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"Festivals sind das ultimative Offline-Erlebnis"

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Der Name ist beim Sónar Festival gewissermaßen Programm: Ähnlich wie der Sonar eines U-Boots suchen die Festivalmacher Jahr führ Jahr nach neuen Sounds und Künstlern unterhalb der Mainstream-Wasseroberfläche. Vor ein paar Jahren hat das Sónar den in London entstandenen Dubstep international bekannt gemacht. Die Zweiteilung in „Sónar by Day“ und „Sónar by Night“ und die einzigartige Lage in der Innenstadt Barcelonas bilden einen idealen Rahmen für kulturellen Austausch. Georgia Taglietti veranstaltet das Festival seit 19 Jahren mit. 

jetzt.de: Georgia, sind Festivals eigentlich noch eine relevante Veranstaltungsform?  
Georgia Taglietti: Aber sicher. Festivals sind heute wichtiger denn je. Musik ist ja überall verfügbar und die Bedeutung von sozialen Netzwerken ist enorm gewachsen. Deshalb haben viele ein gestiegenes Bedürfnis nach realen Live-Erlebnissen. Es ist ja schön, heute fast überall einen Stream verfügbar zu haben - aber die Leute sehnen sich danach, Musik wieder gemeinsam mit anderen zu erleben. Festivals sind das ultimative Offline-Erlebnis.     

Was war anfänglich die Idee hinter dem Sónar?  
Das Besondere an Sonar ist, dass es von Anfang an mitten im Zentrum von Barcelona stattfand, bis heute. Das ist toll, denn die Stadt ist perfekt für das urbane Flair des Festivals. Die Grundidee war, eine Plattform für elektronische Musik und Kultur zu schaffen, die sich mit den kulturellen Entwicklungen im digitalen Bereich auseinandersetzt.  

Gab es damals noch andere, vergleichbare Events?  
Eigentlich nicht, außer vielleicht ein paar kleinere Sachen in Deutschland und Großbritannien. Unsere Idee war, eine Alternative zu den wenigen existierenden Festivals für elektronische Kultur wie Ars Electronica anzubieten...  
... das seit 1979 in Linz stattfindet...  
...indem wir uns hauptsächlich auf elektronische Musik konzentrieren. Heute sind wir ja dieser Hybrid aus Musik und digitaler Kultur.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Georgia Taglietti, seit 19 Jahren Teil des Sonar-Teams

Wie entwickelte sich das Festival mit der Zeit?  
Die Publikumszahlen machten einen enormen Sprung. 1994 hatten wir 6000  Besucher, 2012 waren es 100.000. Für viele Fans und Künstler aus aller Welt ist es mittlerweile der wichtigste Termin des Jahres. In diesem Jahr haben wir Menschen aus 92 Ländern zu Gast. Unsere Arbeit hat bestimmt auch einige Trends gesetzt.    

Elektronische Musik war ja noch nie so akzeptiert wie heute…  
Genau, und ich denke, das Sónar hat schon dazu beigetragen, dass elektronische Musik nicht mehr als diese nerdige Nischenmusik verstanden wird. Wir haben von Anfang an daran gearbeitet, stilistische Grenzen zu überschreiten. Diesem Anspruch wollen wir auch weiterhin gerecht werden.   

Euer Untertitel ist seit dem Bestehen „Festival for Advanced Music“. Inwiefern siehst du das Sónar als eine Art Seismograf für neue Trends?  
Wir machen keine direkte Talentförderung, aber wir haben zum Beispiel eine Bühne für Newcomer. Wir suchen das ganze Jahr über nach neuen Talenten. Wenn wir helfen können, eine Karriere  voranzubringen, ist das natürlich toll. Aber einige Künstler wollen ja gar nicht einem größeren Publikum zugänglich gemacht werden, sie möchten lieber ihr eigenes Ding durchziehen. Diese Art von Kunst akzeptieren und unterstützen wir auch.  

Mittlerweile gibt es mit dem „Mutek“ in Montréal oder dem CTM-Festival in Berlin durchaus vergleichbare Festivals. Spürt ihr die Konkurrenz?  
Die Idee der Vernetzung, die wir verfolgen, ist ja nicht exklusiv. Wir teilen sie mit einer internationalen Community. Ich würde das Mutek zum Beispiel als ein Bruder-Festival bezeichnen, das uns sehr nahe steht. Es gab mal eine Zeit, in der es sehr viel Wettbewerb gab, aber eigentlich hat jedes Festival seine eigene Daseinsberechtigung. Ich denke aber, dass unser Event etwas Einzigartiges ist: vor allem was den Ort angeht, aber auch die Art, wie wir die Dinge anpacken. Wir haben seit 20 Jahren denselben künstlerischen Leiter, die meisten aus dem Team sind hier geboren. Für die Künstler selbst ist es eine einzigartige Auftrittsmöglichkeit, weil sie wissen, dass das Publikum hier sehr anspruchsvoll ist.  

Kaum ein Land leidet so stark unter der Krise wie Spanien. Habt ihr das bei der Finanzierung gemerkt?  
Wir sind ein unabhängiges Festival und werden in keiner Weise von der Stadt unterstützt. Aber seit 2007 haben wir große Probleme, geeignete Sponsoren zu finden. Was uns auch wirklich geschadet hat, war der Anstieg der Kultursteuer im letzten September...  
...die von der Regierung um 13 Prozent erhöht wurde...  
...sodass wir in Spanien mittlerweile 21 Prozent Steuern auf alle Kulturangebote zahlen. Das betrifft nicht nur uns, sondern auch alle anderen Promoter, aber auch die Theater, Konzerthäuser und Kinos. Dadurch waren wir gezwungen, unsere Eintrittspreise wesentlich höher anzusetzen als in den vorherigen Jahren.    

Das „Sónar by Day“ wird in diesem Jahr nicht mehr auf dem Gelände des Museums für Moderne Kunst in der Altstadt stattfinden. Warum gibt es eine neue Location?   Wir hatten in den letzten Jahren zunehmend Platzprobleme. Außerdem wollten wir für das 20. Jubiläum eine größere Location haben. Mit dem Fira Montjuïc am Plaça d'Espanya haben wir ein tolles Gebäude gefunden, das sich auch im Stadtzentrum befindet. Dort findet auch das Sónar+D statt.  

Was genau verbirgt sich dahinter?  
Es ist eine Art Laboratorium, in dem Vorträge und Diskussionen stattfinden werden. Genauso wie auf den Bühnen tagsüber Newcomer performen, ist es ein Showcase für innovative Denker und Künstler. Sie können neue Ideen der digitalen Technik präsentieren und sich vernetzen. Das „+D“ steht für „Development“ und soll zeigen, wie elektronische Kultur sich immer wieder neu erfindet. Das zentrale Thema ist Mobilität. Musik ist ja heute längst ein zentraler Bestandteil unserer mobilen Welt und nicht selten kommunizieren die Künstler direkt mit ihren Fans. Viele der Projekte beschäftigen sich mit Intermedialität und gehen der Frage nach, wie Musikrezipienten heute mit Künstlern noch besser in Kontakt treten können.  

Es wird auch Ausstellungen von Medienkünstlern geben. Welchen Schwerpunkt wird es da geben?    
In den Ausstellungen geht es vor allem um Intermedialität und Interaktivität. Sehr interessant finde ich zum Beispiel das „Skrillex Variations“- Projekt von Robert Sakrowski. Es ist eine Multiscreen-Projektion von 16 verschiedenen Youtube-Videos des Songs „Scary Monsters And Nice Sprites" von Skrillex. Das Interessante ist, dass alle Videos von Fans gemacht wurden. Wirklich fantastisch finde ich auch die Ausstellung „Matter“ des italienischen Künstlers Quayola, auf der eine riesige digitale Skulptur als Reinterpretation des „Denkers“ von Auguste Rodin gezeigt wird.  

Und welche Musiker sollte man auf keinen Fall verpassen?  
Ich gehe am besten Tag für Tag vor (lacht). Am Donnerstag ist mein persönlicher Favorit auf jeden Fall Francesco Tristano. Am Freitag werde ich mir Jamie Lidell und das Ólafur Arnalds Trio aus Island anschauen. Am Samstag definitiv das DJ-Set von Mary Anne Hobbs. Ich liebe, wie sie auflegt. Nachts kann ich vor allem den Auftritt von Kraftwerk und am Sonntag das abschließende Set von Laurent Garnier empfehlen.     

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