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Die anderen Selbermacher

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Mit der „Make Munich“ kommt am Wochenende die erste „Maker Faire“ nach Deutschland. So oft das Wort „Maker“ auch verwendet wird, noch haben die meisten nur eine grobe Vorstellung davon, was sich hinter dem simplen Wort verbirgt. Die Veranstalter der Messe wollen das ändern. Einer von ihnen ist der Software-Entwickler und Start-up-Gründer Nils Hitze, 30.

jetzt.de: Nils, auf deiner Website hast du als Beschreibung stehen: „Nerd, Dad, Blogger Maker.“ Was ist für dich ein „Maker“?
Nils Hitze: Ich brauche auf Barcamps bei der Vorstellung nur drei Tags, da flog „Blogger“ raus. Ein Maker ist für mich jemand, der den gegebenen Status nicht als gegeben hinnimmt, sondern ändert, der es nicht akzeptiert, dass etwas nach zwei, drei Jahren kaputt geht, oder dass es bestimmte Produkte oder Lösungen nicht gibt.  

Zum Beispiel?
Ich bin eher der Event-Mensch. Wenn es einen bestimmten Event-Typ nicht in meiner Stadt oder in meiner Gegend gibt, dann sage ich nicht „Oh, das ist aber schade“, sondern gehe hin und organisiere das selbst. „Curiosity“, Neugier, definiert für mich den Maker sehr gut. In meinem Fall sieht das so aus: Ich bin Software-Entwickler, probiere aber auch Stricken oder DIY-Biotechnologie aus.  

DIY-Biotechnologie?
Da forschen Laien und bringen zum Beispiel Algen zum leuchten oder funktionieren Joghurtbakterien mit neuen Genen zu Biosensoren um.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Auf der "Make Munich" kann man 3D-Drucker ausprobieren, unter anderem die "Makibox HT" von makible.

Was ist der Unterschied zwischen der Maker- und der Do-It-Yourself-Bewegung?
Da ist nicht unbedingt ein Unterschied, das Maker-Sein hat nur noch eine soziale Komponente. Maker wollen nicht einfach etwas selbst machen, sondern ihr Wissen auch weitergeben.    

Wie machen sie das?
Die Maker-Szene funktioniert nach dem Tausch- und Karma-Prinzip. Ein Beispiel sind Repaircafés, wo sich die Leute gegenseitig beim Reparieren von allen möglichen Sachen helfen. Oder wenn ich jemandem mit seiner Webseite helfe und der macht mir dafür meine Steuererklärung. Ich muss auch an Richard Van As denken, der bei einem Unfall zwei Finger verloren hat. Prothesen sind sehr teuer, darum hat er selbst welche entwickelt und in 3D ausgedruckt. Die Dateien, die man braucht, um sie nachzubauen, hat er online gestellt und für einen Jungen, der wegen eines Geburtsfehlers keine Hand hat, das Modell umgebaut. Inzwischen hat er angefangen, günstige Prothesen herzustellen. Das macht für mich einen Maker aus.  

Wenn man Chris Andersons Buch „Makers“ liest, hat man den Eindruck, Maker sind Hightech-Selbermacher.
Das ist immer der Vorwurf gegen die FabLabs, dass sie so High-Tech-lastig sind, aber es ist gar nicht so. Dort findet man zwar auch 3D-Drucker und Laser-Cutter, aber im Grunde sind es es einfach offene Werkstätten, in denen zum Beispiel auch genäht wird. In München trifft sich regelmäßig eine Männer-Strick-Gruppe.  

Was machst du alles selbst?
Ich habe inzwischen zwei 3D-Drucker zu Hause. Wenn ich etwas reparieren kann, mache ich das, letztens habe ich aus alten Ikea-Möbeln Scharniere herausgesägt und damit unsere Gartentür repariert. Ich repariere mein Fahrrad selbst, nur wenn es zu kompliziert ist, gehe ich zu meinem Fahrradhändler. Dafür pflege ich seine Webseite.    

Seit wann bist du Maker?
Seit ich mit meinem Vater vor der Spielzeugeisenbahn saß und angefangen habe, selbst zu löten. Ich habe schon immer Sachen auseinandergenommen und versucht herauszufinden, wie sie funktionieren. Das mit den 3D-Druckern ging mit der Arduino-Bewegung los, das war vor vier, fünf Jahren. Zum ersten Mal gab es eine Plattform, die sich jeder leisten konnte und mit der man verschiedene Sachen über den Computer absteuern konnte.  

Und damit ging auch die Maker-Bewegung los?
DIY gab es schon immer, die Maker-Bewegung ist mit dem „Make“-Magazin groß geworden, das 2005 zum ersten Mal erschienen ist. Ein Jahr später war die erste „Maker Faire“ in San Mateo in Kalifornien. Inzwischen sind 3D-Drucker günstiger geworden und das Wort „Maker“ wird inflationär benutzt. Vor 20 Jahren hätte das nicht geklappt, weil das Internet noch nicht so stark war. Zur Zeit lese ich jede Woche Artikel und Blog-Einträge über die DIY- oder die Maker-Bewegung und fast alle zwei Tage einen über 3D-Druck.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

                                     Nils Hitze

Warum kommen die Maker-Messen erst jetzt nach Deutschland?
Weiß ich ehrlich nicht. Das erste FabLab wurde 2002 am Massachusetts Institute of Technology gegründet, das erste deutsche 2009 in Aachen. Vielleicht braucht es eine Weile, bis die Leute auch bereit dafür sind. 2012 gab es ein erstes Maker-Treffen in Hamburg, das war gut besucht, jetzt die „Make Munich“ und im August die „Maker Faire“ in Hannover.  

Hast du schon eine „Maker Faire“ im Ausland besucht?
Leider war ich bisher zeitlich und finanziell noch nicht in der Lage, ich habe mir aber fest die  „Maker Faire“ in New York vorgenommen. Als nächstes will ich zur „3DPrintshow“ in London. In Deutschland gibt es aber auch viel, zum Beispiel im Mai die „FabCon 3D“ in Erfurt.  

Was gibt es auf der Make Munich zu sehen?
Wir haben aktuell 45 Stände, einen großen Bereich, in dem die ganzen 3D-Druck-Sachen untergebracht sind, in einem anderen geht es um FabLabs und Lasercutting. Die Part-Time Scientists stellen ihren Rover vor, den sie nächstes oder übernächstes Jahr auf den Mond schießen wollen. Die Werkstatt Huij ist dabei, der Verbund Offener Werkstätten, „Ingenieure ohne Grenzen“ und der deutsche Amateur-Radio-Club. Wir haben was über Siebdruck und Guerilla Gardening, wo wir Samenbomben basteln, in die man Blumensamen steckt und dann auf karge Grünstreifen am Straßenrand schießt. Dann wachsen daraus alle möglichen Blumen.  

Wenn man über Maker liest, dann meistens auch über 3D-Druck. Steht der bei der „Make Munich“ auch im Vordergrund?
Der Bereich ist sehr prominent ausgestellt, wir haben viele 3D-Drucker vor Ort. Ich habe immer das Gefühl, 3D-Druck ist das Zugpferd der Maker-Bewegung, auch wenn es nur eines von vielen Werkzeugen ist, mit denen man etwas herstellen kann. Ich glaube auch nicht, dass irgendwann jeder einen 3D-Drucker zu Hause hat, zumindest nicht die aktuellen Drucker. Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen tatsächlich immer wieder sagen: „Wow, das habe ich noch nie gesehen!“ Das habe ich auch im März auf der CeBIT gemerkt.  

Wie war der Kartenverkauf bis jetzt?
Wir haben 400 Tickets verkauft und hoffen, dass es noch 500 bis 600 werden. 2014 wären 1.000 bis 2.000 Teilnehmer schön, das kommt auf die Location an.  

Wie geht es weiter?
Vielleicht wird aus der „Make Munich“ mal das, was früher die Informations- und Telekommunikations-Fachmesse „Systems“ war. Unser Ziel ist es, als Dachverband „Make Germany“ offene Werkstätten zu verbinden, auch mit Einzelpersonen, die sich für das Thema interessieren, aber auch mit einer politischen Absicht. Wenn wir in Deutschland die MINT-Bereiche stärken wollen, müssen wir auch etwas dafür tun und neue FabLabs, auch für Kinder, gründen, und Technologien wie 3D-Drucker an den Schulen zeigen. Viele wissen gar nicht, dass man die auch ausleihen kann.  

Warum habt ihr die erste Messe ausgerechnet nach München gebracht?
Ich komme aus Dachau und arbeite in München, ich kann wegen meiner Familie nicht ständig irgendwohin reisen. Und München ist auch gar nicht so schlecht. Wir haben ein sehr aktives FabLab, einen Hackspace, ein paar Freunde von mir gründen demnächst ein DIY-Biolabor, wir haben eine starke Barcamp-Szene und eine sehr aktive „Nerd Nite“. Es muss ja nicht immer alles in Berlin sein.    

Infos: 
„Make Munich 2013“
Wann: 20. und 21. April 2013
Wo: Tonhalle (Grafinger Straße 6, München)
Öffnungszeiten: Samstag 10-18 Uhr und Sonntag 10.30 bis 16 Uhr
Preis: Tickets an der Tageskasse kosten 15 Euro


Text: kathrin-hollmer - Fotos: Make Munich

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