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„Es geht mich nichts an, wie und wo sich jemand unsere Musik besorgt“

Foto: Steve Marcus / Reuters

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Das Hotel Sunset Marquis liegt im Westen Hollywoods und besteht aus lauter kleinen Bungalows. In einem davon sitzt Chester Bennington, der 34 Jahre alte Sänger von Linkin Park, und gibt Auskunft zu „A Thousand Suns“, dem neuen Album seiner Band. Linkin Park gehören mit ihrem hymnisch-heftigen Mix aus Rap und harten Gitarren zu den erfolgreichsten Rockbands der letzten Jahre. Die neue Platte verstört deshalb zunächst. Deutlich weicher und introvertierter wirkt der überwiegende Teil der sechs Songs, die man vor Ort anhören kann, die Gitarren sind fast ganz raus und auch gerappt wird nur wenig. Stattdessen erinnern die symphonisch und elektronisch gehaltenen Songs an eine Mischung aus Depeche Mode und Nine Inch Nails mit, ja, einem Hauch Elton John. Was die Band sich dabei gedacht hat, erklärt Bennington im Gespräch.

jetzt: Chester, „A Thousand Suns“ hört sich nicht so an, wie man das erwarten konnte.

Chester Bennington: Wir haben uns bei dieser Platte sehr bewusst dazu entschlossen, etwas zu schaffen, das für uns anders ist und sich trotzdem noch anfühlt wie Linkin Park. Etwas, das eine Herausforderung für uns war, das unsere Kreativität herauskitzelt und das sich anfühlt, wie ein komplettes Album.

Siehst du das Konzept der neuen Platte auch als eine Gegenreaktion zum Trend, dass Alben immer unwichtiger werden und es den Leuten sowieso nur noch um einzelne Songs geht, die sie runterladen?

Wir haben über alle möglichen Arten nachgedacht, wie wir unsere Musik veröffentlichen könnten. Es kam uns durchaus der Gedanke, jedes Lied einzeln rauszubringen oder in kleineren Dosierungen nach und nach. Ich möchte niemandem vorschreiben, wie und wo er sich seine Musik besorgt und wie er sie hört. Das geht mich nichts an. Aber was wir wollten, war ein Album, das so aufregend ist, dass du es freiwillig und gerne komplett anhörst.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie siehst du „A Thousand Suns“ stilistisch, verglichen mit eurem bisherigen Schaffen?

Wir haben einen Weg gefunden, aggressiv zu klingen, ohne harte Gitarren zu benutzen. Die Gitarrenarbeit auf diesem Album ist eher subtil, sie steht nicht im Vordergrund. Die Beats sind komplexer, auch mein Gesang ist vielschichtiger. Musik und Text sind vor allem sehr bildhaft. Wir wollten, dass die Leute eine multiplen Gefühlsorgasmus bekommen, wenn sie dieses Album hören.

Zum Beispiel beim Song „Hold on“ mit seinem hymnischen Piano-Intro.

Yeah, das ist ein sehr cinematisches Lied, das dein Gehirn vor lauter Klangeindrücken fast verrückt werden lässt. Wir sind ja sehr bekannt für Texte, die sich immer wieder um unseren, um meinen Kampf mit sich selbst gedreht haben – sei es meine frühere Drogensucht, die Probleme, die ich mit meiner Familie oder in meinen Liebesbeziehungen hatte oder auch die Unklarheit, die ich immer wieder mich selbst betreffend spürte, diese Unsicherheit. Auf dieser Platte machen wir das etwas anders. Wir haben quasi das Fenster zur Welt geöffnet und kombinieren das Außen mit dem Innen.

„Je böser die Welt wird, desto wichtiger sind Werte wie Liebe und Glück“

Vielen Menschen geht es so: Je verrückter die Außenwelt erscheint, desto mehr Mühe geben sie sich, eine eigene kleine, heile Welt aufzubauen und zu erhalten. Trifft das auch auf dich zu?

Definitiv. Ja, ich glaube an die Balance zwischen Gut und Böse, zwischen Yin und Yang. Solche ausgleichenden Kräfte sind notwendig, um das ganze Universum am Laufen zu halten. Aber was uns als Menschen angeht, hast du Recht: Je böser die Welt wird, desto wichtiger sind Werte wie Liebe und Glück.

Also alles gut zu Hause mit Frau und Kindern?

Oh ja, das Leben ist wundervoll. Mein Ältester ist 14, sein Bruder gerade 13 geworden, die anderen beiden sind 8 und 4 Jahre alt.

Mögen die Jungs Linkin Park? 

Die Kleinen hören alles gerne. Der Älteste hat sich selbst beeigebracht, wie man Klavier spielt und wie man Noten liest, das war ziemlich beeindruckend. In den letzten sieben Monaten hat der die Musik entdeckt. Auch der Achtjährige will jetzt Gitarre lernen. Der kam neulich und meinte „Daddy, ich habe meinen ersten Song geschrieben.“ Er sang mir dann die Melodie mit Text vor, alles von ihm. Das war eines dieser Ereignisse im Leben, die einem klar machen, dass man das Leben einfach lieben muss. Weil es magisch ist.

„Streits versuchen wir zu vermeiden“

In Linkin Park seid ihr sechs meinungsstarke Charaktere. Gibt es ständig Diskussionen oder gar Streitigkeiten über eure musikalische Ausrichtung?

Streits versuchen wir zu vermeiden. Gerade am Anfang bei einer neuen Platte gibt es natürlich endlose Besprechungen und Überlegungen. Sobald du Kunst machst, für die du nicht komplett alleine verantwortlich bist, wenn du also kein Buch schreibst oder kein Bild malst, dann musst du dich darüber austauschen, was du machen, was du erreichen willst.

Habt ihr denn bei den Aufnahmen für die neue Platte Drogen genommen?

Nein, haben wir nicht. Ich bin zum Glück von den Drogen runter, und die anderen möchten gar nicht erst damit anfangen, weil sie an mir gesehen haben, dass Drogen nicht gut sind (lacht). Nein, wir haben uns unserem Rausch beim Spielen verschafft, nicht mit natürlichen oder chemischen Hilfsmitteln.

„Wir sind sechs Musiker, die allesamt hungrig und ehrgeizig sind“

Also nicht einmal Hasch, etwa beim Reggae-beeinflussten Stück „Waiting for the End to come“?

Nicht einmal das. Ist einfach nicht das Ding der Jungs. Stattdessen haben wir das Studio dekoriert mit herrlichen Lichtern und Kunst aller Art. Einmal hatten wir 3000 Luftballons im ganzen Studio verteilt, um in Stimmung zu kommen und so eine Aura des „Das ist einfach nicht normal“ zu schaffen. Ballons hellen dich auf, sie machen einfach Spaß.

Luftballons? Hört sich an wie ein Spielplatz. 

Exakt. IKEA-Spieleparadies für erwachsene Männer.

Woran liegt es noch mal, dass ihr seit zehn Jahren zu den erfolgreichsten Rockbands der Welt gehört? 

Am allerwichtigsten ist natürlich die Musik sowie die verdammt enge Verbindung, die wir zu unseren Fans haben und halten. Und wir sind sechs Musiker, die allesamt hungrig und ehrgeizig sind. Linkin Park bestehen nicht aus einem oder zwei kreativen Meistern, während der Rest der Band gelangweilt herumsteht. Aber warum wir diverse Trends überlebt haben und warum die Leute unsere Platten kaufen und andere Platten liegen lassen? Das frage ich mich selbst. Da draußen sind jede Menge Bands, bei denen ich denke, die sollten genauso erfolgreich sein wie wir – und die verkaufen vielleicht nur 10.000 Alben im Jahr. Musik ist eine seltsame Sache.

Du hast eine Kette mit Tätowierungsstudios gegründet, „Club Tattoo“. Wie läuft das?

Super. Wir machen gerade einen weiteren Laden in Las Vegas auf und wollen nach Europa expandieren, bestimmt gibt es dann auch bald die eine oder andere „Club Tattoo“-Filiale in Deutschland.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Album „A Thousand Suns“ ab 10.9.2010

 

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