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„Die Zigarre ist ein Mini-Lagerfeuer“

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jetzt.de: Was entgeht mir, wenn ich keine Zigarre rauche? Matthias Keidtel:Wer eine rauchen will, wird erfahren, dass die Intensität des Lebens deutlich erhöht wird. Im Gegensatz zur Zigarette, die hauptsächlich aus Chemie besteht und süchtig macht, ist die Zigarre ein Naturprodukt. Sie wurde von Menschen hergestellt, die in jahrelanger Arbeit die Kunst des Zigarrenrollens mühsam erlernt haben. Es sind eigentlich Kunstwerke, fast zu schade, um sie rauchen.Außerdem hat die Zigarre ein kontemplatives Moment. Man wirft allen Stress ab, kann sich hinsetzen, eine anzünden und dabei allein vor sich hindenken oder mit anderen reden. Wenn man mit anderen zusammen raucht, wird das Gespräch intensiviert. Man hat was Qualmendes in der Hand, eine Art Lagerfeuer, an dem man sich wärmen und Geschichten erzählen kann. Die Zigarre als Mini-Lagerfeuer, das ist angenehm, zumal jetzt, im Winter Gibt es so etwas wie eine Einstiegszigarre? Damit die Geschmacksnerven nicht gleich überfordert werden, sollte man vielleicht ein kleines Format wählen, eine kleine Corona, ob kubanisch oder dominikanisch ist völlig egal.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eigentlich ist die Zigarre doch nur was für gesetztere ältere Herren, sprich: für unsere Opas. Auf keinen Fall. Denn die Opas haben ja meistens diese miesen, stinkenden Stumpen geraucht. Die meisten von ihnen haben den Wert der Zigarre doch gar nicht begriffen, die könnten auch Zigaretten rauchen. Die Zigarre ist genauso modern oder altmodisch wie ein gutes Glas Wein oder ein intensives Gespräch. Ist die Zigarre ein Männerding? Nein, nicht mehr. Ich sehe seit ein paar Jahren immer häufiger Frauen, die Zigarre rauchen. Früher war das anders, aber auch nur hier in Europa. In Kuba und anderen karibischen Ländern rauchen sehr viele Frauen Zigarre. Wenn ich in der Öffentlichkeit Zigarrenraucher sehe, dann handelt es sich meist entweder um Vollprolls oder um Neureiche, die teure Zigarren als Statussymbole zeigen wollen. Nein, mir ist es erstmal egal, was andere von mir denken. Es geht eben nicht darum, mir mit der Zigarre ein gewisses Image zu verschaffen. Entscheidend ist die Einstellung, und meine Einstellung zur Zigarre ist geprägt vom geschmacklichen Erlebnis, vom Genuss. Zigarren erhöhen die Sensibilität für Geschmack, für Kultur. Dieser ganze Yuppie-Zigarren-Boom ist ja auch längst wieder vorbei. Das war in den Neunzigern so, in der Dotcom-Ära, das hatte damals vielleicht auch was mit Gerhard Schröder zu tun, der sich anfangs oft mit einer Zigarre gezeigt hat. Der reinste Etikettenraucher. Die meisten der Leute, die heute noch Zigarre rauchen, rauchen zu ihrem eigenen Vergnügen. Wie alt waren Sie, als Sie Ihre erste Zigarre geraucht haben? Ich habe mit Zigaretten angefangen und bin über Zigarillos zu Zigarren gekommen. Meine erste Zigarre? Das dürfte so mit 26, 27 gewesen sein. Und dabei bin ich dann geblieben, ich rauche nichts anderes mehr. Auf wie viele Zigarren kommen Sie pro Tag? Zwischen drei und vier. Ich rauche etwa anderthalb Stunden an einer Zigarre. Beim Schreiben habe ich meine Arbeitszigarre, Tabak regt ja ganz wunderbar die Nerven an und beruhigt gleichzeitig. Wenn der Rauch aufsteigt, sich weiße Ringe bilden und der ganze Raum würzig duftet, kann ich mich gut auf den Text konzentrieren. Es hat auch was Rituelles. Sie reden von Duft, andere sprechen von Belästigung. Ich rauche nur dort, wo es niemanden stört. Da hat man es als Zigarrenraucher gegenüber Zigarettenrauchern leichter, Zigarren machen nicht süchtig. Trotzdem befürchte ich, dass die Räume für Raucher enger werden. Die aktuelle Anti-Raucher-Kampagne hat ja fast schon amerikanische Züge, dort werden Raucher behandelt, als würden sie öffentlich die Hose runterlassen. Ich bin doch kein Exhibitionist!

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