anderen Job auch. In diesem Fall hast du jedoch dafür bezahlt - das ist nicht unbedingt ein Zukunftsmodell. Wahrscheinlich nicht, und jeder ausgebildete Schauspieler würde sich sicherlich an den Kopf fassen. Aber für einen Laiendarsteller wie mich gibt es nicht viele Möglichkeiten, bei so einem Filmprojekt mitzumachen, das zumindest hinter der Kamera sehr professionell abgelaufen ist. Wärt ihr denn auch am Gewinn beteiligt worden, wenn der Film durch die Decke gegangen wäre? Ja, allerdings nur mit maximal ein Prozent pro Darsteller. Als der Hype um die Dreharbeiten am größten war und in sämtlichen Medien darüber berichtet wurde, gab es sogar Überlegungen, eine TV-Serie mit ersteigerten Rollen produzieren zu lassen. In diese Gespräche waren auch Leute wie Frank Elstner involviert, aber das Ganze ist letztlich doch nicht zustande gekommen. Deine weibliche Filmpartnerin Jasmina hat ihre 10.000 Euro für die Rolle von dem Geld bezahlt, das ursprünglich für ihre Flitterwochen in Las Vegas gedacht waren. Weißt du, ob sie diesen Entschluss jemals bereut hat? Es gab sicherlich auch einige Darsteller, die am Ende nicht so glücklich waren mit dem Projekt. Ob Jasmina dabei war, weiß ich allerdings nicht. Aber einige Leute haben mehr erwartet, als sie selbst einzubringen imstande waren. Und mit der Vorstellung, am Ende in Hollywood zu landen, kann man natürlich nur enttäuscht werden. Ich finde es aber schade, dass sich die Leute nicht gegenseitig auf die Schulter klopfen und stolz darauf sind, dieses Projekt zu Ende gebracht zu haben. Wie beurteilst du den Film denn aus heutiger Sicht? Es gibt sicherlich Leute, die den Film einfach scheiße finden, aber das wird dem gesamten Projekt meiner Meinung nach nicht gerecht. Sicherlich ist „Wer ist eigentlich…Paul?“ an einigen Stellen schwach, manchmal etwas langatmig und lässt hin und wieder den roten Faden vermissen. Aber er ist witzig und hat auch einige sehr starke Sequenzen. Hand auf’s Herz: War diese Erfahrung rückblickend 38.050 Euro wert? Wahrscheinlich sogar noch mehr.

Text: daniel-schieferdecker - Fotos: privat

  • teilen
  • schließen