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Die Lehrstellen-Her-Zauberer

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Mit 17 hat Melday aus Berlin-Kreuzberg die Hauptschule abgebrochen – seither schleust die Arbeitsagentur sie durch Bewerbungstrainings und ABM-Maßnahmen, bisher ohne Erfolg. Das Zirkus-Projekt „Manege“ soll der inzwischen 21-Jährigen nun aus der Misere helfen. Trapezturnen gegen die Arbeitslosigkeit? „Wo bin ich da reingeraten?“, dachte Melday anfangs. Heute ist sie begeistert und nicht nur sie: Am vergangenen Dienstag wurde „Manege“ mit dem „Deutschen Förderpreis Jugend in Arbeit“ ausgezeichnet, in der Kategorie „innovativstes Projekt“. Junge Arbeitslose wie Melday lernen bei Manege fünf Monate lang nicht nur Seiltanzen und Jonglieren, sondern auch Holzbänke bauen und im Team arbeiten. 70 Prozent der bisherigen Teilnehmer haben anschließend tatsächlich eine Lehrstelle gefunden – nicht im Zirkus, sondern als Industriemechaniker, Maler und Friseure. Das Programm soll den Teilnehmern zeigen, dass sie mit Ausdauer eine Menge auf die Beine stellen können. Warum war es bisher schwer für dich, einen Ausbildungsplatz zu finden? Meine Clique und ich haben in der Schule viel Mist gebaut. Gelernt haben wir wenig. Deshalb standen die meisten von uns schließlich ohne Abschluss da. Dann eine Lehrstelle zu finden ist fast unmöglich. Wie kamst du zu Manege? Das Arbeitsamt hat mich dorthin vermittelt. Allerdings haben sie mir gar nicht gesagt, dass das mit Zirkus zu tun hat. Ich dachte, es sei einfach mal wieder ein Bewerbungstraining, in dem uns jemand erklärt, dass wir alles anders machen sollen. Als die Manege-Leute dann anfingen, von Akrobatik zu reden, war ich erst mal geschockt. Was soll mir das helfen, wenn ich Friseurin werden will, dachte ich mir. Was hast du bei dem Projekt gelernt? Erst mal habe ich Seil-Kunststücke gelernt. Eine Woche lang haben wir jeden Tag trainiert und dann gab es eine Aufführung. Ich war wahnsinnig nervös, aber es lief prima. Die Zuschauer waren begeistert. Dann kam ein handwerklicher Teil: Ich habe einen Komposthaufen auf dem Zirkusgelände umgegraben und Holzbänke gebaut. Abschließend machen wir jetzt alle noch ein Praktikum bei der Firma Vattenfall in der Lehrwerkstatt. Das ist eine große Energie-Firma, die unser Projekt sponsert. Glaubst du, dass dir das helfen wird? Es hat mir sogar schon geholfen! Letzte Woche ging mein Schrank kaputt. Ich habe ihn ganz alleine repariert. Ich weiß jetzt nämlich, wie man mit den ganzen Werkzeugen umgeht. Ist nicht perfekt, aber für eine Anfängerin sehr okay. Und für die Lehrstelle? Ich will immer noch Friseurin werden – oder Kosmetikerin. Da hilft mir Seilspringen und Holzbänke bauen natürlich wirklich wenig. Trotzdem bin ich jetzt optimistischer: Wenn wir uns bei dem Projekt richtig reinhängen, helfen die Manege-Leute uns am Ende eine Lehrstelle zu finden. Sie haben alle möglichen Kontakte und geben uns außerdem für die Bewerbungen Tipps. Machen müssen wir es aber dann trotzdem allein. Die sind zwar vom Zirkus, aber Zaubern können die auch nicht. Neben dem Zirkus-Projekt Manege wurden noch vier andere Firmen und Institutionen für ihre Jugend-Förderungsprojekte ausgezeichnet: Die niedersächsische Firma ContiTech AG wurde Sieger in der Kategorie Unternehmen. Sie bietet Jugendlichen ohne Lehrstelle ein einjähriges Qualifizierungsprogramm an, das aus Schulungen und Betriebspraktika besteht. Der Verein JobAct aus NRW wurde als bester Freier Träger ausgezeichnet. In einem Theaterprojekt lernen Jugendliche dort in Bewerbungssituationen selbstbewusster aufzutreten. Ein weiterer Preis ging an die ARGE Agentur für Arbeit Vogtlandkreis, die alleinerziehenden Jugendlichen den Einstieg ins Berufsleben erleichtert. Die Bremer Hafenfachschule gewann in der Kategorie Initiativen / Netzwerke. Sie macht junge Arbeitslose mit Hafenarbeiten vertraut und bietet dabei Jugendlichen mit Migrationshintergrund auch Deutschkurse an.

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