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Die moderne Universalgelehrte: Missill ist HipHop-Kultur

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Du bist ein ganz schöner Tausendsassa: DJ, Graphikdesigner und Graffiti-Künstlerin. Bist du nicht ein bisschen erschöpft? Ach, es hört einfach nie auf. Ich brauche diese ganzen Beschäftigungen. Wenn ich eine Pause habe, werde ich wirklich verrückt. Ich muss etwas kreieren, damit ich am Abend sehe, dass ich etwas geleistet und den Tag nicht verschwendet habe. Deshalb bastele ich ständig an neuen Beats oder Comic-Charakteren. Ich denke dauernd an meine Projekte.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie viele Stunden schläfst du denn? Ich brauche viel Schlaf, zehn Stunden! Von irgendwo muss die Energie ja kommen. Deine ersten Tracks sind aus dem Jahre 1999. Jetzt bist du 25. Ganz schön früh angefangen, oder? Ich komme eigentlich aus der Graphik- Ecke. Angefangen habe ich mit den Graffitis. Dass ich gerne zeichne, habe ich schon in der Schule bemerkt. Als Arbeit betrachtet habe ich dieses Hobby dann mit 16. Seit ich 19 bin mache ich mehr Musik. Irgendwann habe ich dann Flyer für Partys entworfen, später auch das Album-Artwork für befreundete Bands. Ich habe mir alles selbst beigebracht, Schritt für Schritt. Schließlich habe ich das Warm-Up für die „Rumble in the Jungle“-Partys in Paris gemacht, und ab da wurde ich zu kleineren Veranstaltungen als DJ gebucht. Darüber bin ich dann ernsthaft zum DJing gekommen. Und dann hatte ich eben die Idee, beides zu verbinden, so wie bei meinem neuen Album [erscheint am 18.01., d. Red.]. Ich bin aber ständig auf der Suche nach neuen Ideen. Ich könnte mir auch vorstellen, Stühle oder Klamotten zu entwerfen. War das schwierig, so als junges Mädchen in der männlich-dominierten HipHop-Szene? Dass ich ein Mädchen bin, ist gar nicht so das Problem. Ich fand es schwierig, gar nicht bekannt zu sein. Man muss sich daran gewöhnen, dass viele Leute z.B. aus Neid schlechte Dinge über dich sagen, aber auf solche Dinge sollte man nicht achten. Sonst könnte man ja gar nichts mehr tun. Du musst dir erst einen Namen machen und dafür sorgen, dass die Leute dich erkennen. Das war schon manchmal schwer. Aber oft war mir das auch egal, ich hatte einfach sehr viel Spaß. Am Anfang kam ich nicht mal mit der Technik klar, aber ich habe einfach mit den Leuten gefeiert. Meine ersten Anfänge habe ich nicht in Paris, sondern in Montpellier, Südfrankreich, gemacht. Dann bin ich nach Orleans und Paris gegangen. Für mich war das ein Riesenglück, mit meinen Freunden zusammen zu sein, Graffitis zu sprühen und aufzulegen. Ich wusste damals noch nicht genau, was ich wollte, aber sehr genau, was nicht. Und was wolltest du nicht? In der Fabrik arbeiten. Oder in der Bank.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Und was wollten deine Eltern? Die wollten eher, dass ich eine Geschäftsfrau werde und B&B-Hotels eröffne. Mein Vater stellt Wein her und dachte, es sei sehr praktisch, wenn ich diesen gleich den Gästen anbieten könnte. Du bist jetzt mit Princess Superstar und Heidi auf Tour. Wie ist das denn? Man lernt, miteinander umzugehen. Das ist mit den beiden wie mit jedem Anderen auch. Mittlerweile sind wir ganz gut befreundet. Was sagen denn die männlichen Fans zu drei feschen DJanes? Habt ihr viele Groupies? Ich kriege davon nicht wirklich was mit. Ich bin auf der Bühne sehr beschäftigt und ziemlich wild [gestikuliert besonders stark], das ist meine Bühnen-Attitüde. Die anderen Beiden sind ein bisschen anders, ruhiger. Zu mir kommt nie jemand, um mir irgendwelchen Bullshit zu erzählen. Die Jungs respektieren mich. Und haben vielleicht ein bisschen Angst. Ich schätze es aber auch viel mehr, wenn mir jemand eine Mail schreibt und sagt, dass er mein Set gut fand. Ich finde es super, wenn jemand erkennt, dass ich mir viel Mühe gegeben habe und man mich für meine Arbeit lobt, nicht für meine schönen Augen. Was hast du als nächstes vor? Das Album mit Artwork war schon eine große Sache. Ich plane als nächstes, zu den einzelnen Tracks Comicstrips zu machen. Außerdem möchte ich ein Comicfiguren-Spiel, erstellen, bei dem Jeder seinen eigenen Charakter für die „Riot Group“ herstellen kann. Dazu soll es ein Computerspiel geben, bei dem Jeder mitspielen kann. Ich arbeite auch einer Lifeshow mit Scratching, Beatboxing und Mcing mit visueller Kunst. Alles große Projekte, die hoffentlich bis Januar fertig sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Vermisst du manchmal nicht deine Heimat? Also einen klar umrissenen Ort, in dem man Leute begegnet, die man mag und Plätze, die man kennt. Es ist so: Je mehr man sich bewegt, desto weniger hält man es an einem Ort aus. Ich hatte neulich zwei Tage frei und absolut nichts zu tun. Ich habe mich furchtbar gefühlt. Ich muss neue Leute treffen, neue Orte, neue Länder sehen! Ich brauche das wirklich. Mein Leben ist sonst einfach leer. Hast du einen Lieblingsort? Ich mag Berlin und Hongkong. Hongkong ist der Mittelpunkt der Welt, umgeben von China und Japan. Vor allem für meine visuelle Kunst ist das wohl der beste Ort. Aber auch Indonesien ist toll. In Jakarta habe ich die verrücktesten Künstler in meinem Leben gesehen. Das ist eine echte Künstlerstadt. Und die Leute sind so nett! Sie freuen sich so, wenn jemand aus Europa kommt und man einen Nachmittag zusammen malt. Das war wirklich eine großartige Erfahrung.

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