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Erdbeben in Indonesien: Kirk ist vor Ort und hilft mit SurfAid International

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Kirk Willcox in einer Kirche im Dorf Parabatu auf der Insel Pagai Selatan. Das Bild stammt von einer Reise im Frühjahr, auf der SurfAid Moskitonetze zur Malariaprävention verteilte. Jetzt steht die Kirche nicht mehr. Die Region ist eine der am stärksten vom Erdbeben zerstörten. (Foto: Bob Barker Hi Kirk. Wo warst du zur Zeit des Erdbebens? Ich lebe in Padang, der Hauptstadt von West-Sumatra, einer Stadt mit ca. einer Million Einwohnern. Wir befinden uns hier in einer Gefahrenzone für Erdbeben und Tsunamis. Die australisch-pazifische und die eurasische Kontinentalplatte reiben hier gegeneinander. Man nennt das auch den „Ring of Fire“. Du warst also gewissermaßen auf das Erdbeben vorbereitet? Es war mein erstes Beben, ich lebe hier erst seit Anfang des Jahres. Ich habe mich natürlich gedanklich schon damit befasst. Erst vor sechs Wochen fand hier in Padang ein internationales Symposium statt. Dort wurde vorausgesagt, dass ein starkes Erdbeben überfällig ist, weil sich ein sehr starker Druck aufgebaut hat. Außerdem wusste ich ungefähr, was bei so einer Naturkatastrophe auf einen zukommt, weil ich mit SurfAid direkt nach dem großen Beben und dem Tsunami vor zwei Jahren in Aceh war. Was mich ein bisschen nachdenklich stimmt, ist, dass die Experten jetzt sagen, die beiden Beben von letzter Woche wären noch nicht das erwartete starke gewesen. Das kommt wohl erst noch. Was hast du gerade getan, als das Erdbeben losging? Ich war mit sechs unserer indonesischen Mitarbeiter in meinem Haus, das wir zum Teil auch als Büro benutzen. Ich schrieb gerade an einem lange Zeit überfälligen Bericht für einen unserer Geldgeber. Ich war voll darauf konzentriert und kapierte deswegen gar nicht, dass ich mich in einer gefährlichen Situation befand. Ich tippte erstmal einfach weiter. Als ich dann merkte, was los ist, schrieb ich einem Freund auf Skype: „Erdbeben!“ Eigentlich kann ich ziemlich fehlerfrei tippen, aber inzwischen wackelte mein Schreibtisch so stark, dass auf dem Bildschirm nur wirres Zeug erschien. Dann bin ich ziemlich schnell nach draußen gerannt. Wie sah es dort aus? Überall waren Leute. Natürlich hatten alle Angst und kamen aus ihren Häusern gerannt. Der Funkmast hinter unserem Haus wackelte wie verrückt, die Häuser bekamen Risse. Was dachtest du in diesem Moment? Eigentlich ziemlich komische Sachen. Die Art, wie die Autos am Straßenrand wackelten, erinnerte mich zum Beispiel an Nächte, in denen man ein paar Bier zuviel getrunken hat und mit Freunden von beiden Seiten an einem Auto rüttelt, in dem jemand sitzt. Am klarsten ist mir aber die Straße in Erinnerung. Sie bog und wand sich von einer Seite auf die andere und von oben nach unten. Wie eine Schlange, die sich angegriffen fühlt. Und ich erinnere mich daran, dass ich in dem Moment dachte: „Wow, diese Straße ist echt verdammt flexibel. Sie biegt und windet sich, anstatt zu bersten und zu brechen.“ Wie lang hat das ganze gedauert? Ich bin mir nicht sicher, eine halbe Minute vielleicht. Aber es fühlt sich wesentlich länger an, und die Sinne sind extrem geschärft. Das zweite Beben war glaube ich etwas länger. Das war gleich am nächsten Tag, oder? Ja, ich war gerade am Telefon und erzählte einem Kollegen in unserem Büro auf Bali, was ich gerade dir erzählt habe. Dann schrie ich ins Telefon „Erdbeben, Erdbeben!“ Er dachte, ich mache wie so oft einen makabren Witz. Das Beben war nicht so stark, aber das Epizentrum war näher bei uns. Diesmal sprang die regelrecht Straße auf und ab. Welche Region ist denn am stärksten betroffen? Die Mentawai-Inseln vor Sumatra haben es ziemlich abbekommen. Die sind auch unser Haupteinsatzgebiet. Wieso ausgerechnet diese Inseln? Die Inseln sind bei Surfern ein sehr beliebtes Reiseziel. Es gibt hier die wahrscheinlich perfektesten Wellen auf diesem Planeten, es ist wunderschön und die Menschen hier sind wirklich außergewöhnlich freundlich. Sie schenken einem immer ein Lächeln, selbst nach so einer Katastrophe. SurfAid fand seinen Anfang vor sieben Jahren, als Dr. Dave Jenkins, ein Arzt aus Neuseeland, einen Surftrip auf die Mentawais unternahm. Er kam in ein Dorf und sah die Hygiene-Bedingungen und den unglaublich schlechten Gesundheitszustand der Leute. Was ihn am meisten traf, war die Tatsache, dass es sich ausschließlich um Krankheiten handelte, denen man vorbeugen kann. Er entschloss sich, SurfAid International zu gründen, und bat Surffirmen – mit Erfolg – nach finanzieller und personeller Unterstützung. Eigentlich konzentriert ihr euch also hauptsächlich auf medizinische Versorgung und Krankheitsprävention? Ja. Wir haben sechs verschiedene Programme. Grundsätzlich ist unser Ziel, den Leuten hier Hygienegrundlagen näherzubringen und ihnen verständlich zu machen, wie man Krankheiten vorbeugen kann. Ernährung ist auch ein wichtiges Thema, worin wir die Leute aufklären. Vor allem viele Kleinkinder leiden aufgrund falscher Ernährung unter Anämie und erreichen ihr fünftes Lebensjahr nicht. Wenn sie dieses Alter erreicht haben, überleben die meisten. Natürlich versuchen wir auch, die medizinische Versorgung zu verbessern, aber mit diesen „erzieherischen“ Programmen packt man die Probleme bei ihren Wurzeln. Auf der nächsten Seite berichtet Kirk von der derzeitigen Situation in den betroffenen Dörfern und wie SurfAid dort hilft.


Wie helft ihr den Erdbebenopfern? Zunächst mal haben wir ein Programm, das sich „E-Prep“ nennt – „Emergency Preparedness“. Finanziert wird es von der australischen Regierung. Wir gehen in die Dörfer und bringen den Leuten genau bei, wie sie sich im Falle eines Erdbebens oder Tsunamis zu verhalten haben. Das hat letzte Woche viele Leben gerettet, weil die Leute sich an Evakuierungsrouten hielten. Schulklassen wussten, wohin sie zu gehen hatten, wie sie sich zu verhalten hatten, welche Orte sie zu meiden hatten und welche sie gezielt aufsuchen sollten. Wir unterscheiden hier in grüne und rote Zonen, das versteht jedes Kind. Direkt nach dem Erdbeben ging es erstmal darum, wieder Kommunikationswege aufzubauen. Auf den vier Inseln leben 70.000 Leute, zum Teil sehr abgeschieden und ohne irgendwelchen Anschluss an die Außenwelt. Unsere Leute haben sich also von Dorf zu Dorf vorgearbeitet, um die Lage überhaupt einschätzen zu können und um in Erfahrung zu bringen, was die Leute überhaupt brauchen. Es ist ein bisschen wie bei einer Militäroperation. Man plagt sich sehr viel mit logistischen Problemen herum.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Manche Dörfer sind fast komplett zerstört worden Wie schlimm sind die Schäden? Glücklicherweise gab es angesichts der Stärke des Bebens relativ wenig Verletzte, und wir wissen nur von einem Toten. Aber die Sachschäden sind immens. Gestern Abend waren wir in einem 2500-Einwohner-Dorf auf der südlichsten der Mentawai-Inseln. Da ist so ziemlich alles kaputt, weil es dort auch eine eineinhalb Meter hohe Tsunami-Welle gab. Die große Gefahr sind jetzt Epidemien und Krankheiten wie Malaria. Die hygienischen Bedingungen sind noch schlechter als sonst, und niemand schläft mehr unter Moskitonetzen, weil alles zerstört ist.. Deshalb versuchen wir zunächst, eine einfache medizinische Versorgung sicherzustellen, sauberes Wasser zu verteilen und so weiter – lauter grundlegende Dinge. Wie bewegt ihr euch überhaupt von A nach B? Die Infrastruktur ist ja dort ohnehin nicht die beste… Ja, es ist wirklich sehr schwierig, insbesondere weil jetzt die Monsunsaison begonnen hat. Es hat die ganze Zeit geregnet. Das macht es natürlich auch doppelt hart für diejenigen, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, und jetzt unter Bananenblättern und ein bisschen Plastik Schutz suchen müssen. Wir bewegen uns eigentlich ausschließlich per Boot. Du brauchst ein großes „Mutterschiff“ und viele kleine Boote, um an Land zu gehen. Das wird sich in den nächsten Tagen noch schwieriger und gefährlicher gestalten, weil ziemlich hohe Wellen vorhergesagt sind.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Eine notdürftige Unterkunft. Apropos Wellen: Kommst du überhaupt noch zum Surfen? In den fünf Monaten, die ich jetzt schon hier bin, war ich sechsmal im Wasser. Also definitiv weniger als zu meiner Zeit in Australien. Im Moment bin ich aber gar nicht so unglücklich darüber, dass ich mein Büro in Padang habe. Unser Büro auf den Inseln wurde nämlich komplett weggewaschen und die Leute mussten in die Hügel flüchten. Wie sieht es mit den finanziellen Mitteln für eure Nothilfe aus? Allein die nötigen Boote und die Mittel dafür aufzutreiben, war eine Menge Arbeit. So eine Operation frisst viel Geld. Für die nächsten drei Monate werden wir eine Million US-Dollar brauchen. Wir haben schon jetzt Kredite aufgenommen, weil wir mit der Hilfe nicht warten können, bis das Geld erstmal da ist. Aber wir sprechen mit Firmen, wohlhabenden Einzelpersonen und natürlich Regierungen. Das Problem ist, dass die meisten die Mentawais und die Probleme dort überhaupt nicht auf ihrem Schirm haben. Sie werden nicht umsonst die „vergessenen Inseln“ genannt. Wir sind die einzige Hilfsorganisation, die auf diesen abgeschiedenen und unwegsamen Inseln regelmäßig vertreten ist. Deswegen können wir jetzt den großen Organisationen wie der UNICEF und dem indonesischen Roten Kreuz unsere Kenntnisse anbieten. Wir kennen die Bootswege, haben die GPS-Koordinaten der Dörfer und Statistiken, wie viele Leute dort leben. Sprichst du eigentlich Indonesisch? Ein bisschen. Aber wir haben auch viele einheimische Mitarbeiter mit ganz guten Englischkenntnissen. Auf den Mentawais haben wir auch Leute, die den dortigen Dialekt sprechen und für uns übersetzen. Das ist wichtig, weil es hier eine Menge Dialekte gibt und die Einheimischen sich untereinander teilweise nicht verstehen. Wie bist Du zu SurfAid gekommen? Ich habe für die Surffirma Quiksilver gearbeitet. Nach dem großen Tsunami haben wir gesehen, dass Nias – wie die Mentawais ein sehr abgeschiedener völlig unbekannter Ort, der aber jedem Surfer ein Begriff ist – fast keine Hilfe bekam. Wir setzten uns dann mit den Bootsvermietungen in Verbindungen, die sonst für Surfer Trips in der Gegend anbieten und die wir auch für Filmprojekte mit unseren Profis einsetzen. Ich war in einer sechswöchigen Kooperation mit SurfAid dort unterwegs. Was ich in dieser Zeit an Leid und Zerstörung zu sehen bekam, gab mir sehr zu denken. Und als ich dann meinen Job bei Quiksilver im Zuge einer internationalen Umstrukturierung der Firma verlor, schaffte SurfAid diese Stelle in Sumatra für mich. Sind eigentlich all eure Mitarbeiter Surfer? Nein, bei weitem nicht. Die meisten Spenden bekommen wir zum Beispiel von einem Bootsbesitzer, der mit Surfen eigentlich überhaupt nichts am Hut hat. Es kommen immer mehr Leute, die sehen, was wir tun, und die sich unserer Sache anschließen. Wir sind keine große Organisation, aber wir sind sehr entschlossen und haben einen guten Zusammenhalt in unserer Truppe. Auf den nächsten Seiten findest du weitere Fotos von der Erdbebenregion auf den Mentawai-Inseln.


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

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Illustration: Julia Schubert

Fotos: Jason Brown, SurfAid International

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