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Die "Kids"-Kids sind alright! MGMT im Interview

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Als Andrew VanWyngarden und Ben Goldwasser, beide 27, sich vor acht Jahren an der gemütlichen Wesleyan University in Middleton/ Connecticut kennenlernten, da hatten sie nicht unbedingt vor, mit ihrer Musik die Welt aufzumischen. Oder für zwei Grammys nominiert zu werden. Oder mit einem kleinen Liedchen, das sie „Kids“ nannten, einen der einprägsamsten Indiepopsong des letzten Jahrzehnts abzuliefern. Kam dann aber alles so. Zwei Jahre nach dem Jubeltrubel verblüffen die Burschen nun erneut. Mit „Congratulations“, einem leicht verschwurbelten und sehr verspielten Album, das zwar keine offensichtlichen Hits aber sehr viel Charme hat. Wir trafen das Duo in London.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

jetzt.de: Andrew, ihr nennt das Album „Congratulations“ und klatscht euch im abschließenden Titelstück am Ende selbst Beifall. Ist das ironisch oder selbstverliebt? Andrew: Der Albumtitel und auch der Beifall sind wohl in erster Linie sarkastisch zu verstehen. Wir hatten schon beschlossen, dieses Album „Congratulations“ zu nennen, als wir noch an unserer ersten Platte „Oracular Spectacular“ arbeiteten. Damals konnten wir natürlich nicht ahnen, dass unser erstes Album so ein irrer Erfolg sein würde. Deshalb ist das ja schon sehr augenzwinkernd. Klar, wir klopfen uns auf die eigene Schulter, aber dabei geht es gar nicht so um uns. Sondern um andere Leute, die plötzlich berühmt werden und die dann bisweilen überschnappen. Seid ihr selbst denn übergeschnappt? Andrew: Das Leben hat sich schon massiv geändert. 2006 saß ich noch in Brooklyn, hatte keinen richtigen Job und wusste nicht, was ich anstellen sollte mit dem Leben. Dann machen wir ein Album, sind 15 Monate auf Tour und zwischendrin ändert sich dein ganzes Leben. Die Zeit war intensiv, mit guten und blöden Momenten. Was war gut, was war blöd? Andrew: Gut war dieses irre Abenteuer. Wir sind plötzlich um die ganze Welt gereist und haben tolle Sachen erlebt. Und wir haben unsere Musik mit einem Haufen von Leuten geteilt. Das Blöde war, dass uns dieser Lebenswandel ein bisschen zu Kopf gestiegen ist. Welcher Lebenswandel noch mal? Andrew: Dieses verkommene, maßlose, dekadenten Gebaren, das du auf Tour so allmählich entwickelst. Anfangs haben wir dieses Benehmen nur gespielt, wir machten uns über andere Bands lustig, bei denen wir das sahen und albern fanden. Wenig später waren wir selbst genauso drauf. Damit mussten wir also aufhören. Auch, weil du körperlich ein solches Verhalten nicht durchhältst. Es ist ja auch verrückt, dass zwei Collegekids, die ihre Musik im Schlafzimmer aufgenommen haben, auf einmal der heiße Scheiß werden. Andrew: Eben. Zu Anfang war MGMT einfach ein Witz. Wir haben uns über Popmusik lustig gemacht und versuchten, sehr poppige Popsongs zu schreiben und sehr poppige, bunte Auftritte hinzulegen. Wir haben immer Witze darüber gemacht, berühmt zu werden. Aber wir hätten das nicht für möglich gehalten. Ich meine, wir haben anfangs doch bloß alle verarscht. Wir haben uns auf der Bühne wie die Rockstars benommen, während vielleicht 30 Leute im Publikum standen. Habt ihr denn in der Zwischenzeit viele richtige Rockstars kennengelernt? Ben: Paul McCartney haben wir getroffen, das war verrückt. Wir haben kurz „Hi“ gesagt und seine Hand geschüttelt. Als wir noch klein waren, dachten wir, Popstars wären Unberührbare. Von einem anderen Stern. Doch dann haben wir zum Beispiel mit den Jungs von Radiohead Bekanntschaft gemacht und gemerkt, dass das auch nur ein paar nette Menschen sind. „Kids“ war vor zwei Jahren so ein Riesenhit, vielleicht sogar neben „Seven Nation Army“ von den White Stripes das prägendste Lied der vergangenen Dekade. Wie überraschend war das eigentlich für euch? Andrew: Es war echt krank, wenn man sich das mal überlegt. Denn „Kids“ war wirklich der allererste Song, den wir jemals zusammen geschrieben haben. Ich meine, wir hatten vorher bloß ein paar Loops und schräge elektronische Experimente aufgenommen. Dann hat Ben diese Musik in seinem Collegezimmer eines Nachts geschrieben, als er besoffen war. Ich glaube, da war er 19 oder so. Das ist so lustig, wenn man bedenkt, dass aus diesem kleinen Song so ein Ding geworden ist. Wir hätten das auf keinen Fall erwartet. Hat „Kids“ seinen Ruhm verdient? Andrew: Ich habe den Song so oft gehört und gespielt, dass ich nicht objektiv sein kann. Es ist kein besonders komplexer Song, aber er ist catchy, melancholisch, nostalgisch und folgt einer klassischen Pop-Formel. Wir hatten echt Schwein. Denn das ist unheimlich schwer, einen Song aufzunehmen, der so schlicht ist und den trotzdem jeder mag. Bei der neuen Platte haben wir uns dann bewusst dagegen verwahrt, einen weiteren Hit zu schreiben. Denn das ist nicht das, was wir im Moment tun sollten, denke ich. Das neue Album klingt unkonventionell. Ich habe keinen einzigen klassischen Refrain in den zehn Liedern raushören können. Ihr? Andrew: Was für uns Refrains sind, müssen für unbeteiligte Menschen noch lange keine sein. Da geht die Wahrnehmung sicherlich auseinander. Wenn wir unsere Musik aufnehmen, dann gibt es Stellen, die wir „Refrain“ und welche, die wir „Strophe“ nennen. Manchmal freilich, wenn wir ein Jahr und länger an ihnen feilen, vergessen wir schon mal, wie seltsam unsere Songs in Wirklichkeit sind. Es ist schwer, die Lieder wirklich zu erkennen, wenn du mitten drin steckst. Für mich jedenfalls klingen sie poppig. Ben: Wir fühlen uns wohl damit, Songs ohne klare Struktur zu schreiben. Oder Refrains zu haben, in denen sich der Text nicht wiederholt. Das ist jetzt auch nicht die Revolution, aber nicht viele Musiker trauen sich so etwas. Alles was gut klingt ist erlaubt. Für uns gibt es keine Regeln. Halten euch die Menschen für durchgeknallter als ihr seid? Ben: Den Eindruck habe ich. Manchmal treffen uns Leute, bei denen du gleich merkst, dass die nun zwei drogenkranke Arschlöcher erwartet hätten und enttäuscht sind. Ihr habt „Congratulations“ teilweise in Malibu geschrieben. Warum? Andrew: Wir wollten raus aus Brooklyn, wir wollten nach Kalifornien, um uns einfach mal einen anderen Wind um die Nase wehen zu lassen. Vorher waren wir in Bergen bei New York, dort war es kalt. In Malibu war es dann wirklich sehr nett. Stimmt es, dass du deine Surfkünste dort stark verbessert hast? Andrew: Das ist wahr. Aber was heißt verbessert? Ich habe überhaupt erst dort mit dem Surfen angefangen. Ich war vorher vielleicht zwei Mal surfen in meinem Leben, aber in Malibu war ich so oft mit dem Surfbrett im Wasser wie es irgendwie ging. ***

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Illustration: Julia Schubert

Das Album „Congratulations“ von MGMT erscheint am 9. April bei Sony

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