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„Es war wie ein Donnerschlag“

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jetzt.de: Vor einem Jahr hat dein Team bei der Weltmeisterschaft die Silbermedaille geholt. Trotzdem nannte man dich "den Pechvogel der Weltmeisterschaft". Was ist damals passiert?
Lauritz Schoof: Wir hatten das Finale so gut wie im Sack. Nur ein paar Meter vorm Ziel habe ich einen Krebs gefangen. Das bedeutet, dass mein Ruder unter Wasser gekommen ist und dann durch die Kraft des vorbeiströmenden Wassers nach unten gerissen wurde. Das hat das Boot fast zum Kentern gebracht. Wir sind noch über die Ziellinie gekommen, aber Australien hatte uns da schon überholt.

Wie ist es zu diesem Fehler gekommen?
In dieser Phase des Rennens befinde ich mich schon in einer Art Tunnel. Ich erinnere mich an nichts. Sicher ist aber, dass das Boot beim Schlusssprint 25 Stundenkilometer schnell ist. Für ein solches Boot die Höchstgeschwindigkeit. Wenn so etwas passiert, geht nichts mehr. Ich habe mir auch durch den Ruck an der Rippe wehgetan. Es war im Boot wie ein Donnerschlag. Die Niederlage war aber definitiv schmerzhafter als die Prellung.

Wie haben deine Teamkameraden reagiert?
Richtig Vorwürfe hat mir niemand gemacht. Soweit ich weiß, wollte man mich deshalb auch nicht rauswerfen (lacht). Aber ich weiß natürlich, dass ich so einen Fehler vermeiden kann, wenn ich sauber rudere.

Wie lange hat es denn gedauert, bis du wieder normal trainieren konntest?
Zwei Wochen stand ich richtig unter Schock. Durch meinen Fehler haben wir schließlich die Goldmedaille verloren. Aber irgendwann musste ich auch wieder ins Boot. Jetzt arbeite ich mit einem mentalen Trainer zusammen. Die größte Gefahr ist, dass ich jetzt zu vorsichtig fahre, weil ich Angst habe, dass es wieder passiert. So etwas hemmt. Ich musste einfach lernen: Das ist Sport und so etwas gehört dazu. Vor Wettkämpfen habe ich manchmal aber immer noch Bammel.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Der Moment, in dem der sichere Sieg verloren ging. Lauritz gerät aus dem Takt, im Hintergrund ziehen die Gegner vorbei.

Wie bereitest du dich auf deine Rennen vor?
Eine Stunde vorher gehe ich Laufen und höre Musik. Am liebsten Elektro oder Metal. Das beruhigt mich und gibt mir gleichzeitig die Aggressivität, die ich für jedes Rennen brauche.

Wann bist du das erste Mal in einem Boot gesessen?
Vor fast sieben Jahren. Ein knappes halbes Jahr später bin ich dann von Rendsburg ins Ruder-Internat in Ratzeburg gegangen.

Du musst dir ziemlich sicher gewesen sein...
Dass es die richtige Entscheidung ist, wusste ich damals noch nicht. Ich wollte diese Chance einfach nutzen und es ausprobieren.

Was macht Rudern für dich aus?
Mir gefällt die Art, wie man sich beim Rudern miteinander misst. Es ist nicht wie Boxen, wo es darum geht, jemanden umzuhauen. Um zu gewinnen, muss ich mich mehr quälen, als sich der Gegner quält.

Wie viel trainierst du in der Woche?
In der Vorbereitung auf Olympia bis zu 30 Stunden die Woche. 60 Prozent davon bin ich auf dem Wasser. Das sind ungefähr 250 Kilometer. Der Rest ist Ausdauertraining.

Immer nur geradeaus rudern - wird das nicht langweilig?
Ganz im Gegenteil. Beim Rudern braucht man sehr viel Körpergefühl. Bei jedem Training und in jedem Zug muss ich an mir arbeiten. Wenn ich mich konzentriere, läuft das Boot auch. Das Boot zeigt mir sofort Ergebnisse. Mittlerweile bin ich so ans Training gewöhnt, dass ich zwei Mal am Tag Sport machen muss, sonst fühle ich mich nicht ausgelastet.

Neben dem Leistungssport bist du Physikstudent. Wie klappt das?
Ich bin erst im zweiten Semester und belege auch nicht so viele Kurse wie meine Kommilitonen. Aber die Universität unterstützt mich auch. So konnte ich vergangenes Semester eine Klausur in Bordeaux schreiben, wo ich im Trainingslager war.

Kannst du denn abends auch mal unterwegs sein?
Als Leistungssportler brauche ich schon meinen Schlaf. Nach der ersten Einheit morgens um sieben klemme ich mich meist hinter die Bücher und gehe danach wieder zum Training. Abends bleibe ich dann oft eher zu Hause. An den Wochenenden bin ich im Trainingslager.

Bleibt da noch Zeit für deine Freunde?
In letzter Zeit kaum. Aber nach den Spielen in London werde ich versuchen, wieder mehr Platz dafür in meinem Leben zu finden.

Die Olympischen Spiele sind für viele Sportler ein Lebenstraum. Gegen wie viele musstest du dich durchsetzen, um diesen Platz zu bekommen?
Ich muss mich jedes Jahr wieder für den Platz im Boot qualifizieren. Also habe ich mich so gegen 40 bis 50 andere Konkurrenten durchgesetzt. Aber über die Jahre entwickelt sich auch eine gewisse Konstanz.  

Freust du dich auf Olympia?
Ich habe es noch gar nicht richtig begriffen. Meine Familie kommt mit nach London und alle freuen sich für mich. Aber dass ich wirklich zu den Olympischen Spielen fahre, ist unglaublich. Zudem war ich noch nie in London. Eigentlich verrückt.

Was ist dein Ziel in London?
Die beste Leistung abzurufen, die ich kann. Ich habe mir noch keine Gedanken darüber gemacht, dass ich wirklich eine Olympia-Medaille gewinnen könnte. Aber natürlich soll es Gold werden. 


Text: lea-deuber - Fotos: Getty

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