Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Die Helferin der Türsteher: Yoko Ono der Clubtüre

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

jetzt.de: Du hast Modedesign studiert und besitzt dein eigenes Fashionlabel namens ichundchi. Wie bist du zu dem Job als Selekteurin im Tube-Club gekommen? Chi: Freunde haben mich darauf angesprochen, dass es einen neuen Club in der Friedrichstraße gäbe und die Verantwortlichen noch eine Frau für die Selektion an der Tür suchen würden. Am liebsten eine Asiatin. Warum wollten die denn ausgerechnet eine Asiatin? Asiaten wirken immer ein wenig streng, und genau das haben die für die Tür gesucht. Meine Freunde haben mir deswegen auch irgendwann den Spitznamen Yoko Ono verpasst, der nachher sogar auf den Tube-Flyern draufstand: „Selektion: Yoko Ono“. Es gibt wohl nur wenige Clubs in Berlin, bei denen mit dem Türpersonal geworben wird. Tatsächlich werden ja viele Selekteursposten von Frauen oder Schwulen bekleidet, und das hat zweierlei Gründe: Zum einen sollte man ein gewisses Gespür für Optik und Style sowie ein Mindestmaß an Menschenkenntnis mitbringen, was eher weibliche Attribute sind. Zum anderen haben die Clubbesitzer gerne eine weiche Komponente zwischen den grimmig dreinblickenden Türstehern, um einen Kontrastpunkt setzen zu können. Das wirkt dann einfach netter.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nach welchen Kriterien hast du denn an der Tür entschieden? Das Image des Tube ist das eines schicken, edlen Clubs, der vom Publikum her jedoch eine angenehme Mischung aus reich und schön sowie Szene und Kiez zusammenbringen möchte. Da ich mich selbst eher als szenig anstatt reich und schön bezeichnen würde, bestand meine Aufgabe vor allem darin, viele „coole“ Leute in den Laden zu holen, um das Ganze nicht zu einer versnobten Schickimicki-Veranstaltung verkommen zu lassen. Ich hatte jedoch keine direkten Vorgaben, sondern habe mich nach und nach rangetastet und lediglich nach meinem Bauchgefühl entschieden. Letzten Endes habe ich vor allem die Leute reingelassen, mit denen ich selbst gerne feiern gegangen wäre. Warum ist es denn überhaupt wichtig, bestimmte Leute in einen Club reinzulassen und andere nicht? Warum kann man denn nicht alle gemeinsam miteinander feiern lassen? Auswahl zieht sich ja durch sämtliche Lebensbereiche, sei es im Job, in Freundschaften oder in Beziehungen. Im Nachtleben hat das vor allem mit Imagegründen zu tun. Aber Auswahl bedeutet ja nicht nur, bestimmte Menschen auszugrenzen, sondern auch einige Leute bevorzugt zu behandeln. Das ist eine Form von Kundenbetreuung. Natürlich ist das stets eine oberflächliche und vor allem sehr subjektive Angelegenheit, aber für die Partyszene ist das eine Art Statussymbol und ungemein wichtig. Gerade wenn man irgendwo Stammgast ist, viel Geld ausgibt und seine spendablen Freunde mitbringt, dann möchte man auch entsprechend behandelt werden. Für viele Menschen gelten Türsteher und Selekteure jedoch als Hassobjekte. Klar. In dieser Hinsicht ist das manchmal schon ein Scheißjob, bei dem man ein ziemlich dickes Fell haben muss. Man bietet seinem Gegenüber auf jeden Fall eine sehr große Angriffsfläche, und zwar vor allem auf seine Psyche. Bezeichnungen wie „Scheiß Chinesin“ oder „Blöder Reisfresser“ habe ich mehr als einmal gehört. Damit muss man klarkommen. Vorher wollten die aber doch sicherlich mit dir diskutieren. Ja. Viele wollen wissen, warum sie nicht reinkommen und nehmen das sehr persönlich. Dabei tue ich den meisten Leuten einen Gefallen damit, denn die würden sich im Club ohnehin nicht wohl fühlen. Trotzdem haben mir die Leute natürlich oft leid getan, wenn ich sie nicht reingelassen und dadurch ihren Abend versaut habe. Hast du denn auch mal brenzlige Situationen erlebt, in denen eine Abweisung eskaliert ist? Nein, eigentlich nicht. Es gab eine Situation, in der ich drei Bodybuildertypen den Eintritt verwehrt habe, die mich daraufhin verbal attackiert haben und die Situation kurz vor der Entgleisung stand. Daraufhin bin ich reingegangen, habe mit meinen Chefs gesprochen und mich dann durch den Hinterausgang auf den Heimweg gemacht, weil ich mit der Situation in dem Moment nicht mehr umgehen konnte. Körperliche Gewalt habe ich aber glücklicherweise nie erlebt. Hast du das Gefühl, dass eine Frau an der Tür potenzielle Gewaltbereitschaft vielleicht eher herunterdimmen kann als ein Mann? Ja, das kann ich mir durchaus vorstellen, schließlich steht sich dann nur halb so viel Testosteron gegenüber. Meine Mutter hatte am Anfang dennoch immer riesige Angst, dass es Ärger geben würde. Aber die Gewaltbereitschaft ist gar nicht so hoch, wie man oft vermutet oder von vielen Medien vermittelt bekommt. Das ist zum Glück eher die Ausnahme, überwiegend sind die Leute beim Ausgehen sehr entspannt. Der Job an der Tür macht ja auch deswegen Spaß, weil man die Leute in Feierlaune antrifft und jeder eine gute Zeit haben möchte. Warum hast du denn vor kurzem aufgehört, als Selekteurin zu arbeiten? Ich bin selbst viel zu gerne im Nachtleben aktiv, neige zu Tatendrang und wollte den Samstagabend daher nicht mehr an der Tür, sondern lieber mit meinen Freunden verbringen. Man ist schließlich nur einmal jung, und der Samstag war mir daher irgendwann einfach zu wertvoll. Gibt es ein paar generelle Dinge, die man beachten sollte, um seine Einlasschancen zu steigern? Eigentlich nicht, denn das ist von Club zu Club unterschiedlich und eben oft auch sehr subjektiv. Wenn man jedoch nicht allzu betrunken ist und sich ein wenig den Gepflogenheiten des Clubs anpasst, dann klappt das in der Regel auch.

  • teilen
  • schließen