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"Die Studierenden fühlen sich beschissen"

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jetzt.de: Albrecht, am Montag entschied der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, dass Studiengebühren grundsätzlich rechtens sind. Unter anderem sagt das Gericht, dass das Recht auf Hochschulzulassung kein Recht auf ein kostenfreies Studium berge. Überzeugt dich die Argumentation? Albrecht: Nein, weil die Studiengebühren potentielle Studenten abschrecken, obwohl Deutschland angeblich auf viele Akademiker angewiesen ist. Du beziehst dich auf die Studie des Hochschulinformationssystems (HIS), nach der viele Kinder aus Nichtakademikerhaushalten wegen der Gebühren nicht studieren. Genau. Es gibt aber auch eine Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks aus dem Jahr 2007. Aus der kann man lesen, dass in Baden-Württemberg die Bruttostudierquote der Kinder aus Nichtakademikerhaushalten im Vergleich zu 2004 von 62 auf 50 Prozent gesunken ist. Das ist ein warnendes Signal! Zum Zeitpunkt der Erhebung war nämlich schon bekannt, dass Studiengebühren eingeführt werden. Welche Rolle hast du bei der Klage gespielt, über die nun am VGH in Mannheim entschieden wurde? Im u-asta der Uni Freiburg hatte sich der "AK Klage" gegründet. In dem waren unter anderen mehrere Juristen, die Musterklagen organisiert haben. Die wurden an allen vier Verwaltungsgerichten Baden-Württembergs eingereicht. Über die Revision zu diesen Klagen wurde nun am Montag vom VGH entschieden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Protest gegen die Gebühren in Freiburg: Albrecht am Mikrofon. Du studierst in Freiburg? Biologie im siebten Semester. Wie lange machst du den Job als "u-asta"-Vorstand schon? Seit einem halben Jahr und ein Jahr macht man es. Fulltime. Von neun bis neun Uhr. Woraus besteht gerade deine Arbeit? Eben hatten wir wieder einen konzentrierten Boykott an allen fünf Freiburger Hochschulen. An der Katholischen Hochschule wurde das Quorum erreicht – eine vorher verabredete Prozentzahl von Studenten hat die Gebühren nicht bezahlt. So entsteht ein Druckmittel gegenüber der Hochschulleitung und nun wird über die Gebühren verhandelt. Die Katholische Fachhochschule ist vermutlich eine sehr kleine Hochschule. Ja. Dort kann man auch in Ruhe mit den Leuten über die Studiengebühren reden und sie überzeugen. Nur mit Flyern wirkt das oft flach und das Problem wird nicht klar. Was versprichst du dir von den Verhandlungen an der Katholischen FH? Letztes Jahr hat die Evangelische FH die Gebühren boykottiert und nachher unter anderem zinslose Darlehen, 15 Prozent Befreiungen aufgrund sozialer Kriterien und die Einrichtung eines Härtefallausschusses erwirkt. Seit wann zahlst du selbst die Gebühr von 500 Euro je Semester? Seit dem Sommersemester 2007. Weißt du, wofür das Geld verwendet wird? Ich bin, seitdem es die Gebühren bei uns gibt, im sogenannten Zwölferrat, einem Beirat zur Verwendung der Studiengebühren. Ich sehe, was damit geschieht – das Geld wird nicht zur Verbesserung der Studiengebühren verwendet! Sondern? An den Fakultäten wurden zum Beispiel erst alle Exkursionen oder befristeten Lehraufträge abgeschafft und dieses Geld in die Forschung gesteckt. Jetzt gibt es wieder Exkursionen und Lehraufträge – bezahlt mit Studiengebühren. Das heißt, dass ein Teil der Gebühren über einen Umweg in die Forschung gegangen ist? Das war auch die Absicht: Der Forschung sollten laut Unileitung wieder Gelder gutgeschrieben werden, die man vorher an die Lehre geleitet hatte. Mit dem Geld werden aber auch Energiekosten bezahlt oder sie werden für die Einführung von Bachelor und Master benutzt, zum Beispiel, um Studiengangskoordinatoren zu finanzieren. Prüfungssekretärinnen für die Bachelor- und Masterprüfungen werden auch aus dem Geld bezahlt. Soll heissen, dass … … das Geld quasi frei in den Haushalt der Universität fließt. Du sagst , der Kampf gegen die Gebühren gehe weiter. Kennst du Ermüdungserscheinungen? Klar gibt es die zum Teil. Das ändert aber nichts, dass die Gebühren eine schreiende Ungerechtigkeit sind. Bei der Einführung dachten viele noch, dass es doch eine Verbesserung gibt. Jetzt fühlen sich die Studierenden beschissen, viele fühlen sich machtlos. Das eigentlich traurige ist ja, dass bundesweit 66 Prozent gegen Gebühren sind. Es müsste also kinderleicht sein, einen Boykott durchzubringen. Ich erinnere mich, dass der Versuch eines Boykotts hier in München ganz schlimm gescheitert ist. Woher kommt die Lethargie? Vielleicht ist es immer noch die schlechte Aufklärung. Aber auch unser Zeitgeist. Ich hab’ neulich mit einem Freund darüber diskutiert: 1968 war es cool, gegen alles zu sein. Jetzt ist es cool, Mainstream zu sein. Hauptsache gute Noten. Ohne Fehler durch alles durch. Und die Hochschulreform tut ihr übriges, um das Engagement zu bändigen, nehme ich an. Ja. Wir haben mittlerweile Probleme, mehrere Gremien hier an der Uni zu besetzen. Wenn ich Bachelorstudent bin und um neun Uhr in die Hochschul-Schule gehe, habe ich abends keine Lust, in ein Gremium zu gehen. Wir drei u-asta-Vorstände sind alle keine Bachelorstudenten. Wird es so schwierig bleiben, engagierte Leute zu finden? Ich kann es nicht sagen. Nochmal zum Urteil: Hat es dich überrascht? Da haben wir uns drauf eingestellt. Das Gericht hat nur gesagt, dass es das Gebührengesetz nicht für verfassungswidrig hält. Es hat aber nicht gesagt, dass es komplett verfassungsgemäß ist. Ihr geht also in Revision? Wahrscheinlich. Wir warten noch die schriftliche Urteilsbegründung ab. Die Revisionsverhandlung wäre dann in Leipzig. Vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Text: peter-wagner - Foto: privat

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