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Ein Album wie ein Ausrufezeichen: "TV On The Radio" sind zurück

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Einer von Deinen Bandkollegen hat vor kurzem einen schönen Satz gesagt. Demnach war Euer erstes Album „Desperate Youth, Blood Thirsty Babes“ ein Fragezeichen, während Euer neues Album „Return To Cookie Mountain“ ein Ausrufezeichen ist. Kannst Du mir diesen Satz erklären? Nun, unsere letzte Platte war in gewisser Weise ein Experiment. Bei vielen Songs wussten wir vorher nicht so genau, in welche Richtung sie sich entwickeln würden. Sie sind letzten Endes einfach so passiert. Ich mag sie und bin stolz auf die Platte, aber sie fühlt sich irgendwie unvollständig an, so als ob wir fünf noch auf der Suche nach unserer Dynamik wären. Bei der neuen Platte ist das anders, weil wir als Band einfach länger zusammen sind, auf Tour oder im Studio.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Waren denn die Aufnahmen dieses Mal dann vielleicht weniger aufregend, weil Ihr Euch viel besser kanntet? Ich finde es aufregender, wenn man sich besser kennt und wohler fühlt. Anstatt ängstlich oder nervös zu sein, kann man jede Idee laut aussprechen, ohne dass es Konflikte gibt, und die Idee leichter zusammen weiterentwickeln, weil es ein Gefühl von Kameradschaft oder sogar Verwandtschaft in der Band gibt. Wenn man Leute nicht so gut kennt, dauert es eine gewisse Zeit, bis solch eine Beziehung entsteht. Ihr habt einige Gäste auf Eurem neuen Album. Der prominenteste ist David Bowie. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? David Sitek, unser Gitarrist, hat ihn vor einigen Jahren mal kennen gelernt. Sie haben viel über Musik gesprochen und sind irgendwie Freunde geworden. Als wir Demos für diese Platte aufgenommen haben, hat David sie an David Bowie weitergegeben. Er hat sie angehört und war anschließend interessiert daran, beim Song „Province“ mitzusingen. Wir haben ihn dann mit ins Studio genommen. Das klingt ja alles sehr einfach. Seltsamerweise schon. Auf der anderen Seite war es natürlich ein Ereignis für mich. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals mit diesem Typen arbeiten würde. Ich liebe schließlich den Großteil seines Werks. Aber letzten Endes ist er einfach ein Musiker. Im Studio war er so was wie ein weiteres Instrument. Er hat sich auch nie anders benommen. Er wollte lediglich Teil dieses Songs sein. Ich denke, er hat das gut gemacht. Wir hätten ihm natürlich auch eine Art Soloauftritt geben und das dann mit einem großen Rotstift auf die CD schreiben können, nach dem Motto: schaut mal, wer mit dabei ist. Aber das wäre ziemlich peinlich gewesen. Und er hätte das wohl auch nicht gewollt. Ihr habt nach den Verwüstungen durch den Hurrikan Katrina einen Song namens „Dry Drunk Emperor“ geschrieben und auf Eurer Website veröffentlicht. Das war ein sehr wütender, politischer Song. Was hast Du generell für ein Verhältnis zu Protestsongs? Im Allgemeinen finde ich es schwierig, Protestsongs zu schreiben, weil sie leicht plump oder pathetisch wirken. Wenn ich über Dinge spreche, die mich betroffen machen, versuche ich das nicht mit dem Holzhammer zu tun. Ich glaube nämlich nicht, dass Plattenkäufer notwendigerweise daran interessiert sind, sich Predigten anzuhören. Wenn du deine Botschaft verschlüsselst, so dass sich ihre Bedeutung den Leuten erst nach mehrmaligem Hören und Mitsingen offenbart, ist das wahrscheinlich viel effektiver, was die Bewusstseinskontrolle angeht. In der Werbung wird das ja auch so gemacht. Aber bei diesem speziellen Song wollte ich nicht subtil sein oder zwischen den Zeilen schreiben, weil momentan einfach Dinge in der Welt passieren, die danach schreien, dass die Leute wütend darüber sind und sich nicht für ihre Betroffenheit schämen. Wir haben „Dry Drunk Emperor“ nach dem Hurrikan an der Golfküste veröffentlicht, aber eigentlich handelt er vor allem vom Krieg im Irak. Man kann menschliches Leid nicht quantifizieren und abwägen, wie viele Menschen im Irak gestorben sind und wie viele in New Orleans. Sowohl der Krieg als auch die Hurrikan-Katastrophe sind auf unterschiedliche Weise grotesk und empörend. Bei beiden Ereignissen spielen Gier und Arroganz eine große Rolle. Gibt es denn ähnlich direkte Texte auf Eurem neuen Album? Nein. All diese Themen tauchen natürlich auch in den Geschichten auf, die wir auf dem Album erzählen. Aber keiner der Songs behandelt speziell und pointiert eins dieser Themen. Reden wir mal über das Rassenthema. Ich habe in der britischen Zeitung „The Observer“ einen Satz über Euch gelesen. Demnach sollt Ihr aussehen wie eine „nerdy hip hop crew“, ganz so als ob schwarze Musiker generell irgendwas mit Rap zu tun haben müssen. Was hältst Du von so einer Beschreibung? Ich habe keine Kontrolle darüber, wie Menschen andere Menschen sehen. Das Thema Rasse bekommt manchen Leuten anscheinend nicht. Letztes Endes würden ja dann auch die Temptations aussehen wie eine nerdige Hiphop-Crew. Und Bob Marley würde aussehen wie ein verrückter und nerdiger MC. Und ebenso Nina Simone, Charles Mingus, Jimi Hendrix, Chuck Berry, Saul Williams, Cameo, ... Ihr kommt ebenso wie die Liars, die Yeah Yeah Yeahs oder Animal Collective aus der Musiker-Szene von Williamsburg im New Yorker Stadtteil Brooklyn. Fühlt Ihr Euch denn auch als Teil einer bestimmten Szene? Das ist schwer zu sagen. Wie man New York von außen wahrnimmt, unterscheidet sich sehr von der Binnenwahrnehmung. Ich denke nicht, dass wir Teil einer Szene sind, eher schon Teil einer Community von kreativen Leuten. Es gibt viele Bands und Künstler in New York, deren Werk wir lieben und mit denen wir zusammenarbeiten oder Konzerte spielen. Aber jedes Mal, wenn du in der Presse von einer Szene aus einer bestimmten Stadt liest, bekommst du nie ein repräsentatives Bild von dem vermittelt, was wirklich abgeht. Oft ist doch nur entscheidend, wer den besten Publizisten kennt. Ich möchte über keine der genannten Bands schlecht reden. Animal Collective zum Beispiel sind eine fantastische Band. Aber es gibt noch so viel mehr. Einen Block von unserem Studio entfernt liegt zum Beispiel eine Bar namens „Zebulon“, in der jeden Abend Musiker aus der ganzen Welt spielen. Oder die „Glasshouse Gallery“, da treten jeden Abend Singer-Songwriter auf. In New York City gibt es unzählige Familien, die alle ihr Ding machen und von Zeit zu Zeit miteinander verschmelzen. The Good Good, Grizzly Bear, Diane Cluck, es gibt unzählige Leute, die tolles Zeug machen. Ich glaube, es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, an dem sich so viele Musiker zusammenrotten. Foto: Neil Gavin

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