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Die Comic-Kultur der Generation Golf

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Sie sagen, Deutschland sei bis in die Siebziger Jahre eine Comicwüste gewesen. Was hat sich verändert? Die deutschen Zeichner haben endlich gelernt, Geschichten zu erzählen. Daran hat es sehr lange gehapert, es gab nur gute Zeichner. Comic ist aber ein Erzählmedium, es geht darum, in Bildern Geschichten zu erzählen. In Deutschland gab es lange Zeit keine Textgenies wie etwa Goscinny, der Asterix erfunden hat. Mittlerweile gibt es eine regelrechte Neue Deutsche Comicwelle.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie konnte sich diese neue Kultur entwickeln? In den Siebziger Jahren gab es so gut wie keine guten Comics, die Zeit war geprägt von Massenserien. Als Kind habe ich „Bessy“ und „Silberpfeil“ gelesen, das waren Western-Comics, und die Abenteuercomics in „Yps“. Es gab nur wenige gute Sachen: das Comicmagazin „Zack“ zum Beispiel hat hervorragende Comics aus Italien, Frankreich und Belgien gebracht und Maßstäbe gesetzt. In Deutschland wurden Comics bis in die Siebziger Jahre stigmatisiert, es gab auf Schulhöfen öffentliche Comic-Verbrennungen, das mutet heute grotesk an. In einer Buchhandlung meiner Geburtsstadt Mainz gab es damals die Aktion „Tausche Schundcomic gegen gutes Jugendbuch“, da konnte man seine „Tim und Struppi“-Comics vorbeibringen, die in einem riesigen Bottich zu Papierschleim verrührt wurden. Dafür bekam man „Hanni und Nanni“ oder „Heidi“. Seit Ende der Sechziger Jahre haben Comics wie „Asterix“ langsam dazu geführt, dass auch bürgerliche Intellektuelle bei Comics nicht mehr die Nase rümpften. Und dass endlich zwischen guten und schlechten Comics unterschieden wurde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Martin Frenzel Was zeichnet die „Comickultur der Generation Golf“, wie sie es genannt haben, aus? Die Künstler haben eigene Geschichten und scheuen sich nicht, sie auch zu erzählen. Zum Beispiel Ulf K. oder Flix: Der erzählt in seinen stark autobiographisch gefärbten Comics vom Wahnsinn des Alltags, von seiner Kindheit in den Siebziger Jahren. Auf dem Comic-Salon hat er diese Geschichten unter dem Motto „Flix liest laut“ vorgetragen. Die Leute haben sich gebogen vor Lachen. Oder Isabel Kreitz, Deutschlands beste Comiczeichnerin. Sie erzählt bekannte Romane im Comic nach, zum Beispiel „Die Entdeckung der Currywurst“ von Uwe Timm. Im Moment arbeitet sie an Thomas Manns „Buddenbrooks“. Sie versteht es perfekt, durch eine eigene Comicsprache aus den Romanen ganz neue Kunstwerke zu machen. Die jungen Comiczeichner wollen was rüberbringen, es lohnt sich, die Comics zu lesen und nicht nur, sie anzuschauen. Die Generation Golf wird ja oft auch als verträumte Generation beschrieben. Die jungen Zeichner trauen sich, diese Träume in ihren Comics zu erzählen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Comic von Flix Was sind das für Geschichten, die verarbeitet werden? In vielen Comics findet Gesellschaftskritik statt. Ralf König zum Beispiel nimmt in seinen neuesten Comics die Debatte um die Mohammed-Karikaturen in einer dänischen Zeitung aufs Korn und setzt sich vehement für die Pressefreiheit ein. Viele junge Zeichner thematisieren den Moloch Großstadt, zeichnen die düstere, anonyme Stadt, üben Kritik an der Ego-Gesellschaft, zum Beispiel Uli Oesterle in seinem Comic „Hector Umbra“, der in München spielt. Oder der Schweizer Thomas Ott, der düstere, kafkaeske Szenarien zeichnet. Wie Flix sind viele aus der jungen Generation Alltagschronisten, die mit feiner Satire autobiographische Comics zeichnen, zum Beispiel Mawil aus Berlin. Was ist mit dem Hype um Mangas aus Japan? Lassen sich die jungen Zeichner davon beeinflussen? Dieser Hype ist ein Problem für die jungen Zeichner. Gerade bei Kindern und Jugendlichen sind Mangas unheimlich populär, dabei wird übersehen, dass es in Deutschland mittlerweile eine vielfältige, eigenständige Comickultur gibt. Ich habe auf dem Comic-Salon oft einen resignierten Unterton bei den jungen Zeichnern gehört. Viele haben Angst, dass die derzeitige Popularität deutscher Comics nur vorübergehend ist. Ich denke, diese Angst ist unbegründet. Der Schriftsteller Alexander Kluge hat mal gesagt, der Mensch habe zweierlei Eigentum, die Lebenszeit und den Eigensinn. Die junge Comicgeneration lebt ihren Eigensinn in ihren Werken, sie traut sich, eigensinnig zu sein, das zeichnet sie aus. Hier findest du mehr Informtionen über den Comic-Salon und das Programm vom Wochenende. Fotos: Comic-Salon Erlangen

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