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"Für uns ist Liebe das Werkzeug um Sex zu haben": Air im Interview

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jetzt.de: Viele Leute wissen gar nicht, dass euer Bandname eigentlich gar nicht für „Luft“ steht, sondern ein Akronym ist aus den Worten „Amour“, „Imagination“ und „Rêve“, also „Liebe“, „Fantasie“ und „Traum“. Nicolas Godin: Wir hatten damals ein Eskapismus-Konzept vor Augen, durch das man mithilfe der Musik der Realität entfliehen kann. Liebe, Fantasie und Traum sind einfach die perfekten Welten für eine musikalische Untermalung durch unsere Songs.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Nummer im Titel eures neuen Albums „Love 2“ lässt auf eine Fortsetzung schließen. Ist das so? Nein, das hat damit nichts zu tun. Aber für viele Menschen spielt Liebe eine große Rolle und wir fanden es faszinierend, dass man mit jeder Beziehung erneut in diese Liebesfalle tappt. Die „2“ im Titel steht also vielmehr für die ständige Wiederholung dieses Vorgangs. Inwiefern ist die Liebe denn ein zentraler Bestandteil des Albums? Wenn wir von Liebe sprechen, meinen wir das gefühlvolle Miteinander mit einem Mädchen. Aber JB und ich sind beide recht schüchterne Typen, wenn es um Frauen geht. Für uns ist Liebe letztlich nichts anderes als ein Werkzeug, das es schüchternen Menschen wie uns ermöglicht, Sex zu haben. Ist das dein Ernst? Absolut. Wenn du also ein Draufgänger wärst, . . . . . . dann wäre Liebe für mich überflüssig, genau. Auf unserer letzten Tour hatte einer unserer Keyboarder Sex mit 82 Mädchen, aber verliebt war er natürlich nie. Bei mir ist das anders: Jedes Mal wenn ich mit einer Frau zusammen bin, bin ich auch verliebt. Aber als Popstar dürfte es prinzipiell doch auch nicht allzu schwer sein, im Bedarfsfall auch ein Mädchen ins Bett zu kriegen, in das man nicht verliebt ist. Doch, denn die meisten Frauen verlieben sich ja nicht in dich, sondern in dein Image. Sie haben eine sehr eigene Vorstellung davon, was für ein aufregendes Leben man hat und lieben vielmehr die Idee, einen Popstar zu daten. Aber als Musiker reden wir den ganzen Tag über nichts anderes als über Equipment. Wir sind also die langweiligsten Menschen, die man sich nur vorstellen kann. AIR - Sing Sang Sung
Aber wenn es dir nur um Sex geht, musst du ja auch nicht sonderlich viel reden, sondern schläfst mit ihr und suchst dir dann die nächste – bis du am Ende möglicherweise 82 Sexualpartnerinnen zusammenhast. Ja, mag sein. Ich weiß auch, dass das keine sonderlich romantische Vorstellung ist, wie man sie als Außenstehender vielleicht von einem Franzosen erwarten würde. Dabei ist das eine typisch französische Denkweise, denn wir trennen Liebe und Sex relativ strikt. Man kann bei uns durchaus verheiratet sein und mit einer anderen Frau schlafen, ohne dass das zu Problemen führt. In Sachen Liebe sind wir nicht so heuchlerisch zu sagen, dass man nicht auch Sex mit einer anderen Frau haben kann, wenn man verheiratet ist. Fremdgehen hat bei uns nichts mit Betrügen zu tun. Wichtig ist lediglich, dass man dem anderen nicht wehtut. Hast du denn eine Freundin zur Zeit? Ja. Kennt sie deine Einstellung zu dem Thema? Nein, aber wir sind auch nicht miteinander verheiratet. Wie gesagt: Heutzutage wechselt man seine Partner doch eh ständig. Gerade in unserer Generation gibt es schließlich kaum noch Paare, die wirklich lange zusammenbleiben. Die Kids wachsen doch bereits damit auf, dass ihre Eltern nicht mehr zusammen sind. Die Scheidungsraten haben in den letzten zwanzig Jahren rapide zugenommen. Man verhält sich heutzutage eher wie ein Nomade: Wenn man seinen Partner nicht mehr liebt, zieht man einfach weiter und verliebt sich in jemand Anderen. Wie bewertest du denn diese Entwicklung? Ich glaube, das ist schon okay so. Nach dem Krieg hat sich in unserer Gesellschaft ein Lebenskonzept durchgesetzt, das einen Ehepartner, zwei Kinder und ganz viel Sicherheit vorsieht. Das ist der American Way Of Life, der nach dem Krieg in der ganzen Welt verbreitet wurde, sich aber offensichtlich nicht bewährt. In der Vergangenheit und in anderen Kulturen wird das ganz anders gehandhabt. Es scheint also das falsche Lebensmodell zu sein. Dennoch halten ganz viele Leute daran fest. Warum tun sie das, wenn es doch offensichtlich nicht funktioniert? Was nicht funktioniert ist die Vorstellung von ewiger Liebe, davon sollte man sich verabschieden. Aber die Aufregung beim ersten Kennenlernen, die ersten Dates, der erste Kuss – das alles findet ja statt, und diese Momente sollte man genießen. Deshalb verliebe ich mich ja auch so häufig, damit ich diese Gefühle immer wieder neu erleben kann. Liebe ist außerdem ohne Zweifel das meistbehandelte Thema in der Musik. Warum wird das nicht langweilig? Weil sie sich immer wieder erneuert und ein mysteriöses, universelles Gefühl darstellt. Liebe ist inspirierend. Viele Musiker schreiben Songs, wenn sie verliebt sind und haben dadurch das Gefühl, Berge versetzen zu können. Außerdem darf man nicht vergessen: Männer sind Aufschneider. Die wollen mit solchen Songs häufig bloß bei Frauen Eindruck schinden. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich Platten mache – ich will damit angeben. Gibt es ein bestimmtes Instrument, das sich deiner Meinung nach am besten zum Spielen eines Liebeslieds eignet? Viele würden wahrscheinlich Klavier oder Gitarre nennen. Aber man muss das Instrument wählen, das die eigene Persönlichkeit am besten ausdrückt. Bei mir ist das aus irgendeinem Grund das wahrscheinlich unsexieste Instrument der Welt, nämlich der Bass. Der entspricht mir am meisten. Wenn ich mit dem Bass auf der Bühne stehe, kann ich damit eine Stimmung erzeugen, die sehr nah an meinem Herzen ist. Es ist ein ganz intensives Zusammenspiel zwischen mir und dem Instrument, das auf eine sehr eigentümliche Weise irgendwie doch sexy ist. Einige eurer Platten enthalten Songs mit klassischen Pop-Strukturen, andere sind eher experimentell ausgerichtet. Welche Herangehensweise eignet sich besser, wenn es inhaltlich um Liebe geht? Solange es nicht allzu kompliziert ist, kann es jedes Format haben. Gerade Liebeslieder sollte man auf ihre Essenz reduzieren. In Frankreich gibt es ein Sprichwort, in dem es heißt: Wenn du jemanden aus mehr als einem Grund liebst, dann ist es keine Liebe. Und ähnlich ist es bei einem Liebeslied. Da sollte man sehr minimalistisch herangehen. Du hast mal gesagt, dass Mädchen eure Musik hören, um hinter die Denkweise von Jungs zu kommen. Ja, das stimmt – bis sie merken, dass JB und ich vollkommen anders ticken als die anderen Typen. Die Mädchen wiederum verstehen sich selbst nicht. Wie sollte das dann einem Mann gelingen?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Album "Love 2" von Air erscheint am 02. Oktober

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