Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Der runde Tisch: vier Filmstudenten aus vier Nationen

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Nikias Chryssos, geboren 1978, ist seit 2001 an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Sein Film „Hochhaus“ lief auf dem Hochschulfilmfest in München. Könnt ihr sagen, warum ihr Filme machen wollt? Nikias: Da gibt es natürlich die Legende, dass wir Filmhochschüler alle schon als Kinder ständig mit Super-8-Kamera rumgelaufen sind und alles gefilmt haben. Ich hab auch tatsächlich mit acht Jahren einen kleinen Film mit meiner Schwester gedreht, aber der Entschluss kam dann erst viel später, das hat sich langsam so entwickelt. Was mich inzwischen am meisten fasziniert, ist, bestimmte Situationen zu inszenieren und Stimmungen zu kreieren, um sie mit einem Publikum zu teilen. Maria: Bei mir hat es schon als Kindheitstraum angefangen. Als ich ganz klein war, wollte ich Schauspielerin werden. Ich wusste aber nicht, wer Filme mit mir drehen würde also dachte ich, das muss ich dann schon selber machen. Ab da hab ich mich mehr für Regie interessiert. Ich war überhaupt sehr interessiert an Kunst, Literatur, Malerei und Filmemachen kam mir wie die perfekte Kombination von alldem vor. Also hab ich mich mit 17 an Filmhochschule beworben. Frank: Ich war als Kind oft im Kino und hab mir alle möglichen Hongkong-Filme angeschaut, alles Martial-Arts-Filme. Und ich wollte unbedingt auch Kung-Fu lernen, meine Mutter aber hat es verboten, weil sie meinte, ich sei zu klein und schwach. Also bin ich noch öfter ins Kino und hab die Moves dann zu Hause nachgemacht. Irgendwann hab ich mir dann auch mal andere Filme angesehen, Dramen, Liebesfilme, Komödien, und hab festgestellt, dass mich Filmemachen eigentlich mehr interessiert hat als Kampfkunst. Inzwischen glaube ich, dass man mit Filmen die Menschen erreichen und auch verändern kann. Oder ihnen zumindest Denkanstöße geben. Das ist meine Motivation fürs Filmemachen, deswegen sind meine Filme auch immer sehr nah an der Wirklichkeit. Keine Kung-Fu-Filme, auch wenn die in Hongkong sicher leichter zu verwirklichen sind. Auffällig viele Filme von Filmstudenten haben Kinder und Jugendliche als Protagonisten. Bei euren Filmen ist das auch so. Woran liegt das? Frank: Wie gesagt, ich versuche, die Wirklichkeit widerzuspiegeln, da muss man auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. In meinem Film „Wasted“ geht es um Mobbing an der Schule, das habe ich selbst erlebt, zumindest habe ich es sehr oft beobachtet. Nikias: Ich glaube, dass man sich anfangs, wenn man noch unsicher ist, an die Geschichten hält, die man kennt. Das Gefühl, Kind zu sein, kennen wir alle. Und es ist zwar schwierig, mit jungen, unerfahrenen Schauspielern zu arbeiten. Aber es kann auch beängstigend sein, am Anfang gleich mit alten Vollblutdarstellern zu drehen, weil man sich dann leicht sehr dilettantisch und unprofessionell vorkommt.


Mit was für Filmen seid ihr denn aufgewachsen? Nikkias: Mit dem „Dschungelbuch“ natürlich. Und amerikanischen Serien wie "Knight Rider". Todd: Für mich sind Disney-Filme die erste Erinnerung. Mein Aha-Erlebnis hatte ich aber mit „The Shining“. Ich hab Steven King sehr gern gemocht, aber alle seine Verfilmungen waren total schlecht. Und dann kam Stanley Kubrick und ich dachte „Wow, das also kann ein Regisseur alles machen!“ Ab da bin ich ständig in das Kino in meiner Straße gerannt. Maria: Ich bin mit Sowjet-Filmen aufgewachsen. In der Sowjetunion gab es sehr viele gute Kinderfilme. Viele bekannte Regisseure haben welche gemacht, vielleicht, weil sie da nicht politisch sein mussten. Als ich dann älter war und es die Sowjetunion nicht mehr gab, wollte ich natürlich die ganzen Hollywoodfilme sehen. Nikias: Ich hab mich das immer gefragt, so Filme wie die von Tarkowski, waren das damals Kassenerfolge in Russland? Maria: Nein. Sie wurden natürlich vom Staat gefördert und sind auch im Kino gelaufen, aber wirklich viele Menschen haben sie nicht gesehen. Ich jedenfalls hab keine Tarkowski-Filme gesehen früher und als ich an die Filmhochschule bin wollte ich eher Filme wie in Hollywood machen. Todd: Aber dein Kurzfilm „Letters to Somebody“ sieht gar nicht wie ein Hollywoodfilm aus. Maria: Ich weiß, ich hab mich ja auch verändert. An meiner Schule gibt es viele Professoren, die früher Sowjet-Regisseure waren, das hat mich wahrscheinlich unbewusst beeinflusst.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Frank Hui Hok Man, Hongkong, geboren 1980, hat gerade die HKAPA’s School of Film & Television in Hongkong abgeschlossen. Sein Kurzfilm „Wasted“ lief im Programm des Hochschulfilmfests München Wie ist das denn in Hongkong mit Zensur, besonders seit es seit 1997 zu China gehört? Frank: Die chinesische Regierung schert sich nicht viel zum Hongkong und Hongkong-Filme. Das liegt daran, dass die Filmtradition in Hongkong von Haus aus sehr unpolitisch ist. Filme dienen hauptsächlich der Unterhaltung. Aber eine Zensur gibt es schon. Nicht an meiner Schule, aber wenn man einen Film ins Kino bringen will. Meinen Kurzfilm „Wasted“ zum Beispiel kann ich nicht in Hongkong zeigen, zu viele Schimpfwörter. Die meisten Filmemacher passen sich der Zensur an, um ihre Filme ins Kino zu bringen. Und du, was machst du, wenn du kein Filmstudent mehr bist. Wirst du dich der Zensur anpassen? Frank: Ich werde versuchen zu kämpfen. Ich könnte natürlich auch ins Ausland gehen. Aber ich bin in Hongkong aufgewachsen, da kenn ich mich aus. Ich glaube, ich kann meine Geschichten nur in Hongkong erzählen. Todd: Ich wünschte mir manchmal, an meiner Schule gebe es mehr Einschränkungen. Wir müssen den größten Teil selbst finanzieren und deswegen geben sich die Dozenten nicht so viel Mühe, einem die schlechten Projekte auszureden. Es ist mehr: Wenn du es bezahlen kann, dann mach es. Da kommen teilweise wirklich schlechte Sachen dabei raus.


Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Maria Smirnova, geboren 1983, ist soeben mit ihrem Studium an der VGIK in Moskau fertig geworden. Ihr Abschlussfilm „Letters to Someone“ lief auf dem Hochschulfilmfest in München. Deutschland ist ja bekannt für seine staatliche Filmförderung. Gibt es das bei euch auch? Maria: In Russland schon. Nach Ende der Sowjetunion ist die Filmindustrie ziemlich zusammengebrochen, es gab fast keine russischen Filme mehr, nur noch Importe. Der Staat will das ändern und unterstützt russische Produktionen. Allerdings sind die vom Staat geförderten Filme alle wahnsinnig patriotisch. Am liebsten sind der Regierung Kriegsfilme, wo die russischen Soldaten als Helden dargestellt werden. Ich finde die Filme sehr schlecht, aber die Leute mögen sie, weil sie voller Action sind. Wie Rambo, nur eben russisch. Macht dir das Angst, dass so viele Menschen solche patriotischen Filme sehen? Maria: Ich weiß nicht. Ich meine, sie wollen solche Filme ja sehen. Einfache Menschen wollen einfache Filme mit einem Helden sehen. So sind die Massen. Überall auf der Welt sehen sich Menschen simple Heldengeschichten an. Es gibt viele bekannte Regisseure, die nie auf einer Filmschule waren. Wird sich das in Zukunft ändern? Todd: Vor zwei Generationen gab es einfach noch kaum Filmschulen. Die meisten Filmemacher kamen vom Theater oder hatten Radio- oder Ferseherfahrung. Das gilt für Regisseure, die in den 70ern angefangen haben, wie Scorsese oder Spielberg zum Beispiel. In den letzten 20 Jahren sind immer mehr Filmschulen entstanden und sie wurden auch immer mehr anerkannt als Ausbildungsstätten für zukünftige Filmemacher. Ich weiß nicht, ob ich, wäre ich Produzent, heute noch jemandem viel Geld geben würde, der nicht von einer Filmhochschule kommt.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Todd Davis, hat nach einem Ingenieursstudium an der Boston University Film studiert, wo er jetzt als Assistent unterrichtet. Sein Film „In the Tradition of my Family“ lief in München. Wird das die Filme in Zukunft beeinflussen? Todd: Ich hab da noch kein Schema gefunden, nach dem ich Filme bestimmten Hochschulen zuordnen könnte. Man lernt dort einfach die Grundregeln, das Handwerkszeug, danach kann man damit machen, was man will. Maria: Wir sprechen sehr viel mit den Dozenten über unsere Projekte und sie helfen uns, einen objektiveren Blick auf unsere Arbeit zu bekommen. Oft ändert man danach dann automatisch ein paar Sachen, auch wenn man nicht direkt dazu aufgefordert wurde. Es ist ein Dialog, an dessen Ende man sich selbst ein bisschen besser einschätzen kann. Frank: In meinem Jahrgang sind fünf Regisseure, die alle völlig unterschiedliche Sachen machen, da kann man eigentlich keine Verbindung sehen, obwohl wir die gleichen Lehrer haben. Nikias: Ich habe eher das Gefühl, dass es einem die Dozenten leichter machen, seinen eigenen Stil zu finden. Am Anfang ist man natürlich sehr unsicher und orientiert sich an bekannten Filmemachern und an seinen Kommilitonen. Wenn die Lehrer dranbleiben, einen unterstützen und einem auch sagen, wenn der eigene Film wie eine Imitation wirkt, dann kann einem das sehr helfen.

  • teilen
  • schließen