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Die USA treten dem Kyoto-Protokoll bei: Interview zur G8-Gipfel-Simulation

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Christian Beilborn, 21, studiert Wirtschaftswissenschaften an der HU Berlin. Er war der Wirtschaftsminister auf dem "G8-Youth-Summit" im April. Christian, du warst im April im Rahmen des "G8-Youth-Summit" mit sieben anderen deutschen Vertretern in St. Petersburg. Wie war es, Deutschland zu vertreten? Einerseits hatten wir große Erwartungen an den Gipfel. Wir wussten ja bereits, welche große Unterstützung dieses Projekt hatte: Putin selbst war der Schirmherr, die Simulation fand im Staatspalast statt. Andererseits hatten wir aber keine Ahnung, wie wir uns vorbereiten sollten: Wir haben bis zu unserer Abreise kaum Infos gekriegt, was von uns erwartet wird. Die Erfahrungen, die wir dann vor Ort machten, waren aber großartig. Alle Teilnehmer waren zwischen 21 und 27 Jahre alt, die meisten studieren an Elite-Unis, waren aber trotzdem völlig bodenständig und sympathisch. Wir wohnten in dem Luxushotel, in dem schon Helmut Kohl bei Staatsbesuchen wohnte. Unser Tag sah so aus: Nach dem Frühstück setzten sich die jeweiligen Fachminister in Konferenzräumen zusammen. Dort erläuterte jeder die Position seines Landes, dann wurde nach Gemeinsamkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Abends wurde uns ein volles Kulturprogramm geboten. Wir gingen ins Theater, besuchten die russische Staatsbank und besichtigten Museen. Am nächsten Tag wurde weiter debattiert. Nach der großen Abschlusskonferenz im Staatspalast malte jede Länderdelegation ein Ölgemälde. Das werden die echten Regierungsvertreter auf dem G8-Gipfel auch machen. Unsere Bilder werden Ende Juli zusammen mit denen der echten Politiker in der St. Petersburger Eremitage, dem zweitgrößten Kunstmuseum Europas, ausgestellt. Die Teilnehmer sollten die realen Standpunkte ihrer Nationen vertreten. Gab es auch Spielraum, seine eigene Meinung in die Debatten einzubringen? Das Ganze war zwar eine Simulation, aber die Abgeordneten haben sehr eigenständig diskutiert. Natürlich kannten alle Delegationen die genaue Position ihrer Regierung. Trotzdem sahen aber viele die Dinge anders als die echten Abgeordneten: Zum Beispiel stimmten die USA dem Kyoto-Protokoll zu. Der Verhandlungsspielraum war nicht so eng wie auf dem echten Kongress. Beim G8-Gipfel werden ja Streitpunkte, bei denen im Vorhinein feststeht, dass sich die Positionen nicht ändern werden, wie eben beispielsweise die Kyoto-Debatte, gar nicht erst diskutiert. Man musste sich als Team bewerben. Wie kamt ihr zusammen, ihr studiert doch in verschiedenen Städten? Das stimmt, wir studieren an der FU Berlin, an der HU Berlin und an der TU Dresden. Die meisten von uns kannten sich aber schon davor von der Arbeit für die Jugendpresse Deutschland. Max Kall, der Außenminister, studiert internationale Beziehungen in Dresden. Deshalb bekam er die Einladung, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Er hat dann einige Freunde von der Jugendpresse gefragt, ob sie Lust hätten, mitzumachen und so kamen wir zusammen. Wie habt ihr euch beworben? Jeder Abgeordnete musste einen Text für sein Ressort verfassen. Ich habe zum Beispiel über Energiesicherheit geschrieben. Wir haben uns dann ein paar Mal alle zusammen getroffen und unsere Positionen abgesprochen. Denn obwohl jeder seinen Text selbst schrieb, mussten wir uns auf eine politische Linie einigen. Die fertigen Texte haben wir schließlich in Form einer gebundenen Broschüre eingereicht, mit Vorwort. Das hat anscheinend einen guten Eindruck bei der Jury gemacht. Hattet ihr vor oder nach dem "G8-Youth-Summit" Kontakt mit deutschen Politikern? Wir haben vor dem Gipfel unsere Broschüre an die Ministerien geschickt. Daraufhin wurden wir vom Bürochef des Innenministeriums eingeladen. Das war ein ganz lockeres Treffen ohne irgendeine Beeinflussung. Der Bürochef war neugierig, wie wir uns auf den Kongress in St. Petersburg vorbereiteten - den mangelnden Informationsfluss seitens der russischen Gastgeber kannte er schon aus eigener Erfahrung. Die anderen Ministerien haben gar nicht reagiert, mit Ausnahme des Finanzministeriums: Das schickte uns nur einen Flyer zum Thema G8. In Russland war das anders: Da hat sich nach dem Gipfel sogar der Energie-Staatssekretär mit den jungen Abgeordneten getroffen. Nächstes Jahr wird Deutschland den G8-Gipfel ausrichten. Was sind eure Pläne dafür? Wir planen bereits den "Youth-Summit" im Rahmen des Gipfels, der in Heiligendamm stattfinden wird. Um die Simulation dann noch realistischer zu machen, wollen wir neben den 64 Abgeordneten auch eine EU-Delegation, eine Weltbank-Delegation und eine UNO-Delegation einladen. Für die können sich Jugendliche unabhängig von ihrem Land bewerben. Momentan sind wir auf der Suche nach Sponsoren, die uns bei den Kosten für die knapp 100 Flugtickets unterstützen. 2008 ist dann Japan das Gastgeberland. Unsere Delegation wurde von der japanischen Regierung eingeladen, an einer Konferenz in Tokio teilzunehmen, um dort junge Ideen in die Planung mit einfließen zu lassen. Deshalb werden wir im November nach Japan reisen. Wie können sich politisch engagierte Jugendliche für den nächsten Jugendgipfel bewerben? Jeder Bewerber wird einen Text zu seinem Ressort verfassen müssen, also zum Beispiel Bildung, und darin er seine Ideen und Vorschläge begründen. Die sollten einen realistischen Bezug haben, aber neue Ansätze bieten. Außerdem muss noch ein Schreiben verfasst werden, in dem der Bewerber seine Motivation erläutert, an dem "Youth-Summit" teilzunehmen. Momentan ist aber noch nicht klar, wann das Bewerbungsverfahren anlaufen wird. Was sind eure langfristigen Ziele für den G8-Gipfel? Wir möchten den G8-Gipfel, der ja von vielen Seiten scharf kritisiert wird, transparenter machen. Junge Leute müssen die Möglichkeit haben, von den Politikern gehört zu werden. Das wollen wir erreichen, indem wir den Politikern Vorschläge unterbreiten, die nicht „gut gemeint, aber unfinanzierbar“ sind, sondern realisierbar und seriös durchdacht. Nur so kann die Jugend Einfluss darauf haben, welche politischen Entscheidungen gefällt werden. Und mit ihren Vorschlägen vielleicht sogar Probleme lösen, die die Abgeordneten selbst nicht lösen können. Foto: privat

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